Schutz des Unternehmers vor Regressnahme

Ein funktionierende Mahnwesen ist für Unternehmen in Zeiten schlechter Zahlungsmoral äußerst wichtig. Fragen an die Redaktion zu den Risiken der Insolvenzanfechtung und zum Schutz vor Regressnahme beantworten wir heute für Sie im Folgenden.

Die Fragen:

Seit vielen Jahren geben mir die Veröffentlichungen der Haufe Abonnement wertvolle Tipps für meine Arbeit. Ich las kürzlich einen Fachartikel über das Mahnwesen. Können Sie in diesem Zusammenhang Erläuterungen geben zu den Risiken der Insolvenzanfechtung? Wie schützen sich die Unternehmen vor der Regressnahme durch Insolvenzanwälte?  

Die Antworten

Die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung gem. § 129 InsO soll verhindern, dass der Insolvenzschuldner aufgrund von Rechtshandlungen Vermögenswerte der Insolvenzbeschlagnahme entzieht bzw. sich einzelne Gläubiger vor der Insolvenzeröffnung Vorteile zulasten anderer Gläubiger verschaffen.

 § 130 InsO regelt vom Wortlaut die Anfechtbarkeit bei kongruenter Deckung. Letztere beinhaltet, dass der Anfechtungsgegner (= Gläubiger des Insolvenzschuldners) innerhalb der letzten drei Monate vor Antrag auf Eröffnung eine Sicherung oder Befriedigung erhalten bzw. sie ihm ermöglicht worden ist, die er in dieser Weise und zu diesem Zeitpunkt zwar grundsätzlich beanspruchen konnte, aber dann nicht behalten soll/darf, wenn der Schuldner bereits zum Zeitpunkt der Sicherung/Befriedigung zahlungsunfähig war und der Gläubiger dies wusste (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO) bzw. dem Gläubiger Umstände bekannt waren, aus denen er auf die Zahlungsunfähigkeit schließen konnte (§ 130 Abs. 2 InsO).

 

Praxis-Beispiel:

Gemüsehändler e.K. hat am 2.4.01 Ware erhalten und diese am 10.6.01 dem Lieferanten L per Überweisung bezahlt. Zu diesem Zeitpunkt war dem Lieferanten bekannt, dass der Gemüsehändler von anderen Lieferanten Ware seit 10.5.01 nur noch gegen Barzahlung erhielt und zudem dringend einen Nachmieter für die Geschäftsräume suchte und den Lohn für sein Personal im Mai 01 nicht bezahlt hatte.

Am 15.7.01 stellte der Gemüsehändler Antrag auf Insolvenz über sein Unternehmen. Unstreitig hatte der Lieferant Anspruch auf Bezahlung seiner Ware, aber da er zumindest den Verdacht hatte, dass der Gemüsehändler zahlungsunfähig sein könnte (§ 130 Abs. 2 InsO), kann der Insolvenzverwalter den Kaufpreis nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO vom Lieferanten fordern.

Wichtig: Der Insolvenzverwaltung muss den Beweis erbringen

Es ist grundsätzlich Sache des Insolvenzverwalters zu beweisen, dass zum Zeitpunkt der Zahlung Zahlungsunfähigkeit vorlag und der Anfechtungsgegner Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) des Schuldners hatte bzw. von solch einer ausgehen musste. Laut Rechtsprechung erfasst § 130 InsO auch inkongruente Deckungen.

 

§ 131 InsO behandelt die Anfechtbarkeit wegen inkongruenter Deckung.

Von einer inkongruenten Leistung spricht man, wenn der Anfechtungsgegner eine Befriedigung oder Sicherung erhalten hat, obwohl er sie nicht bzw. nicht so bzw. nicht in der Weise oder nicht zu der Zeit beanspruchen konnte. Mit dieser Vorschrift werden u. a. alle Zahlungen/Sicherheitsleistungen und Vermögensübertragungen kurz vor dem endgültigen „Aus“ erfasst.

Ausgangspunkt für den Insolvenzverwalter ist also ein Vergleich der tatsächlich erfolgten Zahlungen, Sicherungen zugunsten von Insolvenzgläubigern mit dem diesen Handlungen zugrunde liegenden Verträgen/Fälligkeiten/Zahlungszielen. Jede Auffälligkeit, die sich bei diesem Vergleich ergibt, führt zur Inkongruenz und damit zur erleichterten Anfechtbarkeit.

Praxis-Beispiel:

Bank lässt sich am 5.5.01 eine Sicherheit am Grundstück des Schuldners einräumen, damit er einen Lieferanten mit einem Kontokorrentkredit bezahlen kann, obwohl sie weiß, dass der Schuldner bereits Mahnbescheide erhalten hat. Am 3.6.01 stellt ein anderer Gläubiger Antrag auf Eröffnung der Insolvenz. Hier wird der Insolvenzverwalter die Bestellung der Sicherheit gem. § 131 Abs.1 Nr. 1 InsO anfechten.

Auch die Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung führt regelmäßig zur Inkongruenz. Inkongruenz kann bereits vorliegen, wenn der Schuldner nicht freiwillig zahlt, sondern nur leistet, weil sein Gläubiger mit der Zwangsvollstreckung oder gar einem Insolvenzantrag gedroht hat.

Hinweis: Erfüllt der Schuldner nach Zustellung eines Vollstreckungsbescheides die titulierte Forderung innerhalb der gesetzlichen Dreimonatsfrist, ist die Deckung nicht inkongruent, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor weder eingeleitet noch angedroht hat (BGH, Urteil v. 7.12.2006, IX ZR 157/ 05).

§ 131 InsO erfasst drei verschiedene Fall-Konstellationen:

Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

  1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (siehe oben Praxis-Beispiel) oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist
  2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
  3. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

Der 1. Fall ist für den Insolvenzverwalter am einfachsten zu prüfen.

Bei der 2. Fall-Konstellation muss der Insolvenzverwalter die Zahlungsunfähigkeit  des Schuldners beweisen (BGH, Urteil v. 12.7.2007, IX ZR 235/03).

Bei der 3. Fall-Konstellation muss der Insolvenzverwalter die Kenntnis des Gläubigers beweisen, dass die Handlung die Insolvenzgläubiger benachteiligen wird. Im Übrigen werden nur Handlungen erfasst, die zur Sicherung/Befriedigung führen (Zwangsvollstreckung), nicht Rechtsgeschäfte (Vergleich etc.). Zahlungsunfähig muss der Schuldner noch nicht gewesen sein.

Hinweis:

Der Insolvenzverwalter wird in der Praxis wegen der erleichterten Anforderungen an die Anfechtung meist § 131 InsO nutzen und wohl nur dann, wenn es um höhere Forderungen geht, diese auch einklagen.

§ 142 InsO (Bargeschäfte) regelt, dass eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar (= zeitlich) eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar ist, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind  (Anfechtbar ist dabei eine Rechtshandlung, die der Schuldner mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte; diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die anderen Gläubiger benachteiligt). Dieser Ausnahmeregelung liegt der wirtschaftliche Gesichtspunkt zugrunde, dass ein Schuldner, der sich in der Krise befindet, praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, wenn selbst die von ihm abgeschlossenen wertäquivalenten Bargeschäfte der Anfechtung unterlägen.

Leistung und Gegenleistung müssen beim Bargeschäft nicht Zug um Zug erbracht werden. Dem Erfordernis der Unmittelbarkeit entsprechen auch solche Geschäfte, bei denen Leistung und Gegenleistung in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht werden. Der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum lässt sich kaum allgemein festlegen. Er hängt wesentlich von der Art der ausgetauschten Leistungen und davon ab, in welcher Zeitspanne sich der Austausch nach den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs vollzieht.

Es ist anerkannt, dass die Erfüllung beliebiger gegenseitiger Verträge unter die Bargeschäftsausnahme fallen kann. Insbesondere können Dienstleistungen eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts Bargeschäfte sein.

Bargeschäft heißt nicht, dass bar bezahlt werden muss, sondern dass der Austausch der konkreten Leistungen zeitnah im Zusammenhang erfolgt.

 

Wichtig: Was bei länger währenden Vertragsbeziehungen zu beachten ist

 Bei länger währenden Vertragsbeziehungen ist für die Annahme eines Bargeschäfts zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah - entweder in Teilen oder abschnittsweise - ausgetauscht werden. So können Zahlungen, mit denen ein Bauunternehmer nach Baufortschritt entlohnt wird, Bargeschäfte sein, falls der Abstand zwischen den einzelnen Raten nicht zu groß wird. Entsprechendes gilt für die Saldierung von Soll- und Habenbuchungen im Rahmen eines debitorisch geführten Kontos etc. 

 

Praxis-Tipp: Wie schützen sich die Unternehmen vor der Anfechtung durch Insolvenzverwalter:

Grundsätzlich sollte jeder Unternehmer

  • keine langen Zahlungsziele gewähren,
  • Sicherheiten vor Auslieferung der Ware verlangen (Eigentumsvorbehalte aller Art, Zahlungsbürgschaften etc.) und vor allem
  • bei Zahlungsverzug bezüglich einer „alten“ Lieferung, wenn überhaupt, neue Ware nur gegen Vorkasse für die neue Ware (bar oder vorherige Überweisung) liefern.

Am gefährlichsten sind Zahlungen des Schuldners innerhalb eines Monats vor Insolvenzantrag, soweit ausnahmsweise kein Fall des § 142 InsO vorliegt.

Sobald ein Insolvenzverwalter die Anfechtung erklärt, sollte man das von einem Anwalt prüfen lassen und nicht einfach an den Insolvenzverwalter aufgrund der Anfechtung zahlen. Oft können auch Kompromisse erzielt werden, da langjährige Prozesse nicht unbedingt im Interesse des Insolvenzverwalters sind. Es kommt natürlich auch auf die vorhandenen Mittel der Insolvenzmasse und die Qualität des Insolvenzverwalters an.

BGH, Urteil vom 21. 6. 2012 - IX ZR 59/11: Begleicht der hierzu nicht verpflichtete Geschäftsführer der späteren Insolvenzschuldnerin (GmbH) deren Verbindlichkeit aus eigenen Mitteln, benachteiligt er hierdurch nicht die späteren Insolvenzgläubiger. Also immer auch prüfen, von welchem Konto Ware bezahlt worden ist.

Schlagworte zum Thema:  Insolvenzverwalter, Regress, Mahnung