Leitsatz

Ein für den Besucherdienst des Deutschen Bundestages tätiger Dozent ist mit seinen Führungen und Vorträgen zwar nicht nach nationalem Recht, aber nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerfrei.

 

Normenkette

Art. 132 Abs. 1 Buchst. i EGRL 112/­2006 (= MwStSystRL), Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i 6. EG-RL (= RL 388/77/EWG)

 

Sachverhalt

Der Kläger erbrachte Dozentenleistungen für den Besucherdienst des Deutschen Bundestages aufgrund von Rahmenverträgen, die er mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, dieser vertreten durch den Direktor beim Deutschen Bundestag, schloss. Das Finanzamt sah diese Leistungen als steuerpflichtig an. Demgegenüber ging das Finanzgericht von einer sich aus dem Unionsrecht ergebenden Steuerfreiheit aus und gab der Klage statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1.10.2015, 7 K 7002/13, Haufe-Index 8703405, EFG 2015, 2236).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, da sich der Kläger für die Steuerfreiheit seiner Leistungen auf die Richtlinie berufen könne.

 

Hinweis

1. Sind Unterrichtsleistungen nicht gemäß § 4 Nr. 21 UStG steuerfrei, können die Leistungen gleichwohl nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerfrei sein. Hierfür muss es sich leistungsbezogen um Schul- und Hochschulunterricht handeln. Unternehmerbezogen muss der Leistende eine Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat ­anerkannter vergleichbarer Zielsetzung wie eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, die mit der Aufgabe des Schul- und Hochschulunterrichts betraut ist und damit eine anerkannte Einrichtung sein.

2. Zum Schul- und Hochschulunterricht gehört zum einen der Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt. Zum anderen gehören dazu ebenso die Tätigkeiten, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben.

Dies kann auf Tätigkeiten für den Besucherdienst des Deutschen Bundestages zutreffen, bei dem für Besuchergruppen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Bereich Geschichte und Sozialkunde im Mittelpunkt steht.

3. Für die Anerkennung als Einrichtung sind im Rahmen einer Abwägung eine Vielzahl unterschiedlicher Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Hierzu gehört das Bestehen spezifischer Vorschriften – seien es nationale oder regionale, Rechts- oder Ver­waltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit –, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch – im Sozialbereich – Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit.

Bei einer Tätigkeit für den Besucherdienst des Deutschen Bundestages kann sich die Anerkennung aus dem hohen Gemeinwohlinteresse an der Tätigkeit des Besucherdienstes, die für ein oberstes Verfassungsorgan ausgeübt wird, sowie aus der Kostentragung durch die Parlamentsverwaltung ergeben. Das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für diese Kostentragung steht dem ausnahmsweise nicht entgegen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.8.2016 – V R 38/15

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