Leitsatz

1. Die Steuerfreiheit für die Tätigkeit als Versicherungsvertreter nach § 4 Nr. 11 UStG 1999 setzt voraus, dass die Leistungen des Unternehmers die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlung erfüllen, nämlich die am Abschluss der Versicherung interessierten Personen zusammenzuführen.

2. Dies ist der Fall, wenn ein Unternehmer einem Versicherungsmakler am Abschluss eines Versicherungsvertrags potenziell interessierte Personen nachweist und hierfür eine sog. "Zuführungsprovision" erhält.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 11 UStG 1999, Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin hatte im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit häufig Kontakt zu Kunden, die am Abschluss eines vom Versicherungsmakler T vertriebenen Versicherungsmodells interessiert waren. Sie erhielt bei Benennung eines Interessenten und Abschluss eines Versicherungsvertrags eine "Zuführungsprovision" von 80 % der Provision des T.

Diese Umsätze hielten FA und FG (FG Hamburg, Urteil vom 13.12.2007, 5 K 132/05, Haufe-Index 1950291, EFG 2008, 1415) nicht für steuerfrei, weil die Klägerin über die von ihr vorgenommene Akquisition von Kunden hinaus weder Vertragsabschlüsse vorbereitet noch bei der Erfüllung oder Verwaltung von Versicherungsverträgen mitgewirkt habe.

 

Entscheidung

Die Revision hatte Erfolg, weil die Tätigkeit der Klägerin die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlung erfüllen: Sie hat dem T Kunden nachgewiesen und hierfür vereinbarungsgemäß einen Teil der T bei Abschluss des Versicherungsvertrags zustehenden Abschlussprämie als "Zuführungsprovision" erhalten.

Die Tätigkeit ist nicht nur ein Teil der mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen verbundenen Sacharbeit, sondern betrifft den Kern der steuerbefreiten Tätigkeit, die am Abschluss einer Versicherung interessierten Personen ausfindig zu machen und mit dem Versicherer zusammenzubringen. Dass die Klägerin nicht auch bei der Vorbereitung des Abschlusses der Versicherungsverträge und "gegebenenfalls" bei der Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen mitgewirkt hat, war deshalb unerheblich.

 

Hinweis

Für die Anforderungen an den Inhalt der steuerbefreiten Tätigkeit eines Versicherungsvertreters gelten folgende inzwischen geklärte Rechtsgrundsätze:

1. Für die steuerfreie Versicherungsvermittlungstätigkeit ist wesentlich, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Die Vermittlung kann in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder in einer Verhandlungstätigkeit bestehen, wobei sich die Tätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden soll, beziehen muss. Für die erforderliche Verbindung zwischen dem Versicherungsvermittler und den Vertragsparteien genügt, dass der Versicherungsvertreter zu dem Versicherungsunternehmen eine mittelbare Verbindung über einen anderen Steuerpflichtigen unterhält, der selbst in unmittelbarer Verbindung zu einer dieser Parteien steht.

2. Nicht steuerfrei sind hingegen Leistungen, die keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu dienen, als Subunternehmer den Versicherer bei den ihm selbst obliegenden Aufgaben zu unterstützen, ohne Vertragsbeziehungen zu den Versicherten zu unterhalten, wie z.B. bei der Festsetzung und Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter (sog. "Backoffice"-Tätigkeiten) oder die Tätigkeit eines Schadensabwicklers, der sich mit Schadensmeldungen, Kundenanfragen, der Regulierung von Schäden und Begutachtung vor Ort befasst, die Tätigkeit eines Werbeagenten, der Kundendaten zur Vorbereitung eines Versicherungsabschlusses erhebt oder eines "Overhead-Handelsvertreters", der Betreuungs-, Schulungs- und Überwachungsleistungen erbringt.

3. Die Steuerbefreiung schließt nicht aus, dass sich die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters in verschiedene Dienstleistungen aufteilen lässt; Steuerfreiheit der betreffenden Leistungen setzt aber voraus, dass (auch) diese die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlungstätigkeit aufweist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.05.2009 – V R 7/08

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