Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Vereinsvorstands. Masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins. Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Einhellige obergerichtliche Rechtsauffassung. Vereinzelte Literaturmeinungen

 

Leitsatz (amtlich)

a) Grundsätzliche Bedeutung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kommt einer Rechtssache bezüglich einer vom BGH bislang noch nicht entschiedenen, in der Rechtsprechung der OLG jedoch einhellig beantworteten Rechtsfrage nicht zu, wenn die hierzu in der Literatur vertretenen abweichenden Meinungen vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind.

b) Vereinsvorstände haften mangels gesetzlicher Grundlage nicht für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins. § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB umfasst eine solche Haftung nicht. Eine Haftung in Analogie zu §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG n.F.), 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs. 2 i.V.m. 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG scheidet bereits deshalb aus, weil es in § 42 Abs. 2 BGB an der für eine Analogie erforderlichen "planwidrigen Regelungslücke" fehlt.

 

Normenkette

BGB § 42 Abs. 2; ZPO § 543 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 05.02.2009; Aktenzeichen 6 U 216/07)

LG Hamburg (Entscheidung vom 17.08.2007; Aktenzeichen 310 O 431/06)

 

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des OLG Hamburg vom 5.2.2009 durch Beschluss gem. § 552a ZPO zurückzuweisen.

Streitwert: 12.760 EUR

 

Gründe

Rz. 1

Zulassungsgründe liegen nicht vor; die Revision des Klägers hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Rz. 2

1. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts geboten.

Rz. 3

a) aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist (s. grundlegend hierzu BGHZ 151, 221 [223 f.]; 154, 288, 291 ff.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom BGH bisher nicht entschieden ist und von einigen OLG unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (s. Wenzel in ZPO, 3. Aufl., § 543 Rz. 7; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 543 Rz. 5a, jew. m.w.N.). Derartige Unklarheiten bestehen nicht, wenn abweichende Ansichten in der Literatur vereinzelt geblieben und nicht oder nicht nachvollziehbar begründet sind (s. nur BVerfG, NJW-RR 2009, 1026 Tz. 14).

Rz. 4

bb) Danach hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, ob Vereinsvorstände analog §§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (= § 64 Satz 1 GmbHG n.F.), 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 92 Abs. 3 AktG, 99 Abs. 2 i.V.m. 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife des Vereins haften, ist - jedenfalls jetzt - nicht mehr klärungsbedürftig, sondern nach dem geltenden Recht eindeutig zu beantworten.

Rz. 5

Die vereinzelt in der Literatur (Passarge, ZInsO 2005, 176; ders. NZG 2008, 605; Wischemeyer, DZWIR 2005, 230; ihnen regelmäßig ohne eigene Begründung folgend Reuter in BGB, 5. Aufl., § 64 Rz. 17; ebenso Werner, ZEV 2009, 366 [369 f.]; Roth/Knof, KTS 2009, 173, 179 f.; Hirte222, 228 - letztere alle für Stiftungsvorstände) reklamierte "planwidrige" Regelungslücke in § 42 Abs. 2 BGB besteht de lege lata offensichtlich nicht. Ihr angebliches Vorhandensein war auf der Grundlage des geltenden Rechts vom Gesetzgeber selbst spätestens schon widerlegt worden, als dieser - mit entsprechender Begründung (BT-Drucks. 16/6140, 55) - § 42 Abs. 2 BGB unverändert ließ, als § 15a InsO geschaffen wurde (s. hierzu auch Haas/Goetsch in Beuthin/Gummert, MünchHdB GesR Bd. 5, 3. Aufl., § 60 Rz. 41); erst Recht ist die These von der "planwidrigen" Regelungslücke unvertretbar geworden, als der Gesetzgeber seine gegenteiligen Vorstellungen durch das "Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereins- und Stiftungsvorständen" vom 28.9.2009 (BGBl. I, 3161) zum Ausdruck gebracht hat: Der Gesetzgeber hält die ehrenamtliche Tätigkeit der Bevölkerung für das Gemeinwesen für unabdingbar, er will sie fördern und hat zu diesem Zweck als Reaktion auf die negativen Folgen der Haftungsrisiken ehrenamtlich tätiger Vereinsvorstände für die Entwicklung des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland mit diesem Gesetz Haftungserleichterungen geschaffen mit dem Ziel, die Haftungsrisiken der Vorstände auf ein zumutbares Maß zu begrenzen (BT-Drucks. 16/10120, 1, 6; BT-Drucks. 16/13537, 1). Auch wenn der durch das genannte Gesetz mit Wirkung ab 3.10.2009 eingefügte § 31a BGB die hier zugrunde liegende Haftungsproblematik nicht unmittelbar betrifft, so spricht doch der darin zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers eine eindeutige Sprache gegen eine Ausdehnung der Haftung von Vereinsvorständen (ebenso Klasen, BB 2009, 690; Hangebrauck, EWiR 2009, 699; Kunkel, jurisPR-HaGesR 8/2009 Anm. 3). Denn damit stünde die gesetzlich nicht fundierte Haftung für Masseschmälerungen - sie passt ohnehin schwerlich zur Struktur eines Vereins, der anders als GmbH oder Aktiengesellschaft keine Kapitalschutzregeln kennt - in einen unauflösbaren Wertungswiderspruch. Mit Recht wird deswegen de lege lata eine Massesicherungspflicht von Vereinsvorständen und eine Haftung für Masseschmälerungen im Schrifttum abgelehnt (vgl. Koza, DZWIR 2008, 98; Roth, EWiR 2009, 331; Umbeck, GWR 2009, 10; Kunkel, a.a.O.; Klasen, a.a.O.; Hangebrauck, a.a.O.; eine Analogie ebenfalls ablehnend H.P.Westermann, BGB, 12. Aufl., § 42 Rz. 6; Schwarz/SchöpflinBGB- § 42 Rz. 9; Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 42 Rz. 4; Haas/Goetsch in Beuthin/Gummert, a.a.O.).

Rz. 6

Diese klarstellende Wertentscheidung des Gesetzgebers konnte das Berufungsgericht bei seiner Zulassungsentscheidung, die vor dem 28.9.2009 ergangen ist, noch nicht berücksichtigen.

Rz. 7

Ob de lege ferenda eine Haftung für masseschmälernde Zahlungen nach Insolvenzreife, die allenfalls für sog. "großwirtschaftliche Vereine" und Stiftungen ernsthaft diskutiert werden könnte, sinnvoll sein kann, hat der Senat nicht zu entscheiden.

Rz. 8

b) Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts scheidet schon deswegen aus, weil die Bejahung einer Analogie zu den gesetzlich geregelten, auf ganz andere Verhältnisse zugeschnittenen Fällen auf eine Rechtsfortbildung contra legem hinausliefe.

Rz. 9

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt auch der Frage, auf welchen Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung hinsichtlich der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden bei dem Schadensersatzanspruch gem. § 42 Abs. 2 BGB abzustellen ist, mangels Klärungsbedürftigkeit keine grundsätzliche Bedeutung zu: Es entspricht seit BGHZ 29, 100 [102 ff.] ständiger Rechtsprechung und der einhelligen Ansicht in der Literatur (s. insoweit nur Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rz. 132; Spindler in AktG, 3. Aufl., § 92 Rz. 47 jew. m.w.N.), dass der Quotenschaden des Gläubigers danach zu berechnen ist, was er im Vergleich zu der tatsächlich erhaltenen Quote erhalten hätte, wenn der Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt worden wäre.

Rz. 10

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Rz. 11

a) Mangels Anspruchsgrundlage kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, eine Haftung der Beklagten für masseschmälernde Zahlungen nicht in Betracht.

Rz. 12

b) Soweit - was durchaus zweifelhaft erscheint - der Vortrag des Klägers sich überhaupt dahin auslegen lässt, dass er (auch) den Quotenschaden der Gläubiger gem. § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 92 Satz 1 InsO geltend gemacht hat, hat das Berufungsgericht auch diesen Anspruch mit der zutreffenden Begründung abgelehnt, dass der Kläger einen Quotenschaden in Höhe der Klageforderung schon nicht ansatzweise ordnungsgemäß dargelegt hat (s. dazu nur BGHZ 138, 211 [221]).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2336456

BB 2010, 1225

DStR 2010, 10

DStR 2010, 1143

WPg 2010, 664

NJW 2010, 6

NWB 2010, 1584

FamRZ 2010, 1070

NJW-RR 2010, 1047

EWiR 2010, 553

NZG 2010, 625

NZG 2010, 742

WM 2010, 936

ZIP 2010, 985

DZWir 2010, 291

JZ 2010, 376

JZ 2010, 380

MDR 2010, 704

NZI 2010, 50

NZI 2010, 7

WuM 2010, 369

ZInsO 2010, 915

GWR 2010, 268

NWB direkt 2010, 557

StBW 2010, 471

ZBB 2010, 255

VereinsBrief 2010, 2

npoR 2010, 48

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