Rz. 830

Sonstige – durch entsprechende Anwendung des § 88 Abs. 1 AktG nicht erfasste, also außerhalb des Geschäftszweiges der Gesellschaft liegende – Tätigkeiten sind Geschäftsführungsmitgliedern grundsätzlich auch ohne Einwilligung der Gesellschafterversammlung bzw. eines an deren Stelle zuständigen Aufsichtsrats erlaubt. Dieser Grundsatz erfährt jedoch folgende Einschränkungen.

1.13.3.1 Verbot durch den Anstellungsvertrag

 

Rz. 831

Dienstverträge mit Geschäftsführungsmitgliedern sehen üblicherweise vor, dass dem Geschäftsführungsmitglied jegliche entgeltliche und unentgeltliche Tätigkeit nur mit Einwilligung der Gesellschafterversammlung bzw. des Aufsichtsrats gestattet ist.[1] Damit soll zusätzlich zu den gesetzlichen Tätigkeitsverboten sichergestellt werden, dass das Geschäftsführungsmitglied seine ganze Arbeitskraft uneingeschränkt der Gesellschaft zur Verfügung stellt.

[1] Schelling, in Beck´sche Online-Formulare Vertrag, 2.3.2, § 4.

1.13.3.2 Verbot von Nebentätigkeiten, die die Interessen der Gesellschaft beeinträchtigen

 

Rz. 832

Wie Arbeitnehmern[1] sind auch Geschäftsführungsmitgliedern mangels gegenteiliger Regelung im Dienstvertrag außerhalb des Katalogs des § 88 Abs. 1 AktG Nebentätigkeiten erlaubt. Dies gilt jedoch nicht für Tätigkeiten, die die Arbeitskraft des Geschäftsführungsmitglieds oder betriebliche Interessen der Gesellschaft beeinträchtigen.[2]

[1] Hierzu Wertheimer/Krug, BB 2000, S. 1462 ff.
[2] Wertheimer/Krug, BB 2000, S. 1462 ff.

1.13.3.3 Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft für sich oder Dritte zu nutzen

 

Rz. 833

Ausgehend von der im amerikanischen Recht entwickelten "Corporate Opportunity" Doktrin[1] hat sich auch in Deutschland die "Geschäftschancenlehre" durchgesetzt. Das Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft an sich zu ziehen, überschneidet sich in weiten Bereichen mit dem gesetzlichen Wettbewerbsverbot, dem der Geschäftsführer unterliegt (s. Rn. 845).[2] Für die GmbH besagt die Geschäftschancenlehre, dass der Geschäftsführer Geschäftschancen der Gesellschaft allein für diese und nicht für sich selbst oder für Dritte nutzen darf.[3] Das bedeutet jedoch nicht, dass jede "Geschäftschance" im weitesten Sinn exklusiv der Gesellschaft vorbehalten bleiben muss.[4] Fallgruppen, bei denen Geschäftschancen der Gesellschaft zustehen, sind:[5]

 

Rz. 834

  • Die Geschäftschance steht in engem Zusammenhang mit den Geschäften der Gesellschaft.[6] In diesem Fall hat der Geschäftsführer auch Geschäftschancen, von denen er im privaten Rahmen Kenntnis erlangt, für die Gesellschaft zu nutzen.[7]
  • Die Gesellschaft hat bereits Interesse an dem Geschäft oder auch nur an Geschäften dieser Art geäußert.[8]
  • Die Gesellschaft ist bereits in Vertragsverhandlungen betreffend das Geschäft eingetreten.[9]
  • Das Geschäft wurde ausdrücklich der Gesellschaft oder dem Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als Organ der Gesellschaft angetragen.[10]
  • Der Geschäftsführer realisiert das Geschäft für sich selbst mit Mitteln oder Personal der Gesellschaft[11] oder unter Ausnutzung des Wissens und von Informationen, die er aufgrund seiner Organstellung erlangt hat.[12]
[1] S. Polley, Wettbewerbsverbot und Geschäftschancenlehre, Baden-Baden 1993, S. 32 ff.; Fleischer, WM 2003, S. 1045, 1054 f.
[2] Zöllner/Noack, in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 41.
[3] So auch Jaeger/Steinbrück, in MüKo-GmbHG, § 35 Rn. 361; BGH, Urteil v. 23.9.1985, II ZR 246/84, GmbHR 1986 S. 42.
[4] Anschaulich Schießl, GmbHR 1988, S. 53, wonach es zweifellos keine Pflichtwidrigkeit eines Geschäftsführers darstellt, wenn dieser an der Börse Aktien eines in einer ganz anderen Branche operierenden Unternehmens für sich erwirbt.
[5] Zu Nachstehendem: Lieder, in Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 217; Schießl, GmbHR 1988, S. 53, 54.
[7] BGH, Urteil v. 23.9.1985, II ZR 246/84, NJW 1986 S. 585 f; OLG Frankfurt, Urteil v. 13.5.1997, 11 U (Kart) 68/96, GmbHR 1998 S. 376, 378.
[8] U. H. Schneider in Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 203; Fleischer, NZG 2003, S. 985, 986.
[9] Vgl. BGH, Urteil v. 8.5.1989, II ZR 229/88, NJW 1989 S. 2687, 2688 (für einen Kommanditisten); Lieder, in Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 217.

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