Leitsatz

Vereinbaren die Partner eines Rechtsgeschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nachträglich eine Erhöhung der Gegenleistung, ist der darin liegende Erwerbsvorgang in der Form der zusätzlich gewährten Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in dem Zeitpunkt gem. § 23 Abs. 4 GrEStG verwirklicht, in dem die Bindung der Vertragspartner hinsichtlich der zusätzlich gewährten Gegenleistung eingetreten ist.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 2 Nr. 1, § 23 Abs. 4 GrEStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb 1996 ein Grundstück mit noch zu errichtendem und zur Vermietung bestimmten Gebäude zum "Festpreis" von 54 Mio. DM. Der Festpreis sollte "etwaige Mehrkosten, wie sie durch Mieter anlässlich der Erstvermietung oder durch sonstige Änderungen verursacht werden", einschließen. Er war nach der erwarteten Jahresmiete von 3,6 Mio. DM berechnet. Sollten die tatsächlichen Mieten Ende 2000 davon nach oben oder unten abweichen, war eine Kaufpreisanpassung vorgesehen.

Unter Bezugnahme auf diese Klausel und unter deren gleichzeitiger Änderung wurde der Kaufpreis dann aber bereits mit "Nachvertragsvereinbarung" vom Dezember 1997 auf rd. 67 Mio. DM angehoben. Dazu hieß es, das Gebäude hätte sich besser als erwartet vermieten lassen und sei infolge einer Änderung des Nutzungskonzepts aufwändiger als geschuldet errichtet worden.

Das FA sah in der Preisanhebung eine zusätzlich gewährte Leistung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, die einen weiteren Erwerbsvorgang darstelle. Dieser sei erst im Jahr 2000 verwirklicht worden und daher mit 3,5 % zu versteuern. Dagegen meinte die Klägerin, zutreffender Steuersatz sei 2 %, weil die Preisanpassung schon in dem ursprünglichen Vertrag aus dem Jahr 1996 angelegt gewesen sei.

 

Entscheidung

Der BFH gab dem FA recht. Die Klägerin hat den erhöhten Kaufpreis zusätzlich – genauer: nachträglich – gewährt. Der Steuertatbestand der zusätzlichen Gewährung einer Leistung erfüllt die Eigenschaft, Erwerbsvorgang i.S.d. § 23 Abs. 4 GrEStG zu sein. Dies ergibt sich daraus, dass der ursprünglich verwirklichte Erwerbsvorgang eines seiner beiden konstituierenden Merkmale bildet, sowie aus dem rechtlichen Zusammenhang mit diesem Erwerbsvorgang. Soweit für § 23 Abs. 4 GrEStG bei Erwerbsvorgängen in Gestalt von Rechtsgeschäften darauf abzustellen ist, ab welchem Zeitpunkt die Vertragspartner untereinander gebunden sind, ist im Bereich des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG die Bindung hinsichtlich der nachträglich gewährten Leistung maßgeblich.

 

Hinweis

Gegenstand des Streitfalls war ein eher randständiger Aspekt des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, nämlich der, wann dieser Steuertatbestand nach § 23 Abs. 4 GrEStG verwirklicht ist. Die Frage ist eine Folge der Sichtweise der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Sie sieht nämlich in der zusätzlichen Gewährung einer Leistung kein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, sondern einen eigenen Steuertatbestand, für den die Steuer in einem selbstständigen Bescheid festzusetzen ist.

Daran hält der BFH fest. Er bringt allerdings – veranlasst durch die Sonderproblematik des § 23 Abs. 4 GrEStG – erstmals zum Ausdruck, dass es sich auch bei § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG um einen Erwerbsvorgang handelt. Bislang hatte die Rechtsprechung lediglich von einem Steuertatbestand gesprochen. Ein sich aus dem GrEStG ergebender Steuertatbestand muss aber einen Erwerbsvorgang beschreiben. Um was sollte es sich denn sonst handeln?

Für diesen Erwerbsvorgang, der besser als nachträgliche Gewährung einer Leistung bezeichnet worden wäre, weil zusätzliche Leistungen schon unter die sonstigen Leistungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG fallen, ist zweierlei konstitutiv: Zum einen muss bereits ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorliegen. Hinzukommen muss zum anderen das Erfüllen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes. Zusätzlich muss zwischen beidem ein rechtlicher Zusammenhang bestehen.

Diese Grundsätze gelten auch beim Erwerb eines Grundstücks mit noch zu errichtendem Gebäude, und zwar unabhängig davon, ob die Gebäudeerrichtung bereits in dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vereinbart ist oder in einem zweiten Vertrag, der mit ersterem in einem rechtlichen oder einem objektiv engen sachlichen Zusammenhang steht. Dabei fallen auch Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche regelmäßig unter § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Dies gilt nicht für solche Sonderwünsche, die unmittelbar mit einzelnen Handwerkern vereinbart werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.4.2006, II R 3/05

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