Leitsatz

1. Die Zwangsversteigerung eines Grundstücks führt umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich zu einer entgeltlichen Lieferung des Grundstückseigentümers an den Ersteher. Dies gilt aber nicht, wenn eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG 1993 vorliegt; diese setzt kein lebendes Unternehmen voraus.

2. Auch bereits vor In-Kraft-Treten des § 9 Abs. 3 UStG 1999 n.F. war ein Verzicht auf die Steuerbefreiung der Grundstückslieferung im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens nach dem Verteilungstermin nicht mehr wirksam.

 

Normenkette

§ 4 Buchst. a UStG , § 9 UStG , § 51 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 UStDV

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb im Zwangsversteigerungsverfahren – umsatzsteuerfrei – ein Grundstück mit teilfertiger Fabrikhalle. Der Voreigentümer hatte die Halle zur Vermietung errichten wollen, aber nicht mehr fertig stellen können. Nachdem das FA ihm u.a. wegen der steuerfreien Grundstückslieferung den Vorsteuerabzug verweigerte, erteilte er der Klägerin eine Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer für die "Grundstückslieferung" im Weg der Zwangsversteigerung und bat um Anwendung des Abzugsverfahrens.

Da die Klägerin die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht anmeldete und deshalb auch nicht abführte, erließ das FA einen Haftungsbescheid gegen die Klägerin.

 

Entscheidung

Nach dem Sachverhalt lag zwar nahe, dass die Klägerin mit dem halbbebauten Grundstück zugleich das "ganze" Geschäft des Veräußerers erworben hatte; es war aber nicht vom FG festgestellt. Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht, weil der Veräußerer nicht mehr wirksam hatte auf die Steuerbefreiung verzichten können und deshalb der Grundstücksumsatz nicht steuerpflichtig war.

Das Abzugsverfahren setzt aber einen steuerpflichtigen Umsatz voraus. Eine Haftung der Klägerin kam deshalb nicht in Betracht. Die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer schuldet nur der Veräußerer nach § 14 Abs. 3 UStG.

 

Hinweis

Für die Einbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer für Lieferungen von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren galten besondere Regeln (§ 51 ff. UStDV-Abzugsverfahren). Ist der Leistungsempfänger Unternehmer, muss er sie einbehalten, abführen und haftet ggf. dafür. Ab 1.1.2002 ist nach § 13b UStG der Leistungsempfänger selbst Steuerschuldner; beachten Sie ggf. die Übergangsregelung im § 13 Abs. 4 UStG). Die Besprechungsentscheidung betrifft zwar das Abzugsverfahren. Deren Grundsätze gelten aber in gleicher Weise für die Steuerschuld nach § 13b UStG. Voraussetzung ist, dass es sich überhaupt um einen steuerpflichtigen Umsatz handelt.

Denken Sie daran, dass auch die Lieferung eines bebauten Grundstücks eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellen kann und deshalb nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Eine Geschäftsveräußerung setzt nicht voraus, dass bereits Umsätze getätigt worden sind; es ist kein "lebendes" Unternehmen erforderlich. Eine Geschäftsveräußerung kann auch vorliegen, wenn einzelne – auch wesentliche – Wirtschaftgüter zurückbehalten werden.

Dies hat der BFH zwar bisher nur für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft entschieden (Urteil vom 15.10.1998, V R 69/97). Für andere Bereiche dürfte dies ebenfalls gelten. Halten Sie Fälle, bei denen es um die Beurteilung der Geschäftsveräußerung mit Zurückbehaltung einzelner wesentlicher Wirtschaftsgüter geht, bis zur Entscheidung des BFH über die Revision V R 10/01 offen!

Auf die Steuerfreiheit eines Grundstückumsatzes kann zwar grundsätzlich auch noch nach Ausführung des Umsatzes verzichtet werden. Beachten Sie, dass nach § 9 Abs. 3 UStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 der Verzicht im Zwangsversteigerungsverfahren nur noch bis zur Aufforderung zur Abgabe des Meistgebotes zulässig ist. Der 2. Leitsatz des Besprechungsurteils hat deshalb nur für die Vergangenheit Bedeutung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.3.2002, V R 62/01

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