Nachfolgend werden einige Praxisfälle zunächst graphisch dargestellt und dann aus Sicht der Ertragsteuer/VP, der Umsatzsteuer und des Zollrechts kommentiert.

14.3.4.1 Vertriebsstruktur Limited Risk Distributor ("LRD")

Die folgende Darstellung zeigt den Rechnungs- und Warenfluss zwischen einem Strategieträger/Produzenten/Headquarter ("HQ"), einer funktions- und risikoschwachen Vertriebsgesellschaft ("LRD") und einem deutschen Kunden ("BMG" = Bemessungsgrundlage).

Abb. 164: Vertriebsstruktur Limited Risk Distributor ("LRD")

14.3.4.1.1 Ertragsteuerliche/VP-Aspekte

  • LRD vertreibt die Waren im eigenen Namen und auf eigene Rechnung
  • Beurteilung des Funktions- und Risikoprofils der Beteiligten, hier: HQ = Strategieträger, LRD = Routinevertriebsgesellschaft/LRD
  • Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode, hier: z. B. Wiederverkaufspreismethode oder TNMM
  • Angemessenheit der Vergütung für LRD bestimmen: oft Erstellung einer Benchmarking-Studie
  • Ausgestaltung des konzerninternen Vertrags, der im Einklang mit der "tatsächlichen Transaktion" ist
  • Zeitnahe Erstellung einer verwertbaren VP-Dokumentation für die konzerninternen Geschäftsvorfälle

14.3.4.1.2 Umsatzsteuerliche Aspekte

  • Die Beteiligten (HQ und LRD) sollten sich über die Verzollungsverantwortung einigen, da diese einen maßgebenden Einfluss auf die umsatzsteuerliche Behandlung des Vorgangs in Deutschland hat.
  • Übernimmt HQ die Verzollung in Deutschland, erbringt HQ eine im Inland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung und muss sich in diesem Fall für umsatzsteuerliche Zwecke in Deutschland registrieren lassen und infolgedessen Umsatzsteuererklärungen bzw. -voranmeldungen einreichen.
  • Für die Verzollung in Deutschland muss HQ zollrechtlich einen in der EU ansässigen sog. "indirekten Zollvertreter" benennen, der die Zollanmeldung im eigenen Namen und für Rechnung von HQ abgibt. Da der indirekte Vertreter gemeinsam mit HQ Zollschuldner wird, weigern sich viele Spediteure, eine indirekte Vertretung zu übernehmen. Gegebenenfalls kann der LRD (oder eine andere in der EU ansässige verbundene Gesellschaft) die Aufgabe des indirekten Vertreters übernehmen.
  • Die Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) bestimmt sich nach dem Zollwert zzgl. Hinzurechnungen (z. B. ausländische Steuern und Abgaben, Kosten für Vermittlung und Transport zum ersten Bestimmungsort).
  • Die Verfügungsmacht zum Zeitpunkt der Einfuhr ist ferner entscheidend für die Frage des Vorsteuerabzugs der EUSt. Die Verfügungsmacht richtet sich in der Regel danach, welches Unternehmen zum Zeitpunkt des Imports (Abfertigung zum freien Verkehr) wirtschaftlicher Eigentümer der Waren ist. Nimmt HQ die Verzollung vor, wird HQ als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen und kann die EUSt als Vorsteuer in Abzug bringen. Nimmt hingegen LRD (ggf. über einen Verzollungsagenten) die Verzollung vor, wird LRD als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen und kann die EUSt als Vorsteuer in Abzug bringen.
  • LRD hat dem Kunden deutsche Umsatzsteuer zu berechnen.

14.3.4.1.3 Zollrechtliche Aspekte

  • Zollanmelder im Sinne des Zollrechts kann HQ oder LRD sein (vgl. umsatzsteuerliche Aspekte). Grundsätzlich kann nur Zollanmelder sein, wer im Zollgebiet der EU ansässig ist (Ausnahme: in der Schweiz ansässige Unternehmen, die über grenznahe Zollstellen – z. B. Basel – importieren).
  • Zollwertermittlung: Handelt es sich bei den Warenlieferungen zwischen HQ und LRD um Kaufgeschäfte, so kann ohne Beeinflussung des Kaufpreises im Rahmen der zollwertrechtlichen Verbundenheit die Transaktionswertmethode angewandt werden. Zu den Folgen einer Preisbeeinflussung siehe Kapitel 14.3.2.

14.3.4.2 Vertriebsstruktur Agent

Die folgende Darstellung zeigt den Rechnungs- und Warenfluss zwischen einem Strategieträger/Produzenten/Headquarter ("HQ"), einem funktions- und risikoschwachen Agenten und einem deutschen Kunden ("BMG" = Bemessungsgrundlage).

Abb. 165: Vertriebsstruktur Agent

14.3.4.2.1 Ertragsteuerliche/VP-Aspekte

  • Agent vertreibt im fremden Namen und auf fremde Rechnung von HQ
  • Beurteilung des Funktions- und Risikoprofils der Beteiligten, hier: HQ = Strategieträger, Agent = Routineunternehmen
  • Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode, hier: z. B. umsatzabhängige Provision
  • Angemessenheit der Vergütung für Agent bestimmen: oft Erstellung einer Benchmarking-Studie
  • Ausgestaltung des konzerninternen Vertrags, der im Einklang mit der "tatsächlichen Transaktion" ist
  • Zeitnahe Erstellung einer verwertbaren VP-Dokumentation für die konzerninternen Geschäftsvorfälle
  • Aufgrund des BEPS Aktionspunktes 7 besteht zukünftig ein Betriebsstättenrisiko des HQ in Deutschland
  • Falls Abschmelzung von einem Eigenhändler zu einem Agenten: mögliches Funktionsverlagerungsrisiko

14.3.4.2.2 Umsatzsteuerliche Aspekte

  • HQ erbringt im Anschluss an den Import der Ware (nach Lagerung) eine im Inland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung an den Kunden und muss sich für umsatzsteuerliche Zwecke in Deutschland registrieren lassen.
  • HQ hat Verfügungsmacht zum Zeitpunkt der Einfuhr und ist daher zum Vorsteuerabzug aus der EUSt berechtigt.
  • Die Bemessungsgrundlage für die EUSt bestimmt sich nach dem festgestellten Zollwert zuzüglich des zu entrichtenden Zollbetrages und ggf. Beförderungs- und Versicherungskosten, bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren sind darüber hinaus die...

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