a) Überblick

 

Tz. 2

Die Vorschrift ist eine Gliederungsvorschrift, die einzelne Posten der Passivgruppe des § 266 Abs. 3A HGB definiert.[1] Der Eigenkapitalbegriff des Bilanzrechts hat eigenständigen Charakter und stimmt weder mit der betriebswirtschaftlichen Sicht[2] noch der vielfach unzutreffend im Gesellschaftsrecht verwendeten Begrifflichkeit überein.[3] Wenn im Gesellschaftsrecht von "Eigenkapital" gesprochen wird, wird ein dort nicht existenter Begriff verwendet. Zumeist sind Stammkapital bei der GmbH oder Grundkapital bei der AG gemeint. Diese Posten sind aber nur Unterposten des bilanziellen Eigenkapitals.[4] Dieses ist der verbleibende Vermögenssaldo von eingelegten und erwirtschafteten Mitteln nach Abzug der Verbindlichkeiten, Rückstellungen, passiven latenten Steuern und passiven Rechnungsabgrenzungsposten.[5] Im Zuge des BilRUG wurde mit § 272 Abs. 5 HGB eine Ausschüttungssperre eingeführt für bestimmte Ansprüche gegen Rechtsträger, an denen eine Beteiligung besteht.

 

Tz. 3

Die Bedeutung der Vorschrift liegt in der materiellen Auswirkung auf gesellschaftsrechtliche Kapitalbindung.[6] Das gilt auch im Hinblick auf die einzelnen Gliederungspunkte in Abs. 2. Jegliche Problemdiskussion bei dieser Vorschrift muss die Kapitalerhaltung im GmbH-Recht bzw. Vermögensverwendung im Aktienrecht im Blick haben. § 272 Abs. 5 HGB ist wie § 268 Abs. 8 HGB eine Kapitalschutzregel, die eigentlich in das Gesellschaftsrecht gehört (vgl. Kapitel 10 Tz. 216).

[1] Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 5.
[2] Dazu Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 2 ff.; Mock, in: KK-RechnR, § 272 HGB Rn. 21 f.
[3] H. P. Müller, Differenzierte Anforderungen für die Leistung von Sacheinlagen in das Eigenkapital von Kapitalgesellschaften, in: Kübler/Mertens/Werner (Hrsg.), Festschrift für Theodor Heinsius zum 65. Geburtstag am 25. September 1991, Berlin 1991, 591 (603).
[4] K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., Köln u. a. 2002, 516.
[5] Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 3; Küting/Reuter, in: HdR, § 272 HGB Rn. 1.
[6] Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 8.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 4

Vor dem BiRiLiG enthielt das AktG verstreut einige Vorschriften.[7] Seit 1986 sind alle Eigenkapitalposten unter § 266 Abs. 3 A HGB zusammengefasst. Das MoMiG änderte die Vorschrift grundsätzlich durch den Übergang zum Nettoausweis. Nicht eingeforderte ausstehende Einlagen und Aktien sowie rechnerischer Wert eigener Aktien sind nun in der Vorspalte abzusetzen. Auswirkungen im Detail werden bei den einzelnen Problempunkten erörtert. Damit verbunden ist zudem die Neuregelung des Rechts der eigenen Anteile durch § 272 Abs. 1a, 1b HGB. Die Ausschüttungssperre des § 272 Abs. 5 HGB wurde im Zuge des BilRUG eingeführt. Eine vergleichbare Vorschrift hat bislang nicht existiert. § 272 Abs. 1 HGB wurde im Zuge der Aktienrechtsnovelle 2016 im Wortlaut geändert.[8]

[7] Eingehend Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 10.
[8] Siehe BT-Drucks. 18/6681, 13.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 5

Die Vorschrift ist grundsätzlich auf alle Kapitalgesellschaften anwendbar. Mit den in § 264c Abs. 2 HGB vorgegebenen Modifikationen kann sie auch auf Personengesellschaften angewendet werden; jedoch sind die Unterschiede zu groß, sodass § 272 HGB praktisch dort nicht angewendet wird.[9]

 

Tz. 6

Das AktG enthält ergänzende Vorschriften. Da wären zum Ausweis des Grundkapitals § 152 Abs. 1, § 160 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4 AktG. Da wären zum Umgang mit der Kapitalrücklage § 150 Abs. 3, Abs. 4, § 152 Abs. 2, § 208, § 230 Satz 2, § 231, § 232, § 233, § 237 Abs. 5, § 240 AktG. Da wären zur Bildung der Gewinnrücklage § 58 Abs. 13, § 150 Abs. 1, Abs. 2, § 300, § 324 AktG und zur Auflösung § 301 Satz 2, § 302 Abs. 1, § 324 AktG. § 218 Satz 2 AktG regelt die Sonderrücklage zum Ausweis eines Differenzbetrags zwischen dem Ausgabebetrag einer Wandelschuldverschreibung und dem höheren Gesamtnennbetrag der im Rahmen eines bedingten Kapitals zu gewährenden Bezugsaktien nach Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln.

 

Tz. 7

§ 286 AktG enthält Zusatzregelungen zu den Einzahlungsverpflichtungen eines persönlich unbeschränkt haftenden Gesellschafters einer KGaA bzw. zum nicht durch Vermögenseinlagen gedeckten Verlustausweis.

 

Tz. 8

§ 42 GmbHG enthält ergänzende Regelungen zum Kapitalausweis der GmbH. Insbesondere regelt § 42 Abs. 2 Satz 3 GmbH den Ausweis eingeforderter Nachschüsse. § 57d Abs. 1 GmbHG enthält eine Sondervorschrift für Kapitalerhöhungen; § 58a Abs. 2, § 58b, § 58d Abs. 1 GmbHG enthalten Sonderregelungen zu Kapitalherabsetzungen. § 5a Abs. 3 GmbHG regelt den gesonderten Ausweis einer gesetzlichen Rücklage bei der UG.

[9] Förschle/Hoffmann, in: BeckBilKo, § 272 HGB Rn. 1.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 9

Die Bedeutung von § 272 HGB kann kaum überschätzt werden. Auch wenn das Bilanzrecht zivilrechtliche Sachverhalte nur abbilden soll, sind mit dieser Vorschrift klassische Fragen des gesellschaftsrechtlichen Kapitalschutzes verbunden.[10] Gibt man dem Bilanzrecht die Aufgabe der Ermittlung und des Ausweises des Vermögensstandes der Gesellschaft und dem Gesellschaftsrecht die Aufgabe, für die einzelnen Ge...

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