1 Leitsatz

Bestimmt eine vor dem 1.12.2020 getroffene Vereinbarung, dass ein Wohnungseigentümer sich (nur) an den Verwaltungskosten zu beteiligen hat, gilt dies auch nach dem 30.11.2020.

2 Normenkette

§§ 10 Abs. 1 Satz 2, 16 Abs. 2 Satz 1, 47 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K erhebt eine Anfechtungsklage. Die Klage hat Erfolg. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss K nach der Kostenentscheidung 3.721,12 EUR erstatten. Ihre außergerichtlichen Kosten belaufen sich auf 2.672,50 EUR. Im April 2020 fassen die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss: Die Eigentümer beschließen die Finanzierung der Kosten des Rechtsstreits in Höhe von 6.393,62 EUR durch eine "Sonderumlage". Jedes Sondereigentum hat einen Betrag von 799,21 EUR zu zahlen. Der Betrag ist 14 Tage nach Beschlussfassung fällig. Eine Erstattung des überzahlten Betrages durch Herrn … wird an die Eigentümer wieder ausgezahlt. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Er meint, seine Beteiligung an den Prozesskosten sei unbillig. Die anderen Wohnungseigentümer verweisen auf die Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2019. Dort heißt es, "die Verwaltungskosten [seien] zu gleichen Teilen auf die WE-Einheiten" umzulegen.

4 Die Entscheidung

Dies sieht das LG anders! Die Kosten einer Anfechtungsklage seien im Jahr 2019 nach herrschender Meinung keine Verwaltungskosten gewesen. Nach der Gemeinschaftsordnung müsse K sich daher nicht an den Prozesskosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beteiligen. Die Vereinbarung zu den Verwaltungskosten sei auch trotz § 47 WEG noch anwendbar. Die Hürde für eine begründete Anfechtungsklage dürfe für den anfechtungsberechtigten Wohnungseigentümer außerdem nicht mit Nachteilen verbunden sein, die ihn von einer Klage abhalten würden. Ein solcher Nachteil wäre es, wenn ein Wohnungseigentümer damit rechnen müsste, auch im Fall einer begründeten Anfechtungsklage mit einer für ihn günstigen Kostengrundentscheidung anteilig mit Kosten belastet zu werden.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es im Kern um eine Vereinbarung, die vor dem 1.12.2020 getroffen wurde und für die Verwaltungskosten einen Umlageschlüssel anordnet. Fraglich ist, ob diese Vereinbarung noch anwendbar ist.

Altvereinbarungen

Vereinbarungen, die vor dem 1.12.2020 getroffen wurden und die von solchen Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes abweichen, die durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz vom 16.12.2020 (BGBl. I S. 2187) geändert wurden ("Altvereinbarungen"), stehen nach § 47 Satz 1 WEG der Anwendung dieser Vorschriften in der vom 1.12.2020 an geltenden Fassung nicht entgegen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht ein anderer Wille ergibt. Ein solcher Wille ist in der Regel nach § 47 Satz 2 WEG nicht anzunehmen. Im Fall ist zu fragen, ob es einen entgegenstehenden Willen gibt. Das LG bejaht die Frage. Dies ist vertretbar. Mit der jüngeren Rechtsprechung des BGH dürfte das Gegenteil aber richtig sein. Denn der BGH meint, durch § 47 WEG komme der eindeutige Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, bei der Auslegung von Vereinbarungen im Zweifel dem neuen Recht zur Geltung zu verhelfen. Deshalb müssten auch Vereinbarungen, auf die § 47 WEG nicht anwendbar sei, auf der Grundlage der durch das WEMoG vorgegebenen Systematik verstanden werden. § 47 WEG sei für die Auslegung der Gedanke einer dynamischen Verweisung auf die jeweils aktuellen gesetzlichen Regelungen zu entnehmen. Im aktuellen Recht müsste sich Wohnungseigentümer K aber an den Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die Prozessführung beteiligen.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Eine Verwaltung kann für die Wohnungseigentümer nicht verbindlich entscheiden, ob eine Altvereinbarung nach § 47 WEG noch anwendbar ist oder nicht. Diese Klärung kann auch ein Gutachten durch einen Rechtsanwalt oder eine Universität nicht endgültig herstellen. Wollen die Wohnungseigentümer eine rechtsverbindliche Klärung, bedarf es eines rechtskräftigen Urteils, welches den Inhalt der entsprechenden Regelung bestimmt. Bis zu dieser Klärung, die nicht unbedingt anzustreben ist, reicht es, wenn sich die Verwaltungen durch die Wohnungseigentümer anweisen lassen, wie sie das gemeinschaftliche Eigentum verwalten sollen. Hierzu ist den Eigentümern in einem ersten Schritt mitzuteilen, dass es in der Gemeinschaftsordnung eine Regelung gibt, die der jetzigen Gesetzeslage entgegensteht. Dann sollte den Wohnungseigentümern mitgeteilt werden, in welcher Weise diese Regelung verstanden werden könnte. Auf dieser Basis sind die Wohnungseigentümer dann in der Lage, der Verwaltung, möglicherweise auch auf deren Vorschlag, eine Weisung zu erteilen, ob sie ihrem Tun diese Vereinbarung zugrunde legen soll oder nicht.

6 Entscheidung

LG Rostock, Urteil v. 16.6.2023, 1 S 109/22

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