§ 2b UStG: Neues Umsatzsteuerrecht für Kommunen

Die Neuregelung der Umsatzsteuer beschäftigt die kommunale Ebene anhaltend. Durch die Kopplung der Besteuerung an die Körperschaftsteuer und das Vorliegen eines Betriebs gewerblicher Art waren juristische Personen des öffentlichen Rechts bisher nur in wenigen Fällen umsatzsteuerpflichtig. Dies hat sich durch die Neuregelung in § 2b UStG grundlegend geändert.

Durch das Corona-Steuerhilfegesetz hatte es zunächst einen zeitlichen Aufschub bis zum 31.12.2022 gegeben. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Jahressteuergesetz 2022 hat der Bund die nochmalige Verlängerung der Optionsfrist bis zum 31.12.2024 vorgeschlagen. Der Bundesrat hat der Änderung am 16.12.2022 zugestimmt.

Änderungen der Umsatzsteuerpflicht bereits 2015 eingeführt

Mit den Änderungen des UStG im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2015 (Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015, BGBl. 2015 I S. 1834) wurde

  • neben der Neuregelung in § 2b UStG durch die Streichung von § 2 Abs. 3 UStG
  • die Kopplung an die Körperschaftsteuer aufgehoben.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts (JPdöR) sollen damit marktrelevante, privatrechtliche Leistungen nach den gleichen Grundsätzen erbringen wie andere Marktteilnehmer. Auch Leistungen, die auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (z. B. Satzung und/oder Verwaltungsakt) erbracht werden, jedoch keinem generellen Marktausschluss unterliegen, können künftig einer Besteuerung unterliegen.

Unternehmereigenschaft nach dem UStG gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts

Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Als solche kann jede Tätigkeit betrachtet werden, die nachhaltig der Erzielung von Einnahmen dient. Nicht erforderlich ist eine Gewinnerzielungsabsicht. Unternehmerfähig sind damit grundsätzlich auch jPdöR.

Das unternehmerische Handeln setzt dabei eine nachhaltige Tätigkeit voraus, mit der Leistungen gegen Entgelt erbracht werden. Die Unternehmensfähigkeit tritt ferner unabhängig von einer bestimmten Rechtsform ein, weshalb grundsätzlich auch jPdöR im Rahmen ihres gesetzlichen Etatrechts und unabhängig von der Einordnung einer Leistung in einen Regiebetrieb, als Produkt oder einer im Haushaltsplan definierten Leistung unternehmerisch tätig werden können. Umsatzsteuerlich relevant ist nur die Tätigkeit eines Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens. Erfasst wird dabei die unternehmerische Tätigkeit als Ganzes, d. h. der Besteuerung unterliegt nicht jede einzelne Leistung, sondern der Gesamtumsatz aller unternehmerischen Leistungen eines Unternehmers oder einer jPdöR.

Leistungserbringungen durch juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nun umsatzsteuerpflichtig

Für die Behandlung von Leistungen einer jPdöR kommt es künftig nicht mehr darauf an, ob sie im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art (BgA) erbracht werden. Bei Erbringung von Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage gelten die allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuerrechts, d. h. soweit es sich um eine steuerbare und nicht um eine nach § 4 UStG steuerbefreite Leistung handelt, unterliegt die Leistungserbringung der Umsatzsteuer. Anders als in der Vergangenheit rückt damit die Form der Entgelterhebung (öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich) stärker in den Fokus.

Dabei gelten die allgemeinen Voraussetzungen des Unternehmerbegriffs nach § 2 Abs. 1 UStG. Hierunter fallen z. B.

  • klassische gewerbsmäßige Leistungen, wie der Verkauf von Souvenirs in einem Fremdenverkehrsamt  oder im Bürgerbüro,
  • der Verkauf von Familienstammbüchern im Standesamt oder
  • der Verkauf von Duschmarken in einer Berufsschule.

Aber auch die Erhebung von Entgelten für Kopien im Bürgeramt oder die Vermietung von Turnhallen oder Stellplätzen sind künftig nicht mehr generell einer Besteuerung entzogen.

Ausnahmen von der Umsatzsteuerpflicht: Handeln auf öffentlich-rechtlicher Grundlage

§ 2b UStG regelt als Ausnahmetatbestand die Umsatzbesteuerung der jPdöR beim Handeln auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Hierin hat der Gesetzgeber die Regelungen des Art. 13 MwStSystRL übernommen und 4 Voraussetzungen definiert:

  • Handeln einer jPdöR,
  • Ausübung einer ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeit,
  • Fehlen größerer Wettbewerbsverzerrungen und
  • Ausschluss einer Katalogtätigkeit nach § 2b Abs. 4 UStG.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der Wettbewerbsverzerrung wird in § 2b Abs. 2 UStG näher definiert. Relevant ist hier insbesondere die prognostische Umsatzgrenze von 17.500 EUR aus gleichartigen Tätigkeiten. Das Überschreiten dieser Umsatzgrenze muss bereits mit der Haushaltsplanung dokumentiert werden. Auf ein tatsächliches Erreichen der Umsatzgrenze kommt es jedoch nicht an. Für die interkommunale Zusammenarbeit enthält § 2b Abs. 3 UStG weitere Ausnahmeregelungen.

Auslegungsfragen zu § 2b UStG in BMF-Schreiben geklärt

Das BMF veröffentlichte ein Anwendungsschreiben (BMF, Schreiben v. 16.12.2016, BStBl. I 2016 S. 1451), in dem wesentliche Auslegungsfragen zur Anwendung des § 2b UStG behandelt werden. Mit einem weiteren Anwendungsschreiben (BMF, Schreiben v. 27.7.2017, BStBl. 2017 I S. 1239) wurden die vorangehenden Entscheidungen des BFH zur Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG veröffentlicht.

Die Auslegung des § 2b Abs. 3 UStG ist Gegenstand der BMF-Schreiben vom 14.11.2019 (DOK 2019/0974402) sowie vom 20.2.2020 (DOK 2020/0155722). Im Hinblick auf die notwendige europarechtskonforme Auslegung des § 2b Abs. 3 UStG hat das BMF darin betont, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Buchstaben a) bis d) in Abs. 3 dennoch eine gesonderte Prüfung auf mögliche schädliche Wettbewerbsverzerrungen erforderlich ist. Damit wurde der Anwendungsbereich für eine steuerbefreite interkommunale Zusammenarbeit nochmals eingeschränkt. Das zeigen auch die Hinweise und Klarstellungen zu konkreten Leistungen und Aufgaben im BMF-Schreiben vom 20.02.2020 (DOK 2020/0155722). Weitere ergänzende Regelungen wurden in den BMF-Schreiben vom

  • 5.8.2020 (DOK 2020/0767842) zur Umsatzsteuerpflicht der Konzessionsabgabe sowie vom
  • 23.11.2020 (DOK 2020/1212492) zur Anwendung von § 2b UStG in Zusammenhang mit dem Friedhofs- und Bestattungswesen

getroffen.

Zwischenzeitlich liegen Aussagen von einzelnen Landesfinanzministerien vor, die die Umsatzsteuerpflicht auf die Konzessionsabgabe wieder aufweichen (so u. a. Bayern und Sachsen, welche grundsätzlich eine Umsatzsteuerfreiheit der Konzessionsabgabe annehmen, soweit die Verträge den verhandelten Musterkonzessionsverträgen entsprechen).

Übergangszeitraum auf Antrag bis 2024 verlängert

Die Neuregelung ist zum 1.1.2017 in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hatte mit dem ebenfalls neu eingefügten § 27 Abs. 22 UStG die Möglichkeit eröffnet,

  • durch eine einmalige, gegenüber dem Finanzamt bis zum 31.12.2016 abzugebende Erklärung
  • zur Beibehaltung der Regelungen des § 2 Abs. 3 UStG in der Fassung vom 31.12.2015 zu optieren.

Die Erklärung war einmalig für sämtliche vor dem 1.1.2021 ausgeführten Leistungen abzugeben. Die jPdöR konnte damit im Übergangszeitraum die für sie im konkreten Fall günstigere Rechtslage zur Anwendung bestimmen. Durch das o. g. BMF-Schreiben v. 16.12.2016 wurde ferner die Möglichkeit der Rücknahme der Optionserklärung auch für einen zurückliegenden Zeitraum eröffnet.

Auch wenn der Optionszeitraum vergleichsweise lang bemessen war, konnten dennoch nicht alle Probleme und offenen Fragen der kommunalen Ebene geklärt werden. Bereits im Jahr 2019 gab es daher vermehrt Bestrebungen, den Übergangszeitraum zu verlängern. Diesem Wunsch wurde zunächst mit dem Corona-Steuerhilfegesetz entsprochen. Das Gesetz sah eine Verlängerung der Optionsfrist für alle Leistungen vor, die vor dem 1.1.2023 ausgeführt werden. Mit der Beschlussfassung zum Jahressteuergesetz 2022 am 2.12.2022 wurde die Optionsfrist nun nochmals bis zum 31.12.2024 verlängert (vgl. Drucksache 20/4729, Artikel 16, § 27 Abs. 22a UStG).

Auch mit der jüngsten Gesetzesänderung wurde die Optionsfrist kraft Gesetz verlängert, so lange die jPdÖR die Optionserklärung nicht widerruft. Damit müssen die Kommunen keine neue Optionserklärung abgeben, um die Verlängerung zu nutzen. Lediglich der Widerruf der Optionserklärung wäre schriftlich zu erklären und je nach örtlicher Befassungskompetenz durch einen Ratsbeschluss abzusichern.

Die nochmalige Verlängerung kommt – zumindest wird es von der kommunalen Praxis überwiegend so gesehen – viel zu spät. Die Kommunen haben sich umfassend auf die Einführung des § 2b UStG vorbereitet. Die Frage, ob diese Umstellung trotz der nochmaligen Verlängerung nunmehr vollzogen wird, wird von den Kommunen sehr unterschiedlich zu beantworten und maßgeblich durch politische Überlegungen geprägt sein. In vielen Leistungsbereichen führt die Umstellung zu einer Verteuerung der Leistung gegenüber dem Nutzer, ohne dass sich daraus ein adäquater Vorteil aus dem Vorsteuerabzug ergibt. Überwiegen die Nachteile für den Bürger, wird die Politik eine zeitliche Verschiebung der Umstellung einfordern, um die Bürger – gerade in der aktuellen Situation – nicht zusätzlich zu belasten. Das führt dann zwangsläufig dazu, dass der bereits begonnene Umstellungsprozess zum Erliegen kommt und vorbereitende Arbeiten in 2024 erneut aufgegriffen werden müssen. Dieser Mehraufwand wäre vermeidbar gewesen, wenn die Bestrebung einer nochmaligen Verlängerung eher bekannt gewesen wäre.

Interessanterweise hat der Bund die aktuelle Belastung der Kommunen mit verschiedenen Aufgaben als Grund für die nochmalige Verlängerung vorgetragen. Dabei hat die kommunale Ebene die nochmalige Verlängerung gar nicht eingefordert. Umso überraschender wurde die Entwicklung nun aufgenommen. Kommunen, die sich mit Ratsbeschlüssen, Satzungsänderungen etc. auf das neue Umsatzsteuerrecht vorbereitet haben, müssen die Beschlüsse zwangsläufig zurücknehmen, um Nachteile für die Einwohner und Abgabenpflichtigen zu vermeiden. So kurz vor Jahresende ein sportliches Unterfangen.

Eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs wird durch die erneute Verlängerung der Übergangsregelung weiterhin nicht gesehen (vgl. Formulierungshilfe zur Änderung von § 27 Abs. 22a UStG). Ob insgesamt überhaupt eine Wettbewerbsbeeinträchtigung nach einer dann fast 10-jährigen Einführungsphase noch festzustellen ist, muss zunehmend in Frage gestellt werden. Auffallend ist auch die Aussage in der Gesetzesbegründung, dass sich durch die nochmalige Verlängerung für die Verwaltung kein Erfüllungsaufwand ergibt. Das dürfte eine Vielzahl der Kommunen anders sehen. Nämlich die Kommunen, die trotz eines weiten Projektfortschrittes, im Interesse der Einwohner und Abgabenpflichtigen die Umstellung vorerst zurückstellen.

Praxis-Hinweis: Anwendung der Vorschriften ab 1.1.2025

Ab dem 1.1.2025 - nach heutigem Stand - gelten die neuen Vorschriften des UStG ausnahmslos für alle steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungen.

Wichtige Schritte zur Umsetzung der neuen Regelungen innerhalb der Verwaltung sind:

  • Umfassende Leistungsanalyse zur Ermittlung der steuerrelevanten Leistungen
  • Vorbereitung der Buchführung zur Erfassung der erbrachten und bezogenen Leistungen i. S. v. § 22 UStG
  • Anpassung der Entgeltordnungen und Satzung bezogen auf den 1.1.2025
  • Anpassung von Verträgen und Aufnahme einer Steuerklausel
  • Prozessanalyse zum Erkennen von steuerlichen Risiken bei verwaltungsinternen Abläufen
  • Sensibilisierung der Mitarbeiter auf allen Ebenen (Führungskräfte, Mitarbeiter in der Sachbearbeitung, Mitarbeiter im Finanzbereich)
  • Automatisierung von Prozessen (u. a. Rechnungsworkflow für Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Vertragsmanagement)


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Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Kommunen