BMF, 24.01.2024, III C 2 - S 7109/19/10004 :001

 

I. Einleitung

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Ein Unternehmer ist unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn er Eingangsleistungen für Zwecke seines Unternehmens und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit bezieht.

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Ein Unternehmer, der für Zwecke des Vorsteuerabzugs als Leistungsempfänger anzusehen ist, ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG und damit für seine unternehmerischen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2011 – V R 38/09, BStBl II 2012 S. 68). Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung musste zwingend nach dem objektiven Inhalt der bezogenen Leistung ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 2013 – V R 29/10, BStBl II S. 840). Nur mittelbar verfolgte Zwecke waren bisher stets unerheblich (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 – V R 12/08, BStBl II 2012 S. 61).

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In seinem Folgeurteil zum EuGH-Urteil vom 16. September 2020, C-528/19, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie, hat der BFH mit Urteil vom 16. Dezember 2020 – XI R 26/20 (XI R 28/17), BStBl II 2024 S. xxx, abweichend von der bisherigen Rechtsprechung und der Verwaltungsauffassung entschieden, dass der Vorsteuerabzug aus einem mittelbar unternehmerisch veranlassten Leistungsbezug zulässig ist, der unentgeltlich an einen Dritten weitergeliefert wird, sowie eine daraus resultierende unentgeltliche Wertabgabe nicht besteuert wird, wenn kein unversteuerter Endverbrauch droht.

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Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt nach dieser Entscheidung Folgendes:

 

II. Anwendung der Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug bei "mittelbarer" Veranlassung

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Mit Urteil vom 16. Dezember 2020 – XI R 26/20 (XI R 28/17), a. a. O., hat der BFH entschieden, dass einem Unternehmer der Vorsteuerabzug auch dann zustehen kann, wenn er eine Leistung bezieht, um diese an einen Dritten unentgeltlich weiter zu liefern und zugleich die eigene unternehmerische Tätigkeit zu ermöglichen. Dies setzt aber voraus, dass die bezogene Eingangsleistung nicht über das hinausgeht, was erforderlich bzw. unerlässlich ist, um diesen Zweck zu erfüllen, und die Kosten der Eingangsleistung (kalkulatorisch) im Preis der getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind und der Vorteil des Dritten (im Urteilsfall: der Allgemeinheit) allenfalls nebensächlich ist.

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Nur unter diesen Voraussetzungen reicht entgegen der bisherigen Rechtsprechung eine „mittelbare“ Veranlassung für den Vorsteuerabzug aus. Darüber hinaus ist das BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 – V R 12/08, a. a. O. weiterhin anzuwenden.

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Außerdem hat der BFH mit o. a. Urteil vom 16. Dezember 2020 entschieden, dass § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG unionsrechtskonform dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nicht erfolgt, wenn kein unversteuerter Endverbrauch droht.

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Für den Vorsteuerabzug aus Erschließungsmaßnahmen ergibt sich durch die v. b. Rechtsprechung kein Änderungsbedarf am BMF-Schreiben zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Erschließungsmaßnahmen vom 7. Juni 2012, BStBl I S. 621, weil in den dortigen Fällen im Regelfall die unentgeltliche Weitergabe von Leistungen zu einem unversteuerten Endverbrauch führen würde. Nur unter den nunmehr von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kann bei Erschließungsmaßnahmen, die unter den mit dem Urteilsfall XI R 26/20 (XI R 28/17) vergleichbaren Bedingungen erfolgen, ein Vorsteuerabzug möglich sein.

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Die Genehmigung zum Ausbau z. B. einer Gemeindestraße führt in solchen Fällen nicht zu einem tauschähnlichen Umsatz, da die Ausbaumaßnahme keine Gegenleistung für die Genehmigung darstellt.

 

III. Änderungen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

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Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 23. Januar 2024 – III C 2 – S 7200/19/10003 :019 (2023/1237710), BStBl I S. xxx – geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

  1. In Abschnitt 3.2 wird nach Absatz 3 folgender Absatz 4 angefügt:

    „(4) 1Droht kein unversteuerter Endverbrauch, sind § 3 Abs. 1b und 9a UStG unionsrechtskonform dahingehend einschränkend auszulegen, dass eine Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe nicht erfolgt. 2Dieser droht nicht, wenn

    • die Eingangsleistung vor allem für Bedürfnisse des Unternehmers genutzt wird und nicht darüber hinaus geht, was hierfür erforderlich bzw. unerlässlich ist,
    • die Kosten für die Eingangsleistung Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind und
    • der Vorteil des Dritten allenfalls nebensächlich ist,

    vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16.12.2020 – XI R 26/20 (XI R 28/17), BStBl II 2024 S. xxx und Abschnitt 15.2b Abs. 2a. 3Diese Voraussetzungen bestehen beispielsweise in folgenden Fällen nicht (mit der Folge, dass unter den übrigen Voraussetzungen eine ...

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