Leitsatz

1. Das Veranlassungsprinzip ist auch für die Steuerbarkeit von sonstigen Bezügen aus Aktien nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zu beachten. Maßgeblich ist hiernach, ob bei wertender Beurteilung das die Vorteilszuwendung auslösende Moment oder – im Fall eines Ursachenbündels – zumindest eines der auslösenden Momente in einem nicht zu vernachlässigendem Ausmaß der Erwerbssphäre zuzuordnen ist (hier: Mitgliedschaftsverhältnis des Aktionärs).

2. Diese Voraussetzung wurde auch dann erfüllt, wenn im Rahmen des zweiten Börsengangs der Deutschen Telekom AG (DT-AG) der Erwerber junger Aktien nach Ablauf der Haltefrist Bonusaktien zugeteilt erhielt. Unerheblich hierfür ist, ob sich der Bonusanspruch zivilrechtlich gegen die DT-AG oder gegen einen Dritten (hier: Bundesrepublik Deutschland als Mehrheitsaktionärin) gerichtet hat.

3. Der Zuflusszeitpunkt sowie die Höhe der Kapitaleinnahmen sind nach den Verhältnissen des einzelnen Aktionärs zu bestimmen (niedrigster Kurswert der DT-Aktien an einer deutschen Börse einschließlich XETRA-Handel am Tag der Depoteinbuchung).

 

Normenkette

§ 8 EStG , § 11 EStG , § 20 EStG

 

Sachverhalt

Der Bund war als Mehrheitsaktionär an der Telekom-AG beteiligt. Diese erhöhte im Juni 1999 im sog. zweiten Börsengang ihr Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien. Privatanleger, die Aktien im Rahmen des Bezugsrechtsangebots erwarben, hatten auch das Recht zum Bezug einer Bonusaktie je zehn neuer Aktien, wenn sie diese ununterbrochen bis zum 31.8.2000 hielten. Die Bonusaktien wurden aus dem Bestand des Bundes gewährt.

Die Kläger – Altaktionäre – erwarben aufgrund des Bezugsrechtsangebots insgesamt 420 neue Aktien inkl. 42 Bonusaktien. Das FA erfasste die Bonusaktien bei den Einnahmen aus Kapitalvermögen. Die Kläger waren der Ansicht, die Bonusaktien hätten die Anschaffungskosten der alten Aktien gemindert und deshalb nicht zu Kapitaleinkünften geführt. Das FG gab der Klage statt (EFG 2002, 1382).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Sache an das FG zurück. Eine Vorteilszuwendung nach 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG liege auch vor, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis lediglich mitveranlasst sei. In diesem Fall komme es zu keiner Anschaffungskostenminderung. Im Übrigen könne offen bleiben, ob Schuldnerin der Bonusaktien die Telekom-AG oder der Bund gewesen sei. Sei die Telekom-AG Schuldnerin gewesen, sei die Bevorzugung der junge Aktien erwerbenden Altaktionäre weder ein sog. Naturalrabatt noch ein sog. Funktionalrabatt noch habe sie zu einer Aufspaltung der Anschaffungskosten für die Altaktien und deren anteiliger Zuordnung zu den Bonusaktien geführt. Sei der Bund Schuldner gewesen, liege eine Vorteilszuwendung von dritter Seite vor. Die mit der Zuteilung verfolgten wirtschaftlichen Ziele seien für die Annahme des Veranlassungszusammenhangs unerheblich.

Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, weil der Zeitpunkt des Zuflusses der Bonusaktien noch geklärt werden müsse. Es bestünden keine Bedenken dagegen, in Übereinstimmung mit der Auffassung der Finanzverwaltung zum dritten Börsengang der Telekom-AG (s. Praxis-Hinweis) hierbei auf die Depoteinbuchung abzustellen und den für diesen Tag zu ermittelnden niedrigsten Kurswert der Telekomaktien an einer deutschen Börse der Besteuerung zugrunde zu legen.

 

Hinweis

Das Urteil betrifft sog. Bonusaktien, die der Erwerber junger Ak?ien im Rahmen des zweiten Börsengangs der Telekom-AG zugeteilt erhielt. Diesen Erwerbern war bereits bei Erwerb der Altaktien im Rahmen des ersten Börsengangs ein Anspruch auf die Bonusaktien unter der Bedingung eingeräumt worden, dass sie eine bestimmte Haltefrist einhalten. Die Tatsache, dass der Anleger bereits mit dem Erwerb der Altaktie in der Form eines Anwartschaftsrechts auf die Bonusaktie einen weiteren Vermögenswert erlangt hat, bedeutet aber nicht zwingend, dass sich die Anschaffungskosten der Altaktie im Zeitpunkt des Zuflusses der Bonusaktie in Höhe des Werts dieser Aktie mindern und anteilig dieser zuzurechnen sind. Jedenfalls dann nicht, wenn das Anwartschaftsrecht – wie hier – nur realisiert werden kann, wenn das über die jungen Aktien aufgebrachte Kapital während der Haltefrist der Gesellschaft zur Nutzung zu überlassen ist.

Die Rechtslage war äußerst umstritten (vgl. etwa Schmidt/Heinicke, EStG, 23. Aufl., § 20 RZ 126); für die Praxis ist sie nunmehr in dem Sinn geklärt, dass die Kapitalnutzung während der Haltefrist die Qualifikation der Bonusaktien als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bestimmt. Diese Beurteilung hat Bedeutung über den entschiedenen Fall hinaus: Für die Zurechnung von Einnahmen reicht es bei allen Einkunftsarten aus, dass sie in nicht ganz untergeordnetem Maß durch einen Bezug zum jeweiligen Einkünftetatbestand mitveranlasst sind. Das nach § 12 EStG für die teils privat veranlassten, teils einkünftebezogenen Einwendungen zu beachtende Aufteilungs- und Abzugsverbot gilt für Einnahmen nicht. Dieser Grundsatz bestimmt auch die Abgrenzung des Ertrags (Bonusaktie) einer Einku...

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