Leitsatz

1. Wurde in der DDR nach Überführung des zu einem bebauten Grundstück gehörenden Grund und Bodens in "Eigentum des Volkes" das Gebäude veräußert und sodann dem Erwerber durch Zurechnungsfortschreibung der bisher für das Grundstück samt Gebäude festgestellte Einheitswert zugerechnet, setzte sich die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens nicht im Grund und Boden, sondern im Gebäude fort.

2. Erwirbt der Gebäudeeigentümer nach dem Inkrafttreten des Einigungsvertrags den Grund und Boden hinzu, bestimmen sich die Wertfortschreibungsgrenzen nach dem mit der Zurechnungsfortschreibung fortgeführten, inzwischen noch nicht geänderten Einheitswert.

 

Normenkette

§ 22 Abs. 1, § 24 Abs. 1 Nr. 1, § 129 BewG

 

Sachverhalt

Das in Sachsen belegene und mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück war auf den 1.1.1935 mit 4.950 RM bewertet und nach 1945 in Volkseigentum überführt worden. Nachdem die Kläger 1987 das Nutzungsrecht an dem Gebäude erworben hatten, wurde ihnen im Weg der Fortschreibung das Gebäude auf den 1.1.1988 unter Beibehaltung des auf Mark der DDR umgestellten Einheitswerts, der zum 1.1.1935 für das Grundstück mit Gebäude festgestellt worden war, zugerechnet und in der Folge die Grundsteuer nach diesem Einheitswert erhoben. 1997 erwarben die Kläger den Grund und Boden von der Stadt, auf die das Eigentum an ihm mittlerweile übergegangen war, hinzu.

Im Jahr 1998 erließ das FA zunächst gegenüber der Stadt einen Nachfeststellungsbescheid auf den 1.1.1991, mit dem es für das "unbebaute Grundstück" einen Einheitswert von 1.700 DM feststellte. Sodann erging gegen die Kläger eine Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung auf den 1.1.1998, mit der der Einheitswert bei einer Grundstücksart "Einfamilienhaus" auf 8.600 DM festgestellt wurde.

Die Kläger wandten sich im Ergebnis gegen die Wertfortschreibung und verlangten, das Überschreiten der Fortschreibungsgrenzen an dem Einheitswert von 1935 zu messen und nicht an dem Wert von 1.700 DM. Das FG wies die Klage ab (EFG 2006, 15).

 

Entscheidung

Der BFH folgte den Klägern. Die zum 1.1.1935 aus Grundstück und Gebäude bestehende wirtschaftliche Einheit hat nach der Aufspaltung im Jahr 1987 in dem Gebäude auf fremdem Grund und Boden fortbestanden und ist 1997 durch den Zukauf des Grund und Bodens wieder um diesen ergänzt worden. Durch die Trennung im Jahr 1987 war zwischenzeitlich eine zweite nur aus dem Grund und Boden bestehende wirtschaftliche Einheit neu entstanden, die im Jahr 1987 untergegangen ist. Die Fortschreibungsgrenzen sind an dem Einheitswert für die durchgehend vorhandene wirtschaftliche Einheit zu messen.

 

Hinweis

Die Aufspaltung eines bebauten Grundstücks in den Grund und Boden einerseits und das Gebäude (auf fremdem Grund und Boden) andererseits, zu der es in der DDR gekommen ist, wenn einer Privatperson Eigentum an einem Gebäude auf einem volkseigenen Grundstück verschafft worden ist, wirft die Frage auf, ob dadurch zwei neue wirtschaftliche Einheiten entstanden sind oder ob die wirtschaftliche Einheit in einem der Teile – sei es im Grundstück, sei es im Gebäude – fortbesteht und nur der jeweils andere Teil eine neue wirtschaftliche Einheit darstellt.

Herkömmlicher bewertungsrechtlicher Sicht entspräche es, einen Fortbestand der wirtschaftlichen Einheit im Grund und Boden anzunehmen und im Gebäude eine neue wirtschaftliche Einheit zu sehen.

Diese Sicht lässt sich jedoch nicht auf den dargestellten Sachverhalt, wie er in der DDR vielfach verwirklicht worden ist, übertragen. Sie lässt sich nur insoweit auf derartige Sachverhalte erstrecken, als jedenfalls die Entstehung zweier neuer wirtschaftlicher Einheiten ausscheidet. Die Kontinuität der ursprünglichen wirtschaftlichen Einheit "bebautes Grundstück" wird dagegen durch das Gebäude auf fremdem Grund und Boden gewahrt. Dies ergibt sich aus der Verwaltungspraxis der DDR, die – ausgehend von den Einheitswertbescheiden auf den 1.1.1935 – lediglich eine Zurechnungsfortschreibung gegenüber den Erwerbern der Gebäude vorgenommen und die ursprünglich für Grundstück mit Gebäude erhobene Grundsteuer nach der Aufspaltung allein bei den Gebäudeeigentümern eingezogen hat.

Das volkseigene Vermögen blieb grundsteuerfrei. Soweit die Finanzverwaltung in Abschn. 2.2 des Erlasses des Thüringer Finanzministeriums vom 22.4.1996, 22 G 1120 A-4-201.5 (DStR 1996, 1167) demgegenüber die Ansicht vertritt, die Kontinuität werde durch das Grundstück gewahrt, kann ihr nicht gefolgt werden.

Die praktische Bedeutung der unterschiedlichen Sichtweisen zeigt sich in den Fällen, in denen die Finanzverwaltung in der Zeit zwischen dem 3. Oktober 1990 und der erneuten Vereinigung von Grundstück und Gebäude in der Hand der Gebäudeeigentümer Einheitswertbescheide für die Grundstücke gegenüber denjenigen Kommunen erlassen hat, auf die die ehemals volkseigenen Grundstücke mittlerweile übergegangen waren. Nach der Finanzverwaltung ist dieser Einheitswert aufgrund der erneuten Vereinigung fortzuschreiben und dabei den ehemaligen Gebäudeeigentümern zuzurech...

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