Bald ist es wieder so weit: Die Inventur steht an. Die hartnäckige Vorstellung, der gesamte Lagerbestand müsse einmal im Jahr als Vollaufnahme erfasst werden, hält sich dabei wacker. Und doch wissen die meisten Finanzverantwortlichen: Selbst eine akribisch durchgeführte Stichtagsvollinventur bildet selten den tatsächlichen Bestand ab, weder mengen- noch wertmäßig. Bewegungen rund um den Stichtag, Nachbuchungen und menschliche Zählfehler sorgen dafür, dass Realität und Buchbestand auseinanderdriften und sich damit direkt auf Bilanzgenauigkeit und Jahresabschluss auswirken.
Und billig ist die Vollaufnahme auch nicht. Je nach Lagerstruktur, Artikelarten sowie Aufwand für Vor- und Nachbereitung summieren sich die Kosten schnell auf einen beträchtlichen Betrag, der Jahr für Jahr im Budget verschwindet. Und das nur für die Bestandsaufnahme. Dazu kommt der operative Ausnahmezustand, der in keiner Bilanzzeile auftaucht, aber jedes Jahr etliche Ressourcen frisst:
- Nacht- und Wochenendschichten,
- zahlreiche Hilfskräfte,
- Produktions- oder Verkaufsflächen, die tagelang stillstehen,
- endlose Abstimmungen zwischen Lager, IT und Buchhaltung.
Und wenn am Ende die Buchungsläufe nicht mit der Zählung im Takt sind, heißt es: alles nochmal von vorne. Für die Finanzabteilung ist das jedes Jahr ein kostspieliger Ausnahmezustand – einer, der mit anderer Methodik längst effizienter lösbar wäre.
Inventur smart gedacht
Eine Alternative gibt es durchaus: Die Stichprobeninventur. Sie wird in vielen Unternehmen noch immer unterschätzt. Häufig weil man sich auf Führungsebene mit dem jährlichen Inventurmarathon arrangiert hat. Man nimmt den Aufwand hin, statt die Prozesse zu hinterfragen. Vielleicht liegt es aber auch an der falschen Annahme, der Gesetzgeber erlaube keine anderen Verfahren. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Das Verfahren ist vollständig konform mit
- den Vorgaben des Handelsgesetzbuchs (HGB),
- den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Buchführung und Datenzugriff (GoBD) sowie
- den Prüfungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW). Zudem wird es von Finanzbehörden und Wirtschaftsprüfern vollumfänglich anerkannt.
Und auch die Umsetzung der Stichprobeninventur ist kein Hexenwerk. Der Inventurverantwortliche muss lediglich in einer Software für Inventur die relevanten Bestandsdaten zur Verfügung stellen. Dazu zählen in erster Linie die Materialnummer, die aktuelle Lagermenge und in der Regel auch der Stückpreis. Für eine eindeutige Zuordnung im Lager können ergänzend weitere Angaben hilfreich sein, zum Beispiel Lagerkoordinaten oder -nummern sowie Identifikationsmerkmale wie Gebinde- oder Chargennummern. Auf Basis dieser Daten ermittelt ein Algorithmus, wie viele Positionen tatsächlich noch physisch gezählt werden müssen, um ein verlässliches Gesamtergebnis hochzurechnen. Damit lässt sich die Inventurzeit nicht selten um bis zu 90 % verkürzen, die Zählmenge je nach Lager sogar um bis zu 95 %.
Lagerbestand nach 80:20-Regel
Das Verfahren folgt dem Pareto-Prinzip, das Finanzverantwortliche aus dem Kosten- und Risikomanagement kennen. In den meisten Lagern konzentriert sich der größte Teil des Warenwerts auf einen vergleichsweise kleinen Teil der Positionen. Werden genau diese wertintensiven Artikel vollständig gezählt, entsteht eine verlässliche und stabile Grundlage für die Ermittlung der übrigen, weniger werthaltigen Bestände. Die verbleibenden Positionen teilt das System automatisch in sogenannte Wertschichten ein. Aus diesen Schichten zieht eine Software die Stichproben, die anschließend gezählt werden. Mithilfe der sogenannten Differenzenschätzung berechnet die Lösung dann die hochgerechnete buchmäßige Abweichung und den maximal zulässigen relativen Fehler. Das Verfahren zur Stichprobenberechnung kann für die Stichtagsinventur oder auch für eine permanente Inventur angewendet werden.
Trotzdem ist die Stichprobeninventur an einige Bedingungen geknüpft: Vor der Einführung einer Stichprobeninventur empfiehlt sich ein kurzer System- und Prozesscheck, um sicherzustellen, dass die Grundlagen stimmen. Alle Bestände sind tagesaktuell im System gebucht.
• Seriennummern, Chargen und Lagerplätze sind eindeutig dokumentiert.
• Warenein- und -ausgänge werden zeitnah und korrekt verbucht.
• Inventurdifferenzen aus Vorjahren sind im Toleranzbereich und plausibel erklärbar.
• Stammdatenpflege ist vollständig und konsistent.
• Zuständigkeiten für Zählung, Prüfung und Freigabe sind klar definiert.
Schnelle Integration in bestehende Systeme
Smarte Inventurlösungen erleichtern den Einstieg in die Stichprobeninventur und machen sie in der Praxis schnell nutzbar. Über standardisierte Schnittstellen und gängige Dateiformate lassen sie sich nahtlos an bestehende Lager- oder ERP-Systeme anbinden und können ohne spezielle Hardware oder tiefe Eingriffe in bestehende Systeme genutzt werden. Mit der richtigen Software kann die Einführung bereits innerhalb von rund 14 Tagen vom Auftrag bis zur ersten Zählung abgeschlossen sein. Damit lässt sich eine Umsetzung auch kurzfristig realisieren, ohne langwierige Projektphasen oder umfangreiche technische Anpassungen. Gleichzeitig erfüllen moderne Lösungen gängige Anforderungen an Daten- und Prüfungssicherheit, etwa durch Zertifizierungen nach IDW PS 880, ISO 27001 oder TISAX®.
Fazit zur Stichprobeninventur
Am Ende ist die Stichprobeninventur vor allem eine Frage der Effizienz. Anstatt zehntausende Positionen flächendeckend zu zählen, werden die relevanten Bestände gezielt in einer entsprechenden Software erfasst, um mit statistisch abgesicherter Präzision den Gesamtbestand zu bestimmen. Für Finanzverantwortliche zahlt sich das mehrfach aus: weniger gebundenes Kapital in nicht produktiven Prozessen, spürbar niedrigere Inventurkosten und keine flächendeckenden Sperrzeiten. Dazu kommen weniger Korrekturbuchungen sowie eine klar dokumentierte Prüfstrecke mit nachvollziehbaren Fehlerschranken. Das sorgt für Vertrauen bei Prüfern und schafft mehr Sicherheit in der Planung. So wird aus einem oft ungeliebten Pflichttermin ein steuerbarer, transparenter Prozess, der Liquidität schont, Planungssicherheit erhöht und den Jahresabschluss spürbar erleichtert.