Rn. 36

Stand: EL 40 – ET: 09/2023

Wenn das wirtschaftliche Eigentum dem Treugeber zugerechnet werden muss, weil er neben der Verfügungsmacht auch das Recht auf Aussonderung und Widerspruchsklage hat, so muss die Bilanzierung bei ihm erfolgen. Diese Zurechnungsregel gilt in verstärktem Maß, wenn der Treugeber auch rechtlicher Eigentümer bleibt. Treuhandverhältnisse sind in der Bilanz des Treugebers also in folgenden Fällen zu berücksichtigen:

(1) bei Ermächtigungstreuhandverhältnissen (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 246 HGB, Rn. 22);
(2)

bei Vollrechtstreuhandverhältnissen, sofern

  • ein Sicherungstreuhandverhältnis vorliegt oder
  • es sich um ein Verwaltungstreuhandverhältnis handelt, bei dem das Recht auf Aussonderung und die Widerspruchsklage nicht ausgeschlossen sind.

In der Bilanz des Treugebers bewirkt in letzteren Fällen die Übertragung des Treuhandvermögens keine Änderungen. Insbesondere tritt keine Gewinnrealisation ein, die erst bei einer Veräußerung hervorgerufen wird. Im Übrigen sind Aufwendungen und Erträge aus i. R.d. Treuhandverhältnisses entstehenden Geschäftsvorfällen in der GuV des Treugebers zu erfassen (vgl. ADS (1998), § 246, Rn. 284, 298).

Insoweit deckt sich die handelsrechtliche Auslegung mit der steuerlichen Bestimmung aus § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Diese Vorschrift ordnet das Treugut für die Vermögens- und Ertragsbesteuerung stets und eindeutig dem Treugeber zu. Allerdings ergibt sich ein Widerspruch zu der handelsrechtlichen Bilanzierung von Vollrechtstreugut, bei dem ein Ausschluss des Rechts zur Aussonderung und zur Widerspruchsklage erfolgt ist. In der Literatur wird dazu die Ansicht vertreten, dass sich das wirtschaftliche Eigentum des Steuerrechts nicht notwendigerweise mit dem des Handelsrechts deckt. Damit wird aber die Frage aufgeworfen, ob das Maßgeblichkeitsprinzip des § 5 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) EStG der Bestimmung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO vorangeht. Nach h. M. wird in diesem Fall § 5 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) EStG als lex specialis der Vorrang gegeben (vgl. Knobbe-Keuk (1993), S. 75ff., m. w. N.), so dass eine HB des Treuhänders, in der das Treugut bilanziert wird, nicht für steuerliche Zwecke berichtigt werden muss. Zum gleichen Ergebnis gelangt man mit Hilfe der Überlegung, dass die subjektive Zurechnung zum wirtschaftlichen Eigentümer einen GoB verkörpert (vgl. Richter, in: LdBWL (2008), S. 281 (283)), für den § 5 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) EStG einschlägig ist. Ferner ändert § 246 Abs. 1 Satz 2f. i. d. F. des sog. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) nichts am vormals bereits maßgeblichen Rechtsverständnis (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 47; IDW ERS HFA 13 (2006), Rn. 51). Der Vorbehalt des § 5 Abs. 6 EStG kommt nicht zum Tragen, da § 39 AO keine Gewinnermittlungsvorschrift ist. Der Treugeber muss im Fall der Bilanzierung des Treuguts beim Treuhänder seinen schuldrechtlichen Anspruch auf Herausgabe aktivieren (vgl. ADS (1998), § 246, Rn. 287ff.).

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