Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit der Freigrenze bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Falle des Verlustrücktrags

 

Leitsatz (redaktionell)

Führt ein Verlustrücktrag nach § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG zum Unterschreiten der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG, dann ist der verbleibende Gewinn steuerfrei zu belassen.

 

Normenkette

EStG §§ 2, 10d, 23 Abs. 3 Sätze 6, 9

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.01.2005; Aktenzeichen IX R 13/03)

BFH (Urteil vom 11.01.2005; Aktenzeichen IX R 13/03)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG auch auf Spekulationsgewinne anzuwenden ist, die durch Verlustrücktrag auf unter 1.000 DM reduziert werden.

Die Kläger wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Bankkaufmann. Die Kläger erklärten für das Jahr 2000 Spekulationsverluste aus Aktienan- und -verkäufen in Höhe von je 21.955 DM. Antragsgemäß wurde ein Verlustrücktrag nach 1999 in Höhe von je 10.336 DM durchgeführt. In dem nach § 10d EStG geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr wurden nach Durchführung des Verlustrücktrags Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von je 999 DM der Besteuerung unterworfen. Mit ihrem dagegen gerichteten Einspruch begehrten die Kläger die Steuerfreistellung ihrer Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften, da nach Verlustrücktrag die Freigrenze von 1.000 DM jeweils unterschritten sei. Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 7. März 2002 als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, nach dem Gesetzeswortlaut blieben Gewinne unterhalb der Freigrenze steuerfrei. Insofern komme es zunächst darauf an, den Gewinn aus Spekulationsgeschäften zu ermitteln; erst dann sei (ggf. erneut) über die Anwendung der Freigrenze zu entscheiden. Der Gewinn stehe endgültig erst nach einem Verlustrücktrag fest; somit sei erst danach über die Freigrenze zu entscheiden. Diese Auffassung entspreche der einhelligen Meinung in der Literatur (vgl. Klagebegründung vom 9. Mai 2002 mit weiteren Nachweisen).

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 11. Juli 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7. März 2002 dahin gehend zu ändern, dass die Einkünfte der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von je 999 DM steuerfrei belassen werden,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er hält an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest und verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Nach § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG bleiben Gewinne im Veranlagungszeitraum 1999 steuerfrei, wenn der aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielte Gewinn weniger als 1.000 DM betragen hat. Die Gewinne der Kläger im Sinne dieser Vorschrift betrugen jeweils 999 DM und lagen damit unter der Freigrenze.

Der Begriff des "Gewinns" im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 6 EStG ist unter Einbeziehung eines etwaigen Verlustrücktrages zu bestimmen. Dies folgt aus der Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG, wonach Verluste des Folgejahres nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte mindern.

Zwar hat ein Verlustrücktrag nach § 10d EStG nach der Systematik des § 2 EStG grundsätzlich keinen Einfluss auf die Höhe der jeweiligen Einkünfte aus den einzelnen Einkunftsarten, da er wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen ist. § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG durchbricht jedoch diese Systematik, da die Formulierung in der Weise gewählt wurde, dass durch den Verlustrücktrag die Einkünfte gemindert werden. Ursache für diesen Systembruch ist die Beschränkung des Verlustrücktrages auf Gewinne aus der selben Einkunftsart. Es kann bezweifelt werden, dass der Gesetzgeber die daraus resultierende Konsequenz der Verlagerung des Verlustrücktrages in den Bereich der Einkünfteermittlung erkannt hat. Die Auslegung entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes hat jedoch in jedem Fall Vorrang. Der Senat folgt insoweit der wohl herrschenden Meinung in der Literatur (z.B. Schmidt/Heinicke § 23, Rz. 55; Hermann/ Heuer/Raupach § 23 Anm. R 32; Littman/Bitz/Pust § 23 EStG, Rz. 157a; Blümich/Glenk § 23 EStG, Rz. 198; Walter/Stümper DStR 2002, S. 204 ff.; a.A. Herzig/Lutterbach DStR 1999, S. 521 ff - 524 -).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten und der Abwendungsbefugnis beruht auf §§ 151 Abs. 2 und 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Fassung des Tenors erfolgt gemäß § 100 Abs. 2 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Rechtsfrage, ob berücksichtigungsfähige Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften vom Einkommen im Sinne von § 2 Abs. 4 EStG wie Sonderausgaben abzuziehen sind, oder ob durch den Verlustrücktrag die Einkünfte selbst gemindert werden, bedarf der höchstrichterlichen Klärung.

 

Fundstellen

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