1 Betriebswirtschaftliches Verständnis der Liquidität

 

Rz. 1

Unter dem Begriff der Liquidität sind die Fähigkeit und Bereitschaft eines Unternehmens zu verstehen, seinen bestehenden Zahlungsverpflichtungen termingerecht und betragsgenau nachzukommen. Die Sicherung der Liquidität besteht in der Aufgabe, Geld und liquidierbare Vermögensgegenstände zum Zweck der zeitpunktgerechten Kapitalbeschaffung bereitzustellen.

Die betriebswirtschaftliche Theorie unterscheidet dabei zwischen verschiedenen Determinanten und verschiedenen Arten der Liquidität. Aus der Perspektive unterschiedlicher Determinanten der Liquidität ist zu unterscheiden zwischen:

  • Güterwirtschaftliche Liquidität: Tausch- bzw. Veräußerungsfähigkeit von Wirtschaftsgütern. Güter haben, abhängig von ihren technischen Eigenschaften und vom Zeit- bzw. Kostenaufwand der Käufersuche, unterschiedliche Liquiditätsgrade.
  • Verliehene Liquidität: Mögliche Beleihbarkeit eines Wirtschaftsguts durch ein Kreditinstitut. Diese Art der Gewinnung von Liquidität hat den Vorteil, dass das entsprechende Wirtschaftsgut nicht veräußert werden muss und so Verluste durch schnelle, erzwungene Veräußerung nicht auftreten.
  • Zukünftige Liquidität: Fähigkeit, durch zukünftige Erträge zu einem späteren Zeitpunkt Liquidität zu erlangen. Sie wird anhand eines Finanz- oder Liquiditätsplans gemessen.
  • Antizipierte Liquidität: Ein Unternehmen lässt seine zukünftigen Überschüsse durch ein Kreditinstitut beleihen. Diese Bereitstellung von Kapital ohne Sicherheiten durch das Kreditinstitut erfordert eine sog. Kreditwürdigkeitsprüfung.

Daneben können nach den unterschiedlichen Liquiditätsarten folgende Differenzierungen vorgenommen werden:

  • Vertikale Liquidität: Prozess der Geldwerdung von Vermögensgegenständen ("Verflüssigung") entsprechend den Zahlungsverpflichtungen, d. h. Liquidierbarkeit.[1]
  • Horizontale Liquidität: Grad der Belastung von Kapitalansprüchen (Zins, Tilgung).

Aus der vertikalen Liquidität i. S. v. Liquidierbarkeit, die letztendlich einen Einblick in die Transformierbarkeit der einzelnen Vermögensgegenstände in Bargeld erlaubt, kann nun unter Berücksichtigung der bestehenden Zahlungspflichten des Unternehmens mit ihren jeweiligen Fristigkeiten ein Liquiditätsstatus abgeleitet werden.

Der Bestand an flüssigen Mitteln muss in jedem Augenblick groß genug sein, um die gegenüberstehenden fälligen Schulden begleichen zu können. Dabei ist die kleinste maßgebliche Zeiteinheit ein einzelner Arbeitstag. An jedem Arbeitstag ist eine bestimmte Menge an Zahlungsmitteln vorhanden (Bargeld, Sicht- und/oder Termineinlagen bei Kreditinstituten, nicht voll ausgeschöpfte Kreditlinien), denen an diesem Tag fällige Verpflichtungen gegenüberstehen. Ist die vorstehend genannte Deckungsvoraussetzung nicht erfüllt, können fällige Verpflichtungen nicht fristgerecht bezahlt werden. Das Unternehmen ist damit illiquide. Ein solches Verständnis von Illiquidität könnte mathematisch genau objektiviert werden und wäre damit problemlos handhabbar. Für juristische Zwecke (u. a. Feststellung einer Zahlungsunfähigkeit) ist eine derartige Illiquiditätsfeststellung allerdings, wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, nicht übertragbar. So ist z. B. allgemeiner Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren (Antrag nach § 15a InsO) gemäß § 17 Abs. 1 InsO die Zahlungsunfähigkeit, die es von der Zahlungsstockung abzugrenzen gilt.[2]

[2] Nach § 1 des Gesetzes zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Or-ganhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a der Insolvenzordnung und nach § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bis zum 30. September 2020 ausgesetzt.

2 Illiquidität als Zahlungsstockung

 

Rz. 2

Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Wobei Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen ist, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

Aus der (Grundsatz-)Entscheidung des BGH vom 24.5.2005 geht hervor, "dass eine Zahlungsunfähigkeit, die sich voraussichtlich innerhalb kurzer Zeit beheben lässt, lediglich als Zahlungsstockung gilt und keinen Insolvenzeröffnungsgrund darstellt."[1] Der BGH führt in seiner Entscheidung weiter aus:

"a) Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen 3 Wochen erforderlich, aber auch ausreichend.

b) Beträgt eine innerhalb von 3 Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.

c) Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinli...

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