Leitsatz

1. Liegt eine vorsätzlich begangene Steuerstraftat vor, ist das Auswahlermessen des FA insoweit vorgeprägt, als die Haftungsschuld gegen den Steuerstraftäter festzusetzen ist und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensbetätigung nicht bedarf.

2. Diese Vorprägung des Ermessens gilt insbesondere auch dann, wenn sich mehrere Haftungsschuldner einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht haben und deshalb bei der Ausübung des Auswahlermessens grundsätzlich gleichrangig nebeneinander stehen.

3. Der jeweils betroffene Haftungsschuldner kann in diesem Fall nicht beanspruchen, dass das FA bei der Ermessensausübung in einer Weise differenziert, dass andere Haftungsschuldner abgabenrechtlich in Anspruch genommen werden, er selbst hingegen nicht.

 

Normenkette

§ 42d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger betätigte sich u.a. im Immobiliensektor, indem er sanierungsbedürftige Geschäftsbauten erwarb und nach Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen verkaufte oder verpachtete. In einem der Objekte betrieb er mit Fremdpersonal selbst mehrere Verkaufsstände.

Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das FA wegen angeblicher Zahlung von Schwarzlöhnen gegen den Kläger einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über LSt. Das FG (Niedersächsisches FG vom 18.01.2001, 11 K 270/99, Haufe-Index 871873, EFG 2003, 371) gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Hinweis

Die dem Besprechungsurteil zugrunde liegende Frage war, ob das FA sein Auswahlermessen schon dann fehlerhaft ausübt, wenn es von mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Steuerhinterziehern (Schwarzlohn zahlender Arbeitgeber und Schwarzlohn empfangende Arbeitnehmer) nur einen, den Arbeitgeber, durch Haftungsbescheid in Anspruch nimmt.

1. Rechtsgrundlage des Haftungsbescheids war im Streitfall § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG. Steuerschuldner waren der klagende Arbeitgeber sowie die Arbeitnehmer. Sie alle waren nach § 42d Abs. 3 S. 1 EStG gesamtschuldnerisch zur Erfüllung der Abgabenschuld verpflichtet. Das FA hatte sich im Rahmen seines Auswahlermessens für den Arbeitgeber entschieden. Nur den in Anspruch zu nehmen befand das FG als ermessensfehlerhaft. Dem folgte der BFH so nicht.

Ausgangspunkt des BFH waren die allgemeinen Grundsätze zur gerichtlichen Überprüfung von behördlichen Ermessensentscheidungen: Welcher von mehreren grundsätzlich gleichrangigen Schuldnern in Anspruch genommen werden soll, stehe nicht im freien Belieben, sondern im pflichtgemäßen Auswahlermessen i.S.d. § 5 AO. Die behördliche Ermessensentscheidung, die spätestens in der Einspruchsentscheidung begründet werden müsse, sei nach § 102 FGO zu überprüfen.

Die Rechtsprechung differenziert allerdings hinsichtlich der Anforderungen, das behördliche Auswahlermessen zu begründen. So ist im Fall vorsätzlicher Steuerstraftaten diese Ermessensentscheidung dahin vorgeprägt, dass es einer besonderen Begründung der Ermessensbetätigung nicht bedarf. Habe jemand als Täter oder Teilnehmer eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen, sei es im Regelfall billig und gerecht, wenn ihn die Finanzbehörde für den Steuerschaden in Anspruch nehme; ermessensfehlerhaft sei es, den Betreffenden von der Inanspruchnahme freizustellen (BFH, Beschluss vom 08.06.2007, VII B 280/06, BFH/NV 2007, 1822; BFH, Urteil vom 02.12.2003, VII R 17/03, BFH/NV 2004, 597, BFH/PR 2004, 248). Dies gelte auch bei mehreren Gesamtschuldnern bei einer vorsätzlichen Steuerstraftat. Auch hier sei es regelmäßig ermessensfehlerhaft, wenn die Behörde einen Gesamtschuldner von seiner abgabenrechtlichen Verpflichtung freistellte. Der haftende Steuerstraftäter könne nicht beanspruchen, dass statt seiner ein gleichrangig haftender Mittäter in Anspruch genommen werde, und zwar auch dann, wenn die Haftungsschuld bei den übrigen Mittätern ebenso schnell und einfach zu erheben sei.

2. Sollte der Kläger tatsächlich LSt verkürzt haben, sei deshalb das Auswahlermessen des FA nicht fehlerhaft. Weil das FG allerdings den Haftungsbescheid allein schon wegen der vermeintlichen Ermessensunterschreitung des FA aufgehoben und daher offengelassen hatte, ob der Kläger, wie vom FA behauptet, den Haftungstatbestand nach § 42d Abs. 1 Nr. 3 EStG verwirklicht hatte, waren hierzu weitere Feststellungen erforderlich. Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte der BFH die Rechtsfrage, ob das FA den Kläger in eigenen Rechten verletzt und die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids dadurch bewirkt hatte, dass es die Empfänger der behaupteten Schwarzlohnzahlungen als weitere Haftungsschuldner nicht auch in Anspruch genommen hatte (dazu BFH, Urteil vom 02.12.2003, VII R 17/03, BFH/NV 2004, 597, BFH/PR 2004, 248), hier offenlassen. Die Feststellungen des FG ergaben nicht, ob das FA tatsächlich davon abgesehen hatte, die übrigen Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen.

 

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BFH, Urteil vo...

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