Leitsatz

Liefert ein Unternehmer mit einer von ihm hergestellten Biogasanlage vorsteuerabzugsberechtigt Strom gegen Entgelt, während er die mit der Anlage erzeugte Wärme unentgeltlich auf andere Personen überträgt, handelt es sich bei der Wärmelieferung um eine Zuwendung i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 UStG.

 

Normenkette

§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 UStG, Art. 16 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine KG, errichtete in den Jahren 2005 und 2006 eine Biogasanlage, die sie im Jahr 2006 in Betrieb nahm. Den mit der Anlage erzeugten Strom lieferte sie gegen Entgelt und machte aus den Errichtungskosten den Vorsteuerabzug geltend. Mit zwei im März 2006 und Oktober 2008 abgeschlossenen Verträgen verpflichtete sich die Klägerin zur unentgeltlichen Lieferung von Wärme an zwei GbRs. In den Jahren 2009 und 2010 erweiterte die Klägerin ihre Anlage und machte auch insoweit den Vorsteuerabzug geltend.

Das FA ging für die Jahre 2007 bis 2009 (Streitjahre) davon aus, dass die unentgeltlichen Wärmelieferungen zu einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG geführt haben. Diese sei nach den Selbstkosten zu bemessen.

Demgegenüber gab das FG der Klage überwiegend statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 29.10.2020, 11 K 21/20, Haufe-Index 14320842, EFG 2021, 607). Die Zuwendungsbesteuerung in Bezug auf die unentgeltlich abgegebene Wärme scheitere an der fehlenden Vorsteuerabzugsberechtigung für die Wärmeabgabe. Die tatsächliche Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs sei unerheblich. Stattdessen seien die für die Streitjahre geltend gemachten Vorsteuerbeträge in analoger Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG anteilig zu kürzen, soweit unentgeltliche Wärmelieferungen vorlägen. Dies habe nach der Marktwertmethode auf der Grundlage eines Marktwertes von 0,04 EUR/kWh zu erfolgen. Der vom FA vertretene Leistungsvergleich komme nicht in Betracht. Es sei auch nicht zulässig, den in den Vorjahren rechtswidrig in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug in den Streitjahren nach § 15a UStG zu berichtigen.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies die Sache an das FG zurück. Zwar sei das FG zutreffend von einer Unentgeltlichkeit der Wärmelieferungen ausgegangen. Es habe aber zu Unrecht die Voraussetzungen von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 UStG verneint. Die Klägerin sei zum vollen Vorsteuerabzug aus der Errichtung der Biogasanlage berechtigt. Da die Mitnutzung für unentgeltliche Wärmelieferungen den Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten für die Anlage nicht einschränke, sei entgegen dem FG-Urteil nicht über eine Vorsteueraufteilung, sondern über die Bemessung dieser Entnahme nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG zu entscheiden. Dies könne in einem Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden.

 

Hinweis

1. Im Zusammenspiel von Vorsteuerabzug und Entnahmebesteuerung befasst sich der BFH mit einigen durchaus praxisrelevanten Abgrenzungsfragen.

a) Im Verhältnis von § 15 UStG zu § 3 Abs. 1b UStG hatte der BFH bereits entschieden, dass der Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wenn er bereits bei Leistungsbezug beabsichtigt, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S.v. § 3 Abs. 1b UStG zu verwenden (BFH, Urteil vom 13.1.2011, V R 12/08, BFH/NV 2011, 721, BFH/PR 2011, 194).

Dies erfasst aber nur den Fall der ausschließlichen Entnahmeverwendung, nicht aber auch den Fall, dass der Unternehmer eine erworbene Maschine teilweise für entgeltlich-steuerpflichtige Leistungen und im Übrigen für Entnahmezwecke verwendet. So ist es aus Sicht des BFH auch, wenn der Unternehmer die von ihm erworbene oder hergestellte Biogas- oder KWK-Anlage dazu verwendet, Strom entgeltlich zu liefern und Wärme zu entnehmen.

b) Hieran hat sich auch durch das Steinbruch-Urteil des BFH (BFH, Urteil vom 16.12.2020, XI R 26/20 (XI R 28/17),BFH/NV 2021, 896) nichts geändert, da diese Entscheidung lediglich die Entnahmebesteuerung unter den Vorbehalt eines unversteuerten Endverbrauchs gestellt hat, ohne am systematischen Verhältnis der §§ 15, 3 Abs. 1b UStG etwas zu ändern.

c) Folge dieser Sichtweise ist auch, dass die Entnahmebesteuerung nicht an § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG scheitert, da die Wärme mit einer zum Vorsteuerabzug berechtigt erworbenen Anlage hergestellt wird.

2. Bei der Frage, ob die unentgeltliche Abgabe von Wärme den Zuwendungstatbestand des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG erfüllt, geht der BFH verschiedenen Problemstellungen nach.

a) Zum einen geht es um die Frage, ob das Erfordernis einer außerunternehmerischen Verwendung in § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG von Bedeutung für den Zuwendungstatbestand ist. Der BFH verneint dies für den Streitfall, in dem die Wärme an andere Personen als Endverbraucher abgegeben wurde. Damit geht der BFH der Streitfrage aus dem Weg, ob eine Hoheitsverwendung entsprechend bisheriger Beurteilung weiterhin als außerunternehmerisch anzusehen ist. Diese bisherige Sichtweise ...

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