Rz. 41

Die in den meisten Geschäftsberichten zu findende Wertschöpfungsrechnung beschränkt sich auf die Leistungsaustauschbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner unmittelbaren Umwelt (Umwelt im engeren Sinne), mit der marktmäßige oder zumindest marktähnliche Austauschbeziehungen bestehen. Als Datenbasis der in den Geschäftsberichten veröffentlichten Wertschöpfungsrechnungen dient fast ausschließlich der externe Jahres- bzw. Konzernabschluss. Der Vorteil einer hoch einzustufenden Verlässlichkeit dieser Zahlen wird jedoch durch den weitgehenden Verzicht auf sachlich begründete Erweiterungen bzw. Korrekturen erkauft. Falls – wie in der Praxis häufig vorkommend – die Wertschöpfungsrechnung die in der GuV-Rechnung veröffentlichten Zahlen ohne weitere Aufspaltung enthält, besitzt die Wertschöpfungsrechnung keinen originären Aussagegehalt für eine gesellschaftsbezogene Berichterstattung. Damit liegt neben der Beschränkung auf die Adressaten der unmittelbaren Umwelt in einer zu geringeren Detailliertheit des Zahlenmaterials der zweite zentrale Kritikpunkt.

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass aufgrund des Ausbaus der nichtfinanziellen Berichterstattung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung[1] als zweite – zur Finanzberichterstattung gleichwertige – Säule der Unternehmensberichterstattung[2] die Wertschöpfungsrechnung in Form einer umfassenden gesellschafts- und umweltbezogenen Berichterstattung wieder eine gewisse Renaissance erfahren könnte. Allerdings konzentriert sich die nichtfinanzielle Berichterstattung bei der Darstellung der quantitativen Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeit[3], insbesondere bei den Umweltauswirkungen, zumeist auf Mengen und nicht auf – die allein in einer gesellschafts- und umweltbezogenen Wertschöpfungsrechnung darstellbaren – Werte.[4]

 

Rz. 42

Die zumeist in den veröffentlichten subtraktiven Wertschöpfungsrechnungen vorgenommene Unterscheidung zwischen Abschreibungen und übrigen Vorleistungen ist zweckmäßig, da die berichtende Gesellschaft hiermit das Nachfragepotenzial nach Gebrauchsgütern und Verbrauchsgütern getrennt offen legt. Eine Zusammenfassung unter einer Position "Vorleistung" würde dem Informationsbedürfnis nur unbefriedigend Rechnung tragen.

Das Problem der zu geringen Detailliertheit des in den Wertschöpfungsrechnungen enthaltenen Datenmaterials zeigt sich insbesondere beim Personalkostenanteil, der häufig 90 % der Wertschöpfung übersteigt und keine Schlussfolgerungen über die soziale Rolle eines Unternehmens erlaubt.[5] Hierzu wäre eine Aufgliederung der Personalaufwendungen auf die einzelnen Arbeitnehmergruppen (z. B. Arbeiter, Angestellte und leitende Angestellte, aber auch andere Gruppenbildungen) erforderlich. Eine zu der im Anhang nach § 285 Nr. 7 HGB vorgenommenen Gruppenbildung korrespondierende Aufteilung der Personalaufwendungen wäre wünschenswert. Allerdings macht § 285 Nr. 7 HGB für die auf die Gruppenbildung anzuwendenden Kriterien keine Vorgaben, sodass verschiedene Einteilungen möglich sind.[6]

Dies erschwert dann aber die Vergleichbarkeit einer Aufteilung von Personalaufwendungen nach Gruppen von Arbeitnehmern im überbetrieblichen Vergleich.

 

Rz. 43

Unmittelbar mit der Verwendung von Jahresabschlussdaten hängt die Problematik zusammen, dass die in Geschäftsberichten offen gelegten Wertschöpfungsrechnungen stets die Primärverteilung von Einkommen darstellen. Eine für die wirtschaftspolitische Diskussion sinnvolle Argumentation müsste sich dagegen vor allem auf die Sekundärverteilung konzentrieren, welche die Wertschöpfungseinkünfte nach Steuern zeigt. Im Gegensatz zur Primärverteilung nimmt hierbei die Quote der öffentlichen Hand an der Wertschöpfung signifikant zu, während sich die entsprechenden Quoten der anderen Wertschöpfungsadressaten deutlich verringern.

 

Rz. 44

Strebt man mit der Wertschöpfungsrechnung ein umfassendes gesellschaftsbezogenes Reporting an, dürfen darüber hinaus die Vorleistungen und die Einkommenswirkungen auf die natürliche und gesellschaftliche Umwelt (Umwelt im weiteren Sinne)[7] nicht vernachlässigt werden. Bezüglich der letztgenannten müsste die Wertschöpfungsrechnung zumindest die Leistungsströme an die Allgemeinheit und insbesondere an die Gruppen, die von dieser als besonders förderungswürdig anerkannt sind, enthalten. Hier lassen sich 2 Kategorien unterscheiden: zum einen Spenden für soziale, wissenschaftliche und andere gemeinnützige Zwecke[8] sowie Umsatzminderungen beim Absatz von Leistungen zu Absatzpreisen aus sozialen Erwägungen, die über eine kaufkraftrelevante Preisdifferenzierung hinausgehen; letztgenannte Art von Leistungen erbringen insbesondere öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen.[9] Die Spenden wären demnach aus den sonstigen betrieblichen Aufwendungen zu eliminieren und die (sozial bedingten) Mindererlöse als hypothetische Umsätze bei der Bestimmung der Unternehmensleistung zu behandeln; auf der Seite der Wertschöpfungsverwendung stellen beide Faktoren Einkommen der Wertschöpfungsempfängergrup...

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