Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung eines materiell-rechtlich fehlerhaften, bestandskräftigen Bescheids über die Feststellung vortragsfähiger Gewerbeverluste

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein bestandskräftiger Verlustfeststellungsbescheid ist für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags und für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts für nachfolgende Erhebungszeiträume auch dann bindend, wenn der Verlustvortrag nach einer formwechselnden Umwandlung materiell-rechtlich mangels Unternehmeridentität unstreitig nicht hätte berücksichtigt werden dürfen.

2. Voraussetzung für die Änderung des Verlustfeststellungsbescheids nach § 35b Abs. 2 GewStG ist eine Änderung der Besteuerungsgrundlagen des Gewerbesteuermessbescheids desselben Erhebungszeitraums.

 

Normenkette

GewStG §§ 10a, 35b Abs. 2; AO § 182 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2004 bis 2008 jeweils vom 26.08.2010 und für 2009 vom 16.09.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.09.2011 werden dahingehend geändert, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf jeweils Null EUR festgesetzt wird.

Die Bescheide über die gesonderte Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31.12.2004 bis 31.12.2008 jeweils vom 26.08.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.09.2011 werden abgeändert. Ausgehend von dem mit Bescheid vom 04.01.2005 auf den 31.12.2003 gesondert festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von 939.398 EUR sind die Verluste fortzuschreiben. Die Berechnung wird dem Beklagten übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der zum 31.12.2002 zu Unrecht bestandskräftig festgestellte Gewerbeverlust i. H. v. 932.283 EUR, durch Verluste aus 2003 erhöht auf 939.398 EUR ab dem Streitjahr 2004 weiterhin vortragsfähig ist.

Die Klägerin, die Aktiengesellschaft, entstand gemäß notariellem Vertrag vom 11.06.2002 durch Formwechsel aus der GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG). Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 27.08.2003. Nach einer Betriebsprüfung (vgl. Bericht vom 08.11.2004 Bl. 5 Bp-Akte) für das Jahr 2002 ermittelte die Prüferin einen vortragsfähigen Gewerbeverlust von 932.283 EUR (Bl. 13 Bp-Akte). Dieser Verlust wurde im Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2002 vom 04.01.2005 (Bl. 6 GewSt-Akte) und im Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2002 vom 04.01.2005 festgestellt. Zusammen mit dem Gewerbeverlust des Jahres 2003 (7.115 EUR) ergab sich laut Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003 vom 04.01.2005 (Bl. 8 GewSt-Akte) ein Verlust von 939.398 EUR. Die nach der Betriebsprüfung geänderten Bescheide vom 04.01.2005 sind bestandskräftig, der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jeweils aufgehoben.

Diesen Verlust nutzte die Klägerin teilweise in den Folgejahren.

Von Oktober 2009 bis April 2010 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung für den Prüfungszeitraum 2004 bis 2007 statt. Dabei wurde u.a. festgestellt, dass die Verluste aus der KG mangels Unternehmeridentität nicht bei der Klägerin zu berücksichtigen seien und der vortragsfähige Gewerbeverlust um 932.283 EUR (Tz. 44 des Bp-Berichtes Bl. 17 Bp.-Akte) zu mindern sei. Der Beklagte meint, der bestandskräftige Verlustfeststellungsbescheid 2002 sei falsch und änderte die darauf basierenden Bescheide. Wegen weiterer, hier unstrittiger Korrekturen, änderte der Beklagte den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 2004 gemäß § 35b Abs. 1 und 2 GewStG und ließ darin den Gewerbeverlust i.H.v. 932.283 EUR nicht mehr zum Abzug zu. Den Bescheid über den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2004 änderte der Beklagte ebenfalls nach § 35b Abs. 1 und 2 GewStG dahingehend, dass ein vortragsfähiger Gewerbeverlust nicht mehr besteht. Ferner wurden die Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge und über die gesonderte Verlustfeststellung 2005 bis 2008 nach § 164 Abs. 2 AO geändert bzw. aufgehoben. Sämtliche hier streitigen Änderungsbescheide ergingen am 26.08.2010. Am 16.09.2010 wurde der Gewerbesteuermessbescheid 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen, ein Verlustfeststellungsbescheid für 2009 erging nicht.

Gegen die vorgenannten Bescheide legte die Klägerin Einsprüche ein und begehrte, den auf den 31.12.2003 bestandskräftig für sie festgestellten Gewerbeverlust ab dem Veranlagungszeitraum 2004 weiterhin als vortragsfähigen und damit jeweils in Höhe des vor Verlustabzug verbleibenden Gewerbeertrags als abziehbaren Gewerbeverlust zu berücksichtigen. Der Beklagte wies...

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