Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzelermächtigung. Masseverbindlichkeiten. Insolvenzgeldvorfinanzierung. Schutzschirmverfahren. Eigenverwaltung. vorläufiger Sachwalter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Schutzschirmverfahren, § 270b InsO, ist eine Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten zu Gunsten des Schuldners zu erteilen.

2. Ist Eigenverwaltung beantragt, ohne dass ein Antrag nach § 270b InsO vorliegt, so ist die Einzelermächtigung ebenfalls zu Gunsten des Schuldners zu erteilen. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die Begründung der Masseverbindlichkeiten unter den Vorbehalt der Zustimmung des vorläufigen Sachwalters nach § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO zu stellen ist.

 

Normenkette

InsO §§ 21, 55, 270, 270a, 270b

 

Tenor

Im Wege der einstweiligen Anordnung zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse (§ 21 Abs. 1 InsO) wird bestimmt:

Die Schuldnerin wird ermächtigt, zur Vorfinanzierung des Insolvenzausfallgeldes Masseverbindlichkeiten nach §§ 270b Abs. 3, 55 Abs. 2 InsO zu begründen.

 

Gründe

Die Anordnung ist erforderlich, um bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage der Schuldnerin zu verhüten (§ 21 Abs. 1 InsO).

Die Masseverbindlichkeiten können im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang durch die Schuldnerin begründet werden.

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkennt, dass das Gericht dem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt im Wege der Einzelermächtigung gestatten kann, im Eröffnungsverfahren Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 2 InsO zu begründen (vgl. Laroche, NZI 2010, 965 ff.).

Im Falle des Schutzschirmverfahrens kann diese Befugnis dem Schuldner übertragen werden. Dieser - und nicht etwa der vorläufige Sachwalter - ist richtiger Adressat der Ermächtigung.

Gemäß § 270b Abs. 3 InsO kann das Gericht dem Schuldner die Ermächtigung erteilen, in unbeschränktem Umfang Masseverbindlichkeiten bereits im Eröffnungsverfahren zu begründen. Im Wege des Erstrechtschlusses kann daraus hergeleitet werden, dass das Gericht den Schuldner auch ermächtigen kann, nur für einen bestimmten Forderungskreis Masseverbindlichkeiten zu begründen. Dies entspricht aus der Rechtslage im eröffneten Verfahren. Denn im Falle einer angeordneten Eigenverwaltung begründet der Schuldner nach Eröffnung selbst Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (vgl. HambKomm/Fiebig, § 270 Rn. 35).

Nichts anderes dürfte sich für den Fall eines Antrags auf Eigenverwaltung ohne gleichzeitigen Schutzschirmantrag nach § 270b InsO gelten. Auch in diesem Falle ist richtiger Adressat der Einzelermächtigung der Schuldner. Es kann lediglich darüber nachgedacht werden, in diesem Fall die Befugnis an die Zustimmung des vorläufigen Sachwalters entsprechend § 275 InsO zu knüpfen. Seit Inkrafttreten des ESUG soll gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO im Eröffnungsverfahren kein vorläufiger Insolvenzverwalter mehr bestellt werden. An dessen Stellt tritt ein vorläufiger Sachwalter, für den §§ 274, 275 InsO entsprechend gelten. Da aber auch im Falle eines Antrags auf Eigenverwaltung ohne Schutzschirmantrag die Notwendigkeit zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Wege der Einzelermächtigung bestehen muss, kann auch hier nur gelten, dass der Schuldner selbst Berechtigter der Einzelermächtigung ist. Denn es wäre systemwidrig, dem vorläufigen Sachwalter im Eröffnungsverfahren Befugnisse zuzubilligen, die weiter gehen als die des Sachwalters im eröffneten Verfahren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 4712389

EWiR 2012, 359

ZIP 2012, 788

NZI 2012, 375

ZInsO 2012, 790

InsbürO 2012, 363

KSI 2012, 139

NJW-Spezial 2012, 309

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