Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 71
Erlöse sind auch im IFRS-Abschluss grundsätzlich erst dann auszuweisen, wenn deren Höhe verlässlich bestimmt werden kann und wahrscheinlich ist, dass der aus der Transaktion folgende wirtschaftliche Nutzen dem Unternehmen zufließen wird (vgl. IAS 18.14(a) und (b); IAS 18.20(a) und (b). Das entspricht dem handelsrechtlichen Realisationsprinzip (vgl. CF.4.47) und setzt regelmäßig einen Markttest in Gestalt eines Umsatzaktes voraus. Daraus folgt wiederum für die Bewertung das Anschaffungskostenprinzip. Dort, wo die Standards wahlweise oder verpflichtend die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert vorschreiben (vgl. Tz. 53), wird auf den Markttest eines Umsatzaktes verzichtet. Dann kann es nach handelsrechtlichen Verständnis des Realisationsprinzips (vgl. Tz. 33) zu seiner Durchbrechung und zu einer Vorverlagerung des Gewinnausweises kommen, wenn ein Vermögenswert höher als zu den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten zu bewerten ist. Nach dem Begriffsverständnis der IFRS führt die höhere Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert aber weder notwendig zu einer Durchbrechung des Realisationsprinzips, noch zu einer Gewinnvorverlagerung, weil der Realisationszeitpunkt schon im Grundsatz anders definiert ist. Das gilt jedenfalls solange, als man die Differenz zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten und beizulegendem Zeitwert als verlässlich bestimmbar und den Wertgewinn als wahrscheinlich zufließenden zukünftigen Nutzen qualifiziert. Die einzelnen Standards qualifizieren eine Höherbewertung mit dem beizulegenden Zeitwert deshalb auch folgerichtig nur teilweise als Durchbrechung des Realisationsprinzips. Bei Sachanlagen, immateriellen Werten und Immobilien ist auf der Passivseite eine Neubewertungsrücklage zu bilden (vgl. Tz. 53, 240), wenn sie mit einem höheren Wert als den historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten ausgewiesen werden sollen. Dadurch werden die Realisation und der Gewinnausweis in der GuV aufgeschoben.
Das handelsrechtliche Imparitätsprinzip und seine Ausprägung im Niederstwertprinzip (vgl. Tz. 45) findet auch in den IFRS eine Ausprägung in den Bewertungsregeln für das Vorrats- und das Sachanlagevermögen sowie für die immateriellen Vermögenswerte. IAS 2.9 schreibt für die Bewertung von Vorräten vor, den niedrigeren Wert zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten und Nettoveräußerungswert anzusetzen. IAS 36.9 regeln die Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Wertminderungen für Vorräte, Vermögenswerte aus Fertigungsaufträgen, latente Steueransprüche, Vermögenswerte, die aus Leistungen an Arbeitnehmer resultieren, finanzielle Vermögenswerte und als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien (vgl. IAS 36.2), für die Sachanlagen enthält IAS 16.63 einen entsprechenden Verweis auf IAS 36.
Das in den IFRS umgesetzte matching principle der Periodenabgrenzung gebietet die Aktivierung aller mit der Anschaffung und Herstellung des Vorratsvermögens verbundenen Aufwendungen. Daraus folgt für die Bewertung von Vorräten, dass alle Anschaffungs- und Herstellungskosten einzubeziehen sind. Die IFRS sind hier konsequenter als die handelsrechtlichen GoB. Einzubeziehen sind, ohne Wahlrecht, nicht nur die herstellungsbezogenen Sozial- und Verwaltungskosten, sondern auch die herstellungsbezogenen Finanzierungskosten.
Nichtrückzahlbare öffentliche Investitionszuschüsse können nach IAS 20.12 entweder von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des bezuschussten Vermögenswerts abgesetzt oder durch einen Passivposten berücksichtigt werden. Das ist eine Durchbrechung des matching principle (vgl. Kapitel 5 Tz. 659).