Tz. 216
§ 268 Abs. 8 HGB ist wie § 269 HGB a. F. systematisch verfehlt im dritten Buch des HGB aufgeführt. Es handelt sich um eine Kapitalschutzvorschrift, die in das Kapitalschutzrecht des Gesellschaftsrechts gehört. Die Probleme im Hinblick auf die Rechtsfolgen können nur z. T. unter Rückgriff auf diesen Gedanken gelöst werden; z. T. muss der Gesetzgeber tätig werden. Das Verhältnis von § 268 Abs. 8 HGB zu § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB ist unklar. Z. T. wird unter die Berufung auf die systematische Stellung vertreten, dass § 268 Abs. 8 HGB auch auf Personengesellschaften gem. § 264a HGB anwendbar sei.[436] Die Gegenauffassung verweist auf Gesetzesmaterialien und Zuschnitt der Vorschrift allein auf Kapitalgesellschaften.[437] Der Streit ist irrelevant, weil über § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB und § 268 Abs. 8 HGB identische Ergebnisse erzielt werden. Erkennt man jedoch in § 268 Abs. 8 HGB anders als in § 172 Abs. 4 Satz 3 HGB allein eine im Innenverhältnis wirkende Vorschrift, dann ist ihre Anwendung auf Personengesellschaften gem. § 264a HGB ausgeschlossen, weil zwingende Entnahmesperren dort unbekannt sind.[438] Andererseits kann es gerade nicht die richtige Konsequenz sein, durch § 268 Abs. 8 HGB (innergesellschaftlich wirkende) Ausschüttungssperren zu Lasten persönlich unbeschränkt haftender Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne von § 264a HGB zu schaffen.[439]
Tz. 217
Bedingt durch diese systematische Unrichtigkeit der Vorschrift stellt sich die Frage der Verallgemeinerungsfähigkeit bzw. Analogiefähigkeit. So wird vertreten, dass sich die Analogiefähigkeit auf Sachverhalte beschränken sollte, in denen der Gesetzgeber bei Stärkung der Informationsfunktion den Gläubigerschutz nicht ausreichend berücksichtigt habe.[440] Keinesfalls dürfe aber die Verzahnung von Handelsbilanz und Kapitalschutz zur allgemeinen Auslegung des Handelsbilanzrechts aufgegeben werden, nur weil die Ausschüttungssperre noch als Korrekturmittel zur Verfügung stehen könnte.[441] Dieser Sichtweise ist in beiden Punkten uneingeschränkt zu folgen. Weil die Normierung einer pauschalen Ausschüttungssperre in vielen Konstellationen zu Unklarheiten führt, kann § 268 Abs. 8 HGB nicht verallgemeinert werden. Erst recht ist es richtig, am Realisationsprinzip und dem damit verbundenen Anschaffungskostenprinzip festzuhalten, weil sich kein Gesetzgeberkonzept erkennen lässt, in welchen Fällen eine Ausschüttungssperre einer Lockerung des Realisationsprinzips entgegensetzen lässt.
Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen