Leitsatz

Die Organisation der Fristen- und Ausgangskontrolle im Büro eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts muss so aufgebaut sein, dass menschliches Versagen möglichst ausgeschlossen ist und bei normalem Verlauf der Dinge ein unterlaufener Fehler aufgefangen werden kann.

 

Sachverhalt

Eine Kommanditgesellschaft wurde mit Bescheiden über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und der verrechenbaren Verluste zunächst jeweils erklärungsgemäß veranlagt. Aufgrund einer späteren Außenprüfung erkannte das Finanzamt bestimmte Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben an und erließ geänderte Gewinnfeststellungsbescheide, wogegen die KG Einspruch einlegte. Den Einspruch wies das Finanzamt als unbegründet zurück, woraufhin die KG nach zwei Monaten Klage erhob und gleichzeitig hinsichtlich der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrte. Zur Begründung trug die KG vor, dass sie wegen des Fristversäumnisses kein persönliches Verschulden treffe. Im Büro des Steuerberaters sei im hier relevanten Zeitraum der erfahrene und fachlich vorgebildete Diplom-Volkswirt B. allein für die Fristenkontrolle zuständig gewesen. Bisher habe es keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben. Am Tag des Fristablaufs habe es B. aufgrund einer Magenverstimmung und seines bevorstehenden Steuerberaterexamens übersehen, die ablaufende Frist zu überwachen.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht lehnte die Wiedereinsetzung ab, da die KG die einmonatige Klagefrist (§ 47 Abs. 1 FGO) nicht ohne Verschulden versäumt habe. Nach § 56 Abs. 1 FGO ist jemandem auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Ein Entschuldigungsgrund ergebe sich nicht bereits aus der gesundheitlichen Beeinträchtigung von B. Denn Krankheit sei nur dann ein Grund zur Wiedereinsetzung, erklärten die Richter, wenn sie so plötzlich und heftig eintrete, dass es dem Steuerpflichtigen nicht mehr möglich ist, einen Dritten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen (vgl. BFH, Beschluss v. 26.7.2001, VII B 349/00). Sofern B. die Aufgaben nicht mehr hätte wahrnehmen können, was nicht vorgetragen wurde, hätten sie von einem anderen Mitarbeiter der Kanzlei oder durch den Steuerberater und Rechtsanwalt selbst erfüllt werden müssen. Die Wahrnehmung der Interessen der KG wäre in jedem Fall weiterhin durch die Kanzlei möglich gewesen. Die Organisation eines Büros müsse im Übrigen so aufgebaut sein, dass menschliches Versagen möglichst ausgeschlossen ist und bei einem normalen Verlauf der Dinge ein unterlaufener Fehler aufgefangen wird. Im vorliegenden Fall, wo der Abruf einer ablaufenden Frist aus dem der Fristenkontrolle dienenden Computersystem durch Ausdruck des "roten Fristenkontrollblatts" unterblieb, liege eine erkennbare Fehlerquelle vor, die durch eine entsprechende Büroorganisation auszuschließen gewesen wäre. Fehlt eine solche Kontrolle generell, liegt eine ordnungsgemäße, Fristversäumnisse ausschließende Büroorganisation nicht vor.

 

Hinweis

Zur Fristenkontrolle nahm schon der BGH im Beschluss v. 17.3.2004 (IV ZB 41/03) Stellung: Auch wenn der Prozessbevollmächtigte die von seiner Angestellten in den Fristenkalender eingetragene Frist überprüft hat, befreie ihn dies nicht davon, im Rahmen seiner Vorbereitung einer Prozesshandlung die Einhaltung der für diese vorgeschriebenen Frist nachzuprüfen. In dem Fall hatte die Büroangestellte die ursprünglich im Fristenkalender eingetragene Frist versehentlich fälschlich nachträglich geändert. Den Antrag auf Wiedereinsetzung wies das Gericht ab, da die Versäumung der Prozesshandlung auf einem der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren eigenen Verschulden beruhe. Der Prozessbevollmächtigte habe dafür zu sorgen, dass die Büroangestellte nicht eigenmächtig die im Fristenkalender notierten Daten ändere. Zudem hätte er nach Vorlage der Akte den Ablauf der Frist selbst nachrechnen müssen.

 

Link zur Entscheidung

FG Hamburg, Urteil vom 13.01.2012, 2 K 128/11

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