Leitsatz (amtlich)

Ein Muster oder Modell, in das ein Postwertzeichen im Original einbezogen ist, (hier: Ersttagssammelblatt) ist nicht wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung i.S.v. § 7 Abs. 2 GeschmMG von der Eintragung in das Musterregister ausgeschlossen.

 

Normenkette

GeschmMG § 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

BPatG (Beschluss vom 16.01.2003; Aktenzeichen 10 W(pat) 715/00)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 10. Senats (Juristischen Beschwerdesenats) des BPatG v. 16.1.2003 wird auf Kosten des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Anmelderin begehrt mit ihrer am 8.9.1999 eingereichten Sammelanmeldung die Eintragung von noch 13 Mustern in das Musterregister. Die Eintragungsanträge zu weiteren sieben Mustern hat die Anmelderin während des Beschwerdeverfahrens vor dem BPatG zurückgenommen. Gegenstand der Anmeldung der verbliebenen 13 Muster sind Ersttagssammelblätter, die deutsche - gestempelte und ungestempelte - Postwertzeichen (Briefmarken) im Original enthalten und Bildmotive, Texte sowie eine Schmuckbordüre aufweisen.

Zwei der Muster (15 A und 19 C) sind nachfolgend beispielhaft wiedergegeben:

Das Deutsche Patent- und Markenamt (Musterregister) hat festgestellt, dass Schutz für die angemeldeten Muster nicht erlangt worden sei, und hat die Eintragung versagt. Es hat angenommen, die Veröffentlichung der Muster und die Verbreitung der Nachbildungen würden gegen die öffentliche Ordnung verstoßen.

Im Beschwerdeverfahren ist der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts dem Verfahren auf eine entsprechende Anheimgabe des BPatG beigetreten und hat beantragt, die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.

Das BPatG hat den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts (Musterregister) aufgehoben.

Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde begehrt der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das BPatG.

II. Das BPatG hat die angemeldeten Muster für eintragungsfähig gehalten und das Vorliegen eines Schutzhindernisses i.S.d. § 7 Abs. 2 GeschmMG verneint. Es hat angenommen, weder die Veröffentlichung der Muster im Geschmacksmusterblatt noch die Verbreitung von Nachbildungen verstoße gegen die öffentliche Ordnung.

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht hat das BPatG angenommen, der Eintragung der angemeldeten Geschmacksmuster stehe ein Schutzhindernis nach § 7 Abs. 2 GeschmMG nicht entgegen.

1. Nach der Bestimmung des § 7 Abs. 2 GeschmMG wird der Schutz gegen Nachbildung durch die Anmeldung nicht erlangt, wenn die Veröffentlichung des Musters oder Modells oder die Verbreitung einer Nachbildung gegen die öffentliche Ordnung verstoßen würde. Das setzt voraus, dass durch das Muster die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens oder die tragenden Grundsätze der Rechtsordnung in Frage gestellt werden (BGH, Beschl. v. 20.3.2003 - I ZB 27/01, BGHReport 2003, 964 = GRUR 2003, 707 = WRP 2003, 990 - DM-Tassen; Beschl. v. 20.3.2003 - I ZB 29/01, BGHReport 2003, 966 = GRUR 2003, 705 f. = WRP 2003, 992 - Euro-Billy; Beschl. v. 20.3.2003 - I ZB 1/02, BGHReport 2003, 966 = GRUR 2003, 708 [709] - Schlüsselanhänger, jeweils m.w.N.). Davon ist bei dem Gegenstand der Anmeldung (Ersttagssammelblätter mit gestempelten und ungestempelten Postwertzeichen im Original) nicht auszugehen. Es fehlen besondere Umstände, die einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung begründen.

2. a) Ein allgemeines Verbot, Postwertzeichen in Muster einzubeziehen und diese Muster in Gestalt von Ersttagssammelblättern zu vertreiben, gibt es nicht. Es lässt sich auch nicht mit der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG begründen, wonach Marken mit staatlichen Hoheitszeichen von der Eintragung als Marke ausgenommen sind. Dabei kann im Rechtsbeschwerdeverfahren dahinstehen, ob Postwertzeichen nach der weit gehenden Privatisierung des Postwesens staatliche Hoheitszeichen sind. Auf Grund der unterschiedlichen Schutzrichtung des Markengesetzes und des Geschmacksmustergesetzes ist das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG nicht auf das Geschmacksmusterrecht übertragbar (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2003 - I ZB 27/01, BGHReport 2003, 964 = GRUR 2003, 707 f. = WRP 2003, 990 - DM-Tassen; Beschl. v. 20.3.2003 - I ZB 29/01, BGHReport 2003, 966 = GRUR 2003, 705 [706] = WRP 2003, 992 - Euro-Billy; Beschl. v. 20.3.2003 - I ZB 1/02, BGHReport 2003, 966 = GRUR 2003, 708 [709] - Schlüsselanhänger).

b) Ein grundsätzliches Verbot, Postwertzeichen in Muster einzubeziehen und diese zu vertreiben, ergibt sich auch nicht aus der Möglichkeit des Missbrauchs des Musters. Zutreffend hat das BPatG angenommen, dass bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach § 7 Abs. 2 GeschmMG das Muster in seiner konkret angemeldeten Form zu Grunde zu legen ist. Nur wenn diese Mustergestaltung als solche gesetzes- oder sittenwidrig ist, kommt eine Versagung der Eintragung in Betracht. Eine Möglichkeit des Missbrauchs der Muster oder von Teilen eines Musters durch die Art der Verwendung oder die ungerechtfertigte Geltendmachung von Verbietungsrechten steht im Hinblick auf den ebenfalls möglichen unbedenklichen Gebrauch der Muster deren Eintragung als Geschmacksmuster nicht entgegen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2003 - I ZB 29/01, BGHReport 2003, 966 = GRUR 2003, 705 [706] = WRP 2003, 992 - Euro-Billy; Eichmann/v. Falckenstein, Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl., § 7 Rz. 72; vgl. auch BGH, Urt. v. 19.10.1971 - X ZR 34/68, GRUR 1972, 704 [707] - Wasser-Aufbereitung; zu § 2 Abs. 1 PatG Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 2 Rz. 15).

c) Die Verbreitung einer Nachbildung des Musters verstößt auch nicht aus anderen Gründen gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten.

Die Rechtsbeschwerde macht geltend, aus den Regeln des Weltpostvertrags v. 14.9.1994 (BGBl. II 1998, 2135 [2140] i.V.m. der Bekanntmachung v. 13.1.1999, BGBl. II 1999, 82) ergäben sich besondere Umstände, die einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung begründeten. Im Fall der Eintragung der Muster entstehe im Verhältnis zu den übrigen Vertragsstaaten des Weltpostvertrags der Eindruck, die Bundesrepublik Deutschland komme ihren Verpflichtungen aus dessen Art. 5 nicht nach. Nach Art. 5 Nr. 1 des Weltpostvertrags dürfe nur die Postverwaltung zur Frankierung bestimmte Postwertzeichen ausgeben. Die Befugnis, Postwertzeichen mit dem Aufdruck "Deutschland" auszugeben, sei nach der zum Zeitpunkt der Anmeldung gültigen Bestimmung (§ 43 Abs. 1 S. 1 PostG v. 22.12.1997, BGBl. I, 3294 [3303]) dem Bundesministerium für Post und Telekommunikation vorbehalten gewesen; dessen Zuständigkeit sei auf das Bundesministerium für Finanzen übergegangen. Nach § 54 PostG habe die Deutsche Post AG das ausschließliche Recht, nach § 43 PostG herausgegebene Postwertzeichen zu verwenden. Durch die Eintragung der Muster entstehe im Verhältnis zu den übrigen Vertragsstaaten des Weltpostvertrags der - unzutreffende - Eindruck, die Bundesrepublik Deutschland habe auch der Anmelderin das Recht zur Ausgabe amtlicher Postwertzeichen eingeräumt. Diese Rüge greift nicht durch.

Nach den Feststellungen des BPatG enthalten die Muster deutsche Postwertzeichen, die von den in Deutschland zuständigen Stellen ausgegeben und der Anmelderin von der Deutschen Post AG verkauft worden sind. Damit gibt die Anmelderin keine Postwertzeichen aus. Anders als die Rechtsbeschwerde geltend macht, entsteht auch nicht der - unzutreffende - Eindruck, die Anmelderin gebe die in die Ersttagssammelblätter eingefügten Postwertzeichen aus. Nach den Feststellungen des BPatG weiß der Verkehr, dass neben der Deutschen Post AG auch andere privatwirtschaftliche Unternehmen Ersttagssammelblätter mit darin enthaltenen Postwertzeichen im Original verkaufen. Deren Vertrieb lässt bei den Verkehrskreisen nicht den Eindruck aufkommen, die Anmelderin gebe auch die Postwertzeichen selbst aus.

IV. Danach war die Rechtsbeschwerde auf Kosten des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts (§ 10a Abs. 2 S. 2 GeschmMG i.V.m. § 109 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 PatG) zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1176386

BGHR 2004, 1362

NJW-RR 2004, 1624

GRUR 2004, 771

AfP 2004, 584

WRP 2004, 1179

BPatGE 2005, 298

Mitt. 2004, 446

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