Rn. 429

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Auf der ersten Stufe der Bewertungshierarchie ist zunächst festzustellen, inwiefern für das zum beizulegenden Zeitwert zu bewertende Objekt ein aktiver Markt vorliegt. Ist ein öffentlich notierter Marktpreis i. d. S. vorhanden, stellt er den bestmöglichen objektiven Hinweis für den beizulegenden Zeitwert dar. Der Marktpreis kann ausweislich der maßgeblichen RegB nur bei kumulativer Erfüllung folgender Bedingungen als an einem aktiven Markt ermittelt eingestuft werden (vgl. BR-Drs. 344/08, S. 132f.):

(1) Der Marktpreis ist an einer Börse, von einem Händler, einem Broker, einer Branchengruppe, einem Preisberechnungsservice (z. B. Reuters oder Bloomberg) oder einer Aufsichtsbehörde
(2) leicht und regelmäßig erhältlich und
(3) beruht auf aktuellen und regelmäßig auftretenden Markttransaktionen
(4) zwischen unabhängigen Dritten.

Sofern nur eine der Bedingungen nicht gegeben ist, liegt kein notierter Preis auf einem aktiven Markt vor. In Betracht kommt dann lediglich eine Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts anhand von Bewertungsmethoden i. S. d. § 255 Abs. 4 Satz 2 (vgl. BilMoG-HB (2009), Kap. X, S. 197 (238)).

 

Rn. 430

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Vorstehende Bedingungen wurden offenbar wortgleich IAS 39.AG71 entnommen. Es stellt sich daher – auch und insbesondere vor dem Hintergrund, dass IAS 39 derweil durch IFRS 9 abgelöst wurde – unmittelbar die Frage, inwiefern diesbezüglich bei Auslegungs- und Anwendungsproblemen auf die weitergehenden (zwischenzeitlich ggf. nicht mehr einschlägigen) Verlautbarungen des IASB zum Fair Value sowie die entsprechende Kommentarliteratur zurückgegriffen werden kann, zumal IFRS 9 keine vergleichbaren Anforderungen mehr an einen aktiven Markt beinhaltet. Aus praktischen Erwägungen erscheint dies gleichwohl zulässig, soweit keine expliziten Abweichungen gegeben sind (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 434) bzw. es damit nicht zu einem nicht mit den GoB zu vereinbarenden Ergebnis kommt. Eine unreflektierte Übernahme von IFRS-Regelungen oder Interpretationen kommt indes nicht in Betracht (vgl. betont und zu Recht kritisch hinsichtlich der IFRS als Auslegungshilfe für handelsrechtliche GoB Moxter, WPg 2009, S. 7ff.; Hennrichs, S:R 2009, S. 127 (128); Staub: HGB (2021), § 255, Rn. 48; dagegen für einen Rekurs auf die Erfahrungen der IFRS plädierend Theile, DStR 2009, Beilage Nr. 2 zu Heft 18, S. 21 (34)). Bei einem Rückgriff auf Regelungen bzw. Interpretationen des "alten" IAS 39 ist indes zu berücksichtigen, dass sich diese – kontrastierend zu IFRS 13 – ausschließlich auf die Bewertung von Finanzinstrumenten beziehen. Soweit es sich bei betreffendem Bewertungsobjekt allerdings um einen zum beizulegenden Zeitwert zu bewertenden nicht finanziellen Posten handelt, sind die Auslegungshinweise daher in sachgerechter Weise – ggf. in Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorgaben des IFRS 13 – zu modifizieren. Indes bleibt festzuhalten, dass die Bedingungen für einen aktiven Markt bei nichtfinanziellen Bewertungsobjekten wohl nur in Ausnahmefällen (z. B. auf aktiven Märkten gehandelte Commodities) erfüllt sein dürften.

 

Rn. 431

Stand: EL 41 – ET: 12/2023

Die Abgrenzung eines aktiven von einem nicht aktiven Markt (vgl. zu den folgenden auf Finanzinstrumente bezogenen Ausführungen Goldschmidt/Weigel, WPg 2009, S. 192 (194ff.)) eröffnet dem Bilanzierenden in vielen Fällen einen Ermessensspielraum (vgl. IASB Expert Advisory Panel (2008), Rn. 17f.). Da der öffentlich notierte Marktpreis den bestmöglichen objektiven Hinweis für den beizulegenden Zeitwert darstellt, sind an den Nachweis eines nicht mehr aktiven Markts strenge Anforderungen einschließlich entsprechender Dokumentationsanforderungen zu stellen (vgl. BaFin (2023), AT; überdies IDW, FN-IDW 2008, S. 1 (2f.)). Die Abgrenzung ist generell produkt- und marktabhängig vorzunehmen (z. B. Handel an verschiedenen Börsen(-segmenten); vgl. IDW RS HFA (2016), Rn. 68f.; bezüglich der Differenzierung zwischen "corporate retail market" und "dealer’s wholesale market" vgl. IAS 39.BC98 bzw. IFRS 9.BCZ5.4), wobei zu beachten ist, dass insbesondere im Bereich der Finanzinstrumente sowohl Produkte als auch Märkte einem ständigen Wandel unterliegen. Die Beurteilung, inwiefern ein aktiver Markt vorliegt, hat dabei unter Berücksichtigung der Gesamtlaufzeit des betrachteten Finanzinstruments zu erfolgen (vgl. IDW RS HFA 9 (2016), Rn. 68). Von einem aktiven Markt ist grds. bei einer Preisnotierung auf einem organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 11 WpHG auszugehen (vgl. IDW RS HFA 9 (2016), Rn. 76ff.). Auch bei Händlermärkten (z. B. für OTC-Geschäfte) oder Brokermärkten (z. B. Electronic Communcations Networks) liegt oftmals ein aktiver Markt vor. Zu differenzieren ist indes zwischen von Market Makern gestellten verbindlichen An- und Verkaufspreisen, welche einen aktiven Markt respräsentieren, und rein indikativen Kursen, die weder verbindlich sind noch auf Markttransaktionen beruhen und somit keinen aktiven Markt verkörpern (vgl. IDW, FN-IDW...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge