BMF: Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern

Das BMF nimmt nach dem Schreiben aus dem Sommer 2021 erneut zu wichtigen praxisrelevanten Fragen zur umsatzsteuerlichen Beurteilung von Aufsichtsräten Stellung.

Wann werden Aufsichtsräte als Unternehmer eingestuft? Umsatzsteuerliche Kriterien

Das BMF hat im Sommer 2021 mit dem Schreiben vom 8.7.2021 (BMF, Schreiben v. 8.7.2021, III C 2 - S 7104/19/10001 :003) zur umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern wichtige Abgrenzungskriterien für die Praxis geschaffen. Nach Ansicht des BMF ist ein Aufsichtsratsmitglied für umsatzsteuerliche Zwecke nur dann als Unternehmer zu behandeln, wenn das Mitglied ein Vergütungsrisiko trägt.

Laut BMF trägt ein Mitglied des Aufsichtsrats ein Vergütungsrisiko, wenn

  • die variablen Vergütungen,
  • z. B. Sitzungsgelder, die in Abhängigkeit von der Teilnahme gezahlt werden) 
  • mindestans als 10 % der vereinbarten Gesamtvergütung ausmachen.

Die Prüfung hat pro Aufsichtsratsmandat und pro Geschäftsjahr zu erfolgen. Daraus folgt, dass ein Aufsichtsratsmitglied mit mehreren Mandaten sowohl Unternehmer auch als Nichtunternehmer sein kann und diese Einschätzung jährlich variieren kann. Sollte die Unternehmereigenschaft dem Grunde nach vorliegen, besteht jedoch unter weiteren Voraussetzungen weiterhin die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung gem. § 19 UStG.

Als Unternehmer muss ein Aufsichtsrat grundsätzliche eine Rechnung ausstellen

Die Frage der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft ist nicht nur wesentlich für

  • die zutreffende Rechnungsstellung (Erteilungen von Rechnung mit Steuerausweis),
  • die Entrichtung von Umsatzsteuer und
  • die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Jahreserklärungen,

sondern auch für den Vorsteuerabzug des Aufsichtsratsmitglieds.

Praxis-Hinweis: Was bei der Option zur Umsatzbesteuerung beachtet werden muss

Beachten Sie, dass bei der Anmietung von Büroräumen der Vermieter nur zur Umsatzsteuer optieren kann, wenn der Mieter (Aufsichtsratsmitglied) ein Unternehmer ist und Umsätze tätigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Sollte die Unternehmereigenschaft aufgrund der BMF-Schreiben nicht mehr bzw. nun vorliegen, sollten die Aufsichtsratsmitglieder ihren Vermieter hierüber zeitnah informieren.

10 %-Grenze anhand der zu erwartenden Vergütung prüfen

Mit dem Schreiben vom 29.3.2022 stellt das BMF (BMF, Schreiben v. 29.3.2022, III C 2 - S 7104/19/10001 :005) nun klar,

  • zu welchem Zeitpunkt die o.g. 10 %-Grenze zu prüfen ist und
  • wann die Leistung des Aufsichtsratsmitglieds als ausgeführt gilt.

Das BMF vertritt die Auffassung, dass

  • die 10 %-Grenze zu Beginn des Geschäftsjahres der Gesellschaft anhand der zu erwartenden Vergütung zu prüfen ist und
  • zu diesem Zeitpunkt die Unternehmereigenschaft des Aufsichtsratsmitglieds für das Geschäftsjahr "festgezurrt" wird.

Daraus folgt, dass ein Aufsichtsratsmitglied auch dann als Unternehmer gilt, wenn sich nach Ablauf des Geschäftsjahres herausstellt, dass die variable Vergütung weniger als 10 % der Gesamtvergütung ausgemacht hat (z. B. durch krankheitsbedingten Ausfall bei Sitzungen, für die ein Sitzungsentgelt gezahlt wird).

Ebenfalls stellt das BMF klar, dass maßgeblicher Leistungszeitpunkt für die allgemeine Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds der Ablauf des Geschäftsjahrs der Gesellschaft ist. Daraus folgt, dass die Umsatzsteuer grundsätzlich in dem betroffenen Voranmeldungszeitraum entsteht, auch wenn die Zahlung, Abrechnung und/oder Entlastung des Aufsichtsrates erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Ausgenommen sind die Aufsichtsräte, bei denen die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten erfolgt (sog. Ist-Versteuerung nach § 20 UStG).

Praxis-Tipp: Enger Austausch empfehlenswert

In der Praxis vereinbaren die Parteien die Abrechnung oft im Gutschriftverfahren. Ein enger Austausch mit dem Gutschriftersteller wird daher dringend empfohlen.