Rz. 3

Beantragt der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist nach § 18 Abs. 1 InsO auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund. Der Tatbestand einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ergibt sich aus § 18 Abs. 2 InsO. Ein Schuldner droht danach zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Für die Feststellung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit sind damit sowohl die vorhandenen liquiden Mittel als auch die vorhandenen fälligen Verbindlichkeiten, als auch die zu erwartenden Einnahmen und die erwarteten (ggf. rechtlich noch nicht begründeten, aber voraussehbaren) Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Zu den voraussehbaren Verbindlichkeiten gehören z. B. die innerhalb des Planungszeitraums unvermeidbaren Zahlungsverpflichtungen wie Löhne, Gehälter, Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer. Des Weiteren werden die vorhandenen liquiden Mittel "um kurzfristig realisierbare Forderungsbestände und Erlöse aus der Veräußerung des vorhandenen absetzbaren Vorratsvermögens aufgestockt. In die Finanzplanung aufgenommen werden überdies die in den Betrachtungsperioden generierbaren Außen- und Innenfinanzierungsbeiträge, jeweils zum Zeitpunkt des prognostizierten Anfalls."[1]

Droht die Zahlungsunfähigkeit, so bedarf es nach ständiger Rechtsprechung konkreter Umstände, die nahe legen, dass die Krise noch abgewendet werden kann.[2]

Die Feststellung und der Nachweis einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erfordern daher i. d. R. die Aufstellung eines Liquiditäts- bzw. Finanzplans.[3] In die Prognose, die bei der Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit anzustellen ist, muss nach Ansicht des BGH die gesamte Finanzlage des Schuldners bis zur Fälligkeit aller bestehenden Verbindlichkeiten einbezogen werden. Der vorhandenen Liquidität und den Einnahmen, die bis zu diesem Zeitpunkt zu erwarten sind, müssen die Verbindlichkeiten gegenüber gestellt werden, die bereits fällig sind oder die bis zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich fällig werden. Ergibt die Prognose, dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher ist als deren Vermeidung, droht Zahlungsunfähigkeit.[4]

Hinsichtlich des zu berücksichtigenden Zeithorizonts ist bei einem solchen Verständnis die Begrenzung des Prognosehorizonts allerdings noch nicht praktikabel erfolgt. Insbesondere die Kopplung des Prognosehorizonts an den spätesten Fälligkeitszeitpunkt aller bestehenden, aber noch nicht fälligen Verbindlichkeiten könnte ggf. zu längeren Prognosezeiträumen führen, deren Einschätzung betriebswirtschaftlich schwierig ist, da die Zuverlässigkeit einer Prognose mit der Länge des Prognosehorizonts kontinuierlich abnimmt. In der Literatur[5] wird daher in aller Regel ein Prognosezeitraum von maximal 2 Jahren (vereinzelt auch 3 Jahre) vorgeschlagen. Nach Ausführungen des IDW ist die Prognose i. d. R. auf das laufende und das darauf folgende Geschäftsjahr zu beschränken und könnte damit sogar noch unterhalb von 2 Jahren liegen.[6] In Anlehnung an die BGH-Entscheidung vom 24.5.2005[7] kann der Tatbestand einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nur dann vorliegen, wenn der Finanzplanungszeitraum eine anfängliche Unterdeckung von unter 10 % ausweist, die jedoch noch im Planungsverlauf auf über 10 % ansteigt, oder sich in den dargestellten Planungsperioden eine kontinuierlich fortlaufende negative Entwicklung des Unternehmens zeigt, die dann zwangsläufig früher oder später das Überschreiten der vorstehend genannten Illiquiditätsgrenze zur Folge hätte. Damit liegt also am Stichtag der Liquiditätsbilanz bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit noch keine Zahlungsunfähigkeit vor (= Abgrenzung zur Zahlungsunfähigkeit).

Die zur Feststellung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erforderliche Prognoserechnung ist damit genauso wie die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung nach § 19 Abs. 2 InsO eine reine Zahlungsfähigkeitsprognose. Zutreffend stellen daher Groß/Amen heraus: "Aufgrund der Ausgestaltung als Zahlungsfähigkeitsprognose liegt im Fall einer negativen Fortbestehensprognose (im Rahmen der Feststellung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung, N.W.) de facto auch der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit vor."[8] Mit anderen Worten: Die Prognoserechnung zur Feststellung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit erfolgt in gleicher Weise wie die Fortbestehensprognose zur Feststellung einer Überschuldung, die als reine Zahlungsfähigkeitsprognose ausgestaltet ist.[9]

Die Prognoserechnung zur Feststellung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit beginnt jedoch erst nach Ablauf des 3-Wochen-Zeitraums. Lässt sich also eine per Liquiditätsstatus festgestellte Deckungslücke von mehr als 10 % im 3-Wochen-Zeitraum nicht wieder schließen, liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor. Lässt sich die Deckungslücke im 3-Wochen-Zeitraum schließen, liegt lediglich die vorstehend erwähnte Zahlungsstockung vor. Im letzteren Fall ist dann allerdings im Hinblick auf die Prü...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge