Insbesondere im Bereich des grenzüberschreitenden Handels, sind verschiedentlich große Missbrauchsfälle und Betrugsmodelle aufgedeckt worden. Dies resultiert insbesondere daraus, dass trotz ausgangsseitiger Nichtsteuerbarkeit im Inland oder Steuerfreiheit von (innergemeinschaftlichen) Lieferungen ein eingangsseitiger Vorsteuerabzug möglich ist. Des Weiteren, da ein Vorsteuerabzug weder eine Steuerzahlung an den, noch eine Steuerabführung des leistenden Unternehmers voraussetzt.

Dem hat man versucht mit rechtlichen Mitteln Herr zu werden, angefangen mit Pflichten zum Buch- und Belegnachweis, insbesondere Warenkontrollmeldungen, wie zuletzt der Abgabe der Zusammenfassenden Meldung als materiell rechtliche Voraussetzung für die Befreiung oder der Gelangensbestätigung, aber auch einer Ausdehnung des Reverse-Charge Verfahrens, um Steuerschuld und Vorsteuerabzug zusammenfallen zulassen, damit Ausfälle insbesondere durch sog. Missing Trader, also Unternehmen, die die Ausgangssteuer schlicht nicht abführen, unterbunden werden.

Trotz allem treten immer wieder solche Fälle auf und es entwickeln sich leider neue Modelle. Vor diesem Hintergrund ist die Herangehensweis der Finanzbehörden im Bereich der Umsatzsteuer vielfach sehr strikt geworden. Dies trifft häufig auch redliche Unternehmer, da den Finanzbehörden eine Unterscheidung im ersten Schritt zumeist nur schwerlich möglich ist oder auch der tatsächliche Betrüger nicht mehr zu greifen ist. Hier kommt auch der Frage, ob der Unternehmer von einem möglichen Missbrauch wusste oder hätte wissen müssen[1] besondere Bedeutung zu.

Eine Belastung für das Unternehmen kann sich sogar in Fällen ergeben, in denen die Umsatzsteuer im B2B Bereich grds. neutral gewesen wäre und bei wirtschaftlicher Gesamtbetrachtung fiskalisch final kein Schaden eingetreten ist. Zwar spielen Zinsen aufgrund der Absenkung der Zinssätze in § 233a AO aktuell nicht mehr eine so große Rolle, dies betrifft aber z. B. keine Zinsen nach § 235 AO. Des Weiteren gilt für den objektiven Tatbestand das Kompensationsverbot gem. § 370 Abs. 4 Satz 3 AO, sodass z. B. bei fälschlicher Behandlung eines Umsatzes als steuerfrei auch bei späterer Nachbelastung der Umsatzsteuer ein Vorsteuerabzug des Kunden nicht gegengerechnet wird.

Im Bereich der Umsatzsteuer als transaktionaler Steuer ergeben sich aufgrund des zumeist repetitiven Effekts vielfach erhebliche Summen, wenn sich in der vorangehenden Beurteilung von sich wiederholenden Sachverhalten systematische Fehler eingeschlichen haben oder bei der IT-gestützten Abwicklung systemische Fehler vorliegen.

Des Weiteren ist das Umsatzsteuerrecht aufgrund der zahlreichen Verwaltungsveröffentlichungen und der Vielzahl an Rechtsprechungsentscheidungen sowohl auf nationaler wie auch EU-Ebene in einem stetigen Fluss, was einen sicheren Umgang im operativen Geschäft signifikant erschwert hat.

Neben der regulären Betriebsprüfung stehen den Behörden mit der Umsatzsteuer-Nachschau und -Sonderprüfung im Bereich der Umsatzsteuer weitere Prüfinstrumente zur Verfügung, die insbesondere eine zeitnahe Prüfung sowie eine fokussierte Überprüfung von Einzelfragen oder kürzerer Zeiträume ermöglichen.

Die Bedeutung dieser finanzbehördlichen Kontrollen verdeutlichen die dazu vorhandenen Daten. Die Statistik über die Ergebnisse der Betriebsprüfungen der Länder vom Oktober 2022 ergibt für das Jahr 2021 ein Mehrergebnis i. H. v. 1,6 Mrd. EUR, für das Jahr 2020 i. H. v. 1,5 Mrd. EUR und für das Jahr 2019 i. H. v. 1,7 Mrd. EUR.[2]

Dazu kommt ein Mehrergebnis i. H. v. 1,31 Mrd. EUR aus Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für das Jahr 2021[3] und ein Mehrergebnis i. H. v. rund 1,53 Mrd. EUR für 2022.[4]

Man muss sicherlich berücksichtigen, dass dies im Bereich der Umsatzsteuer auch Verschiebungen beinhaltet, z. B. durch nachträglichen Wegfall von Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug oder auch bei Erkennen einer Umsatzsteuerpflicht, dass dem Kunden bei Rechnungszugang/-korrektur ein Vorsteuerabzug zusteht, sodass die Mehrergebnisse nicht zwingend ein echtes Steuermehraufkommen widerspiegeln. Trotz allem verdeutlichen diese Zahlen die Bedeutung gerade der Sonderprüfung und die Summen, mit denen sich Unternehmen u. U. (zunächst) belastet sehen können.

Etwaigen Risiken, die je nach Sachlage und Prüfungszeitraum auch zu tatsächlichen Steuermehrbelastungen, Strafen oder Bußgeldern bzw. meist mindestens Zinsschäden führen können, gilt es für Unternehmen durch klar strukturierte Abläufe und laufende Kontrollen vorzubeugen.

Dafür ist es unerlässlich, die gängigen Umsatzsteuerthemen zu kennen, Risiken zu vermeiden (insbesondere bei betrugsanfälligen Geschäften) und die eigenen Prozesse dahingehend zu analysieren und ggfs. nachzubessern. Für Unternehmen ist die Einrichtung und kontinuierliche Pflege eines Tax Compliance Management Systems daher dringend zu empfehlen.

Im Falle der Anordnung einer Umsatzsteuerprüfung sollten daneben möglichst frühzeitig Umsatzsteuerexperten involviert werden, speziell sofern sich Streitpunkte oder kom...

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