Nach Abschn. 18.6 UStAE kann das Finanzamt unabhängig von der Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 3 UStG den Unternehmer in Sonderfällen von der Abgabe der Voranmeldungen befreien. Solche Sonderfälle sind u. a. vorgesehen für:

  • Unternehmer, bei denen in bestimmten Voranmeldungszeiträumen regelmäßig keine Umsatzsteuer entsteht, z. B. bei Aufsichtsratsmitgliedern, deren Tätigkeit jährlich in einem Betrag vergütet wird[1]

     
    Hinweis

    Unternehmereigenschaft von Aufsichtratsmitgliedern

    Entgegen der bisherigen Rechtsprechung hat der BFH in seinem Urteil vom 27.11.2019 entschieden, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht als Unternehmer tätig ist, wenn es lediglich eine (nicht variable) Festvergütung erhält.[2] Der BFH begründet dies damit, dass das Aufsichtsratsmitglied bei einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt.

    Bisher wurde auch von der Finanzverwaltung die Tätigkeit eines Aufsichtsrats uneingeschränkt als selbstständige, unternehmerische Tätigkeit betrachtet. In Reaktion auf die Rechtsprechung des EuGH und BFH hat nunmehr auch die Finanzverwaltung ihre langjährige Rechtsauffassung geändert[3]:

    • Erhält ein Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine (nicht variable) Festvergütung, fehlt es an einem unternehmertypischen Vergütungsrisiko. Der Aufsichtsrat ist dann nicht selbstständig tätig und erfüllt damit die Voraussetzungen an die Unternehmereigenschaft nicht.
    • Eine Festvergütung liegt insbesondere bei einer pauschalen Aufwandsentschädigung vor.
    • Keine Festvergütung ist hingegen ein sog. Sitzungsgeld, welches nur bei tatsächlicher Teilnahme an einer Aufsichtsratssitzung an das jeweilige Aufsichtsratsmitglied bezahlt wird. Ebenso wenig sind nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen Festvergütungen i. S. des BMF-Schreibens.
    • Bei gemischten Vergütungsformen (sowohl pauschale als auch variable Vergütungsbestandteile) kommt es für die Frage der Selbstständigkeit grundsätzlich auf den prozentualen Anteil der variablen Vergütung im Kalenderjahr an ("10 % Grenze").
    • Die neuen Regelungen sind ab 1.1.2022 anzuwenden.

      Zunächst war nicht eindeutig geklärt, wann die Leistung des Aufsichtsratsmitglied als ausgeführt gilt. Gem. BMF-Schreiben vom 15.9.1980[4] sollte die Tätigkeit des Aufsichtsrats für das jeweilige Geschäftsjahr erst mit der Entlastung, die jährlich von der ordentlichen Hauptversammlung beschlossen wird, als abgeschlossen betrachtet werden. Die Umsatzsteuer für die Leistung bzw. Teilleistung des Aufsichtsratsmitglieds wäre somit mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Hauptversammlung stattgefunden hat, entstanden Dieses BMF-Schreiben wurde jedoch mit Schreiben vom 29.3.2007[5] zur Eindämmung der Normenflut aufgehoben und ist nicht mehr in der Positivliste enthalten. Mit BMF-Schreiben vom 29.3.2022 hat die Finanzverwaltung klargestellt, dass der maßgebliche Leistungszeitpunkt für die allgemeine Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds der Ablauf des Geschäftsjahres der Gesellschaft ist. Wenn ein Aufsichtratsmitglied für die tatsächliche Teilnahme an einer Aufsichtsratssitzung Auslagenersatz und Sitzungsgeld erhält, ist der maßgebliche Leistungszeitpunkt der Tag der Aufsichtsratssitzung.

    • Ferner gilt nunmehr, dass bei der Prüfung, ob die variablen Bestandteile im Geschäftsjahr der Gesellschaft mindestens 10 % der gesamten Vergütung, einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen betragen, nur die Vergütungsbestandteile zu berücksichtigen sind, die für Leistungen gezahlt werden, die in dem betreffenden Geschäftsjahr der Gesellschaft ausgeführt werden.
    • Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der 10 %-Grenze ist der Beginn des Geschäftsjahres der Gesellschaft. Nachträgliche Änderungen bleiben hierbei unberücksichtigt.

      [6]

    , sowie

  • Land- und Forstwirte, die die Durchschnittssätze des § 24 UStG anwenden und gleichwohl Voranmeldungen abzugeben haben.[7]

Dagegen wird in Neugründungsfällen[8] keine Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen erteilt.[9] Seit 2021 gibt es jedoch befristet bis 2026 Erleichterungen für Neugründer.[10]

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