Leitsatz

Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sind vor Berücksichtigung der Freigrenze nach § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG mit Verlustvor- und Verlustrückträgen zu verrechnen.

 

Sachverhalt

Nachdem die Kläger, ein zusammenveranlagtes Ehepaar, in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 jeweils Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften erklärt hatten, die vom Finanzamt im Einkommensteuerbescheid für diesen Zeitraum erklärungsgemäß berücksichtigt wurden, erklärten Sie für den Veranlagungszeitraum 2000 jeweils Verluste aus dieser Einkunftsart und beantragten, diese insoweit in den Vorjahreszeitraum zurückzutragen, dass sie beide jeweils nunmehr Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäfte in Höhe von weniger als 1.000 DM erzielten. Das Finanzamt erließ daraufhin geänderte Bescheide für das Jahr 1999, berücksichtigte aber nicht die Freigrenze von jeweils 1.000 DM. Der gegen den geänderten Bescheid eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage statt.

Es ist der Auffassung, dass auch in den Fällen des Verlustvor- oder Verlustücktrags nach § 23 Abs. 3 EStG die Freigrenze Anwendung findet. Das Finanzgericht begründet dies damit, es widerspräche dem Gedanken des § 10 d EStG, der aus Gründen der Steuergerechtigkeit eine Durchbrechung der Abschnittsbesteuerung gerade ermögliche, in den Fällen des Verlustvor- oder Verlustrücktrags keine weitere Prüfung vorzunehmen, ob der verbleibende Betrag wegen Unterschreitens der Freigrenze nunmehr steuerfrei sei. Die in der gesetzlichen Regelung zur Freigrenze zum Ausdruck gebrachten Abweichung von der Abschnittsbesteuerung führe im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur zu einem zutreffendem Ergebnis, wenn man die Minderung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aufgrund eines Verlustrücktrags oder Verlustvortrags als das Ergebnis einer neuerlichen Einkunftsermittlung verstehe. Dann aber sei die Voraussetzung der Freigrenze erneut zu prüfen.

 

Hinweis

Das Urteil bestätigt die Auffassung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 12.11.2002, 2 K 1545/02, EFG 2003 S. 463), welches bereits im Jahr 2002 entsprechend entschieden hatte. Gegen dieses Urteil hat das zuständige Finanzamt Revision eingelegt, die beim BFH noch anhängig ist (Az. IX R 13/03). Möglicherweise wird sich die Finanzverwaltung zur Berücksichtigung der Freigrenze bei privaten Veräußerungsgeschäften in ihrem lang erwarteten BMF-Schreiben zu Zweifelsfragen bei privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG äußern. Den gegen die Auffassung der Finanzgerichte spricht, dass der Wortlaut des Gesetzes hinsichtlich der Freigrenze sich eindeutig auf den "Gesamtgewinn im Kalenderjahr" bezieht, mit der Folge, dass Verlustrücktrag und -vortrag nicht zu berücksichtigen seien.

Unabhängig von der noch nicht höchstrichterlich geklärten Rechtsfrage sollten Steuerpflichtige, sofern das Finanzamt bei einem Verlustvor- oder Verlustrücktrag die Freigrenze nicht berücksichtigt, unter Bezugnahme auf das anhängige Verfahren Einspruch einlegen.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 14.05.2004, 8 K 1811/02

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