OFD Frankfurt, 24.1.2012, S 0130 A - 85 - St 23

 

1. Aussagen von Bediensteten der Finanzverwaltung vor Strafverfolgungsbehörden und Gerichten

 

1.1 Aussagen als Zeuge

Der Beamte bedarf für Aussagen vor Strafverfolgungsbehörden und Gerichten als Zeuge über Angelegenheiten, die ihm bei seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgeworden sind, der Genehmigung des Dienstvorgesetzten (§ 75 HBG). Entsprechendes gilt für die nichtbeamteten Bediensteten hinsichtlich der nach § 9 Abs. 1 BAT und § 11 Abs. 1 MTArb der Schweigepflicht unterliegenden Angelegenheiten.

Die Aussagegenehmigung, die von der vernehmenden Stelle von Amts wegen einzuholen ist (Nr. 48 AStBV (Steuer) und Nr. 66 RiStBV), ist nach anliegendem Muster (Anlage) zu erteilen. Sie befreit den Bediensteten nur von der Pflicht zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit, entbindet ihn aber nicht von der Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses. Der Bedienstete muss deshalb auch im Falle der Erteilung der Aussagegenehmigung grundsätzlich in eigener Verantwortung prüfen, ob für die Offenbarung von Kenntnissen, die unter das Steuergeheimnis fallen, einer der sich aus § 30 Abs. 4 und Abs. 5 AO ergebenden Rechtfertigungsgründe gegeben ist.

In einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder in einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit kann sich die Befugnis zur Offenbarung von dem Steuergeheimnis unterliegenden Kenntnissen in erster Linie aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ergeben. Danach ist die Offenbarung zulässig, wenn sie der Durchführung des Verfahrens, d.h. der Verfolgung der Steuerverfehlungen dient. Insoweit darf auch über Verhältnisse anderer Personen als des Beschuldigten ausgesagt werden, wenn diese mit der Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist, zusammenhängen. Bei Fragen des Richters, des Staatsanwalts oder des Verteidigers des Beschuldigten wird der als Zeuge aussagende Bedienstete in der Regel davon ausgehen können, daß die Beantwortung der Durchführung der Ermittlungen dienlich ist. Lediglich bei Fragen, die mit dem Gegenstand des Verfahrens offensichtlich nichts zu tun haben, ist dem Gericht zu erklären, daß das Steuergeheimnis die Aussage verbietet.

Im Rahmen eines berufsgerichtlichen Verfahrens gegen Personen im Sinne der §§ 3 und 4 Nr. 1 und 2 StBerG ist ein Offenbaren nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO i.V.m. § 10 StBerG zulässig (AEAO zu § 30, Nr. 5). Die Offenbarungsbefugnis erstreckt sich lediglich auf Vorgänge, welche die Berufspflichtverletzung betreffen.

In allgemeinen Strafverfahren wegen einer nichtsteuerlichen Straftat kann sich die Befugnis zur Aussage – sofern der Steuerpflichtige der Offenbarung nicht zustimmt – vornehmlich aus § 30 Abs. 4 Nr. 4 und 5 sowie Abs. 5 AO ergeben.

 

1.2 Aussagen als Sachverständiger oder sachverständiger Zeuge

Die vorstehend unter Nr. 1.1 dargelegten Grundsätze für Aussagen von Bediensteten als Zeugen gelten für Aussagen als Sachverständige oder sachverständige Zeugen entsprechend.

 

1.3 Aussagen als Beschuldigter

Wird ein Bediensteter einer Straftat im Amt oder einer anderen strafbaren Handlung bei Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit beschuldigt, so kann er Verhältnisse eines anderen auch ohne dessen Zustimmung offenbaren, soweit sich diese unmittelbar auf den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens oder der Anklage beziehen und die Offenbarung zu seiner Verteidigung unbedingt erforderlich ist. Die Befugnis hierzu kann sich in der Regel nur aus § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ergeben, wenn die Aussage im Hinblick auf die Aufklärung dienstlicher Verfehlungen und das Recht des Bediensteten auf Verteidigung im zwingenden öffentlichen Interesse liegt. Dies kann jedenfalls dann angenommen werden, wenn es sich bei der in Rede stehenden Straftat des Bediensteten um eine schwerwiegende Straftat handelt, also zumindest um eine der Taten, von erheblichem Gewicht, wie sie im 30. Abschnitt des Strafgesetzbuches als „Straftaten im Amt” zusammengefasst sind, vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.10.2007, NStZ 2009 S. 162 ff.

Bei dem strafrechtlichen Verfahren gegen einen Bediensteten handelt es sich um ein eigenständiges Verfahren, das in der Regel nicht der Durchführung eines steuerlichen Verfahrens i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO dient. Lediglich, wenn Anhaltspunkte für eine Steuerverkürzung oder andere Verletzung steuerlicher Pflichten durch den Steuerpflichtigen – nicht den Bediensteten – bestehen, läßt sich die Offenbarungsbefugnis auf § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO stützen. Aber selbst dann tritt § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO lediglich neben § 30 Abs. 4 Nr. 5, weil Grund der Offenbarungsbefugnis in erster Linie die Wahrung der Grundrechte des Bediensteten ist.

 

1.4 Aussagen in Amtshaftungsprozessen

In Amtshaftungsprozessen (zivilrechtliche Verfahren gegen das Land Hessen) wegen steuerlicher Falschbehandlung trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Infolgedessen stimmt er konkludent einer Offenbarung seiner streitbefangenen Angelegenheit zu, soweit sie zur Aufklärung seiner vermeintlichen Ansprüche erforderlich ist (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO).

Wegen der Offenbarung von Ve...

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