Leitsatz

Im Streitfall liegt keine rückwirkende Rechnungsberichtigung vor. Die in den Streitjahren ausgestellten Rechnungen wiesen die Steuerpflichtige gerade nicht als Leistungsempfängerin aus und sind insoweit nicht berichtigungsfähig. Die Angabe des zutreffenden Leistungsempfängers gehört zu den unverzichtbaren Mindestanforderungen, die erfüllt sein müssen, um überhaupt von einer berichtigungsfähigen Rechnung auszugehen.

 

Sachverhalt

In den Streitjahren 2007 bis 2010 hatte der klagende Schweinemastbetrieb teilweise in Rechnungen, aus denen sie den Vorsteuerabzug vorgenommen hatte, eindeutig nicht als Rechnungsempfängerin benannt worden war. Des Weiteren stellte es fest, dass in den von der Klägerin ausgestellten Gutschriften die Steuernummer und/oder USt-Identifikationsnummer des leistenden Unternehmers nicht enthalten waren. Das Finanzamt versagte deshalb nach einer Betriebsprüfung insoweit den Vorsteuerabzug.

Bereits vor Erlass der Änderungsbescheide hatte die Klägerin "berichtigte" Rechnungen eingereicht, in denen jeweils unter dem ursprünglichen Rechnungsdatum nunmehr die Klägerin als Leistungsempfängerin ausgewiesen.

 

Entscheidung

Nach dem EuGH-Urteil v. 15.9.2016 (C-518/14 Senatex) ist der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung nur formelle, aber nicht materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf zwingende Angaben (im EuGH-Fall die Mehrwertsteuer- Identifikationsnummer) komme danach Rückwirkung zu. Ebenso hat der Bundesfinanzhof in seinen nachfolgenden Urteilen vom 20.10.2016 (Az.: V R 54/14, V R 64/14 und V R 26/15) und unter Änderung seiner Rechtsprechung entschieden. Nach dem BFH-Urteil v. 20.7.2012 (V B 82/11, BStBl 2012 II S. 809) ist ein Dokument jedenfalls dann eine berichtigungsfähige Rechnung mit Rückwirkung, wenn

  • es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält und
  • diese Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen.

Im Urteilsfall des Finanzgerichts Münster enthalten die "berichtigten" Rechnungen alle gesetzlich geforderten Rechnungsangaben. Allerdings handelt es sich hierbei nach Auffassung des Gerichts um Erstrechnungen und nicht um berichtigte Rechnungen, da in ihnen erstmaligdie Klägerin als Leistungsempfängerin aufgeführt ist.

Selbst wenn man - entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - eine der Rückwirkung grundsätzlich zugängliche berichtigungsfähige Rechnung annehmen würde, wäre der Vorsteuerabzug nicht zu gewähren, denn die Klägerin hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung weder darlegen noch glaubhaft machen können, dass sie tatsächlich die zutreffende Leistungsempfängerin gewesen ist und dass die Rechnungsaussteller Leistungsbeziehungen zu ihr gehabt haben.

Es handelt sich daher bei den nunmehr vorgelegten "berichtigten" Rechnungen um erstmalige Rechnungen, aus denen ein Vorsteuerabzug allenfalls - bei Vorliegen aller Voraussetzungen - im Jahr 2013 (= Jahr der Ausstellung dieser Rechnungen) möglich ist, nicht jedoch in den Streitjahren 2007 bis 2010. Denn die Angabe des zutreffenden Leistungsempfängers gehört zu den unverzichtbaren Mindestanforderungen, die erfüllt sein müssen, um überhaupt von einer berichtigungsfähigen Rechnung auszugehen.

Hinsichtlich der Gutschriften kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht, denn in den Gutschriften fehlt die erforderliche Angabe der Steuernummer des Leistenden. Diese berichtigungsfähigen Gutschriften sind auch nicht im Nachgang zu den diesbezüglichen Beanstandungen des Prüfers berichtigt worden. Zwar verlangt die Mehrwertsteuerneutralität, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Bedingungen nicht genügt. Gleichwohl enthalten die Gutschriften nicht alle in Art. 226 der Richtlinie 2006/112 bzw. § 14 Abs. 4 UStG vorgesehenen Angaben, und damit nicht alle formellen Bedingungen für den Vorsteuerabzug.

 

Hinweis

Anscheinend war dem Finanzgericht Münster die o.g. BFH-Urteile v. 20.10.2016 noch nicht bekannt. Auch bestand im Urteilsfall des FG Münster die Besonderheit, dass die Klägerin auch gegenüber dem Finanzgericht nicht darlegen konnte, ob sie tatsächlich die zutreffende Leistungsempfängerin gewesen ist.

Deshalb ist zur Abgrenzung auf das BFH-Urteil v. 20.10.2016 (Az.: V R 54/14) zu verwiesen. Dort war die Adressierung an den Leistungsempfänger in der erstmaligen Rechnung erfolgt, aber nicht eindeutig. Trotz einer möglichen Verwechslungsgefahr kam nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nur ein beschränkter Kreis verbundener Unternehmen als Leistungsempfänger in Betracht, so dass der nachfolgenden Rechnungsberichtigung eine Rückwirkung zukam.

Wird in diesen Fällen die ursprüngliche Rechnung storniert und neu gestellt, ist zweifelhaft, ob es sich um eine wirksame Rechnungsberichtigung i. S. d. § 31 Abs. 5 UStDV mit...

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