Wertaufhellungszeitraum bei Bilanzaufstellung

Steuerlich darf der Teilwert bei Wirtschaftsgütern des abnutzbaren und nicht abnutzbaren Anlagevermögens sowie des Umlaufvermögens nur angesetzt werden, wenn er „auf Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung“ niedriger ist als die ggf. fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 EStG).

Die Nachweispflicht für den niedrigeren Teilwert liegt beim Steuerpflichtigen. Die „voraussichtlich dauernde Wertminderung“ erfordert eine Prognose am Bilanzstichtag. Maßgebend ist die Voraussehbarkeit einer dauernden Entwertung nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag, wie sie sich dem Steuerpflichtigen bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung darstellen.

Für die Frage, ob am Bilanzstichtag eine dauernde Wertminderung vorgelegen hat, dürfen wertbeeinflussende Tatsachen im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Tag der Bilanzaufstellung keine Berücksichtigung finden, wirken also nicht auf das abgeschlossene Wirtschaftsjahr zurück. Dagegen müssen Erkenntnisse, die sich über die am Bilanzstichtag bestehenden Umstände bis zur Aufstellung der Bilanz ergeben, berücksichtigt werden (wertaufhellende Tatsachen). Wertaufhellende Tatbestände im Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Bilanzaufstellung sind rückwirkend zu berücksichtigen, weil die Wertminderung in diesen Fällen bereits im abgelaufenen Wirtschaftsjahr verursacht ist.

Wird eine Bilanz verspätet aufgestellt, ist für die Frage, welche bis zum Bilanzaufstellungstag erlangten Erkenntnisse als wertaufhellende Tatsachen berücksichtigt werden können, nicht auf den Tag der verspäteten Bilanzaufstellung, sondern auf den letzten Tag der Bilanzaufstellungsfrist – also auf eine fiktive fristgerechte Bilanzierung – abzustellen. Die Berücksichtigung von wertaufhellenden Umständen bis zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung knüpft an eine fristgerechte Bilanzierung an. Seitens der Finanzverwaltung wird bestimmt, dass zusätzliche „Erkenntnisse bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Handelsbilanz“ zu berücksichtigen seien (BMF, Schreiben v. 25.2.2000, BStBl 2000 I S. 372, Tz. 4). Wenn keine Handelsbilanz aufzustellen ist, sei der Zeitpunkt der Aufstellung der Steuerbilanz maßgebend.

Praxis-Hinweis: Gesetzliche Bilanzaufstellungsfrist ist maßgebend

In einer neuen Entscheidung vertritt der BFH die Auffassung, dass der Wertaufhellungszeitraum durch die gesetzliche Frist für die Aufstellung des Jahresabschlusses begrenzt wird (BFH, Beschluss v. 12.12.2012, I B 27/12). Der Wertaufhellungszeitraum endet an dem Tag, an dem der Bilanzierende spätestens eine Bilanz hätte erstellen müssen. Das ist z. B. bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften der 31.3. des jeweiligen Folgejahrs (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB). § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB verlängert die Aufstellungsfrist für kleine Kapitalgesellschaften i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB auf sechs Monate, aber nur unter der Voraussetzung, dass dies einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entspricht.

Für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften sieht das Gesetz prinzipiell keine bestimmte Frist zur Aufstellung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse vor. § 243 Abs. 3 HGB ordnet lediglich an, dass der Jahresabschluss innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit aufzustellen ist. Für diese Fälle geht der BFH davon aus, dass die Bilanz spätestens innerhalb eines Jahres nach dem Bilanzstichtag zu erstellen ist (BFH, Urteil v. 8.3.1989, X R 9/86, BStBl 1989 II S. 714 und v. 3.7.1991, X R 163-164/87, BStBl 1991 II S. 802). Der Aufhellungszeitraum endet daher bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr am 31.12. des Folgejahres, wenn die Bilanz später aufgestellt wird. Aufhellende Umstände, die sich erst ein Jahr nach dem Bilanzstichtag ergeben, sind auch bei späterer Bilanzaufstellung nicht zu berücksichtigen. Wird die Bilanz zu einem früheren Zeitpunkt aufgestellt, verkürzt sich die betreffende Zeitspanne entsprechend.

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