Leitsatz

1. Bei der Ermittlung des fremdüblichen Darlehenszinses für ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen steht die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) einem Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe zum Ausgleich der fehlenden Darlehensbesicherung nicht entgegen.

2. Es widerspricht allgemeinen Erfahrungssätzen, wenn das Tatgericht ohne gegenteilige Tatsachenfeststellungen davon ausgeht, dass ein fremder Dritter für ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen denselben Zins vereinbaren würde wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO i.d.F. vom 23.10.2008

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine inländische GmbH, erwarb im Jahr 2012 (Streitjahr) von T sämtliche Anteile an der T-GmbH zu einem Kaufpreis von … EUR. Jene GmbH wurde sodann mit Verschmelzungsvertrag vom … 2012 auf die Klägerin verschmolzen (steuerlicher Übertragungsstichtag: 31.12.2011).

Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Klägerin im Streitjahr bei ihrer Alleingesellschafterin, der D-GmbH, ein Darlehen i.H.v. … EUR auf, das mit 8 % p.a. verzinst wurde (Gesellschafterdarlehen). Die Zinsen waren nicht laufend, sondern erst mit Ablauf des Darlehensvertrags am 31.12.2021 zu entrichten. Sicherheiten waren keine vereinbart. Die D-GmbH nahm ihrerseits Fremdmittel in gleicher Höhe und unter identischen Konditionen von ihren Gesellschaftern auf, u.a. von ihrer niederländischen Gesellschafterin, der N U.A.

Daneben erhielt die Klägerin ein Bankdarlehen i.H.v. … EUR, das mit durchschnittlich 4,78 % p.a. verzinst wurde und vollumfänglich – auch von der D-GmbH – besichert war.

Schließlich erhielt sie vom Verkäufer T ein Verkäuferdarlehen i.H.v. … EUR, das mit 10 % p.a. verzinst wurde und nicht besichert war.

Das Gesellschafterdarlehen war gegenüber allen sonstigen Verbindlichkeiten der Klägerin, insbesondere gegenüber den beiden anderen Darlehensverbindlichkeiten, nachrangig. In ihrer Bilanz zum 31.12.2012 erfasste die Klägerin im Zusammenhang mit dem Gesellschafterdarlehen eine Zinsverbindlichkeit von … EUR.

Das FA legte dem angegriffenen KSt-Bescheid vom 16.2.2016 hinsichtlich des Gesellschafterdarlehens die Auffassung zugrunde, dass fremde Dritte einen Zinssatz von 5 % vereinbart hätten. I. H. d. Differenz zum tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 8 % liege eine vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vor. Daher sei das Einkommen der Klägerin zu erhöhen.

Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Köln, Urteil vom 29.6.2017, 10 K 771/16, Haufe-Index 11364989, EFG 2017, 1812).

 

Entscheidung

Der BFH hat auf die Revision der Klägerin das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückverwiesen. Wegen der Gründe ist auf die Praxis-Hinweise zu verweisen.

 

Hinweis

1. Die Besprechungsentscheidung steht in engem Zusammenhang mit dem im vorherigen Beitrag besprochenen BFH-Urteil zum Az. I R 4/17, das ebenfalls am 18.5.2021 ergangen ist. Der BFH hat beide Entscheidungen zum Anlass genommen, die Maßstäbe für den Fremdvergleich bezüglich konzerninterner unbesicherter Darlehensgewährungen zu präzisieren. Zunächst ist daher auf die zum BFH-Urteil I R 4/17 gegebenen Praxis-Hinweise zu verweisen.

2. Der Schwerpunkt der rechtlichen Prüfung im Verfahren I R 62/17 lag in folgenden Fragen:

a) Gewährt die Muttergesellschaft der Tochtergesellschaft ein (Gesellschafter-)Darlehen, dann ist die hieraus resultierende Rückzahlungsforderung in der Insolvenz der Tochtergesellschaft nachrangig (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Das FG war der Auffassung, dass diese gesetzliche Nachrangigkeit selbst bei Gestellung von Sicherheiten nicht ausgehebelt werden könne und daher keinen Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe rechtfertigen könne.

b) Rechtfertigt es der Umstand, dass die Tochtergesellschaft als Darlehensnehmerin über eine ausreichende finanzielle Substanz verfügt, von einem Risikozuschlag im Zinssatz abzusehen, weil die finanzielle Substanz bereits eine ausreichende Sicherheit für die Darlehensrückzahlung darstellt?

c) Würde ein fremder Dritter als Darlehensgeber für ein unbesichertes und nachrangiges Darlehen denselben Zins vereinbaren wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen?

d) Gibt es einen Markt, auf dem fremde Dritte bereit sind, gegen Zahlung eines höheren "Preises", also einer höheren Verzinsung, unbesicherte Nachrangdarlehen zu gewähren mit der weiteren Folge, dass derartige Darlehen auch zwischen der Mutter- und der Tochtergesellschaft anzuerkennen wären?

3. Die Antworten des BFH auf diese Fragen lauten:

a) Die gesetzliche Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen ist für den Fremdvergleich unbeachtlich. Denn beim Fremdvergleich muss das "Nahestehen" (von Mutter- und Tochtergesellschaft) weggedacht werden. Dann wäre der Darlehensgeber aber kein Gesellschafter, sondern gewissermaßen ein fremder Dritter. Seine Rückzahlungsforderung würde dann aber auch keiner Rangminderung im Insolvenzfall unterliegen.

b) Dass die Toc...

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