Der Haftungsbescheid kann gegen den Geschäftsführer nur ergehen, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind und das Finanzamt sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat. Ob die Voraussetzungen der Haftung erfüllt sind, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung. Hingegen prüft das Finanzgericht die sich anschließende Ermessensentscheidung nur auf Ermessensfehler (§ 102 FGO).

Das Finanzamt nutzt sein Ermessen nur dann ordnungsgemäß, wenn es geprüft hat, ob überhaupt ein Haftungsbescheid ergehen soll (Entschließungsermessen) und begründet, warum es unter mehreren denkbaren Haftungsschuldnern die konkrete Person in Anspruch nimmt (Auswahlermessen).

Einwendungen gegen den Haftungsbescheid als Ermessensentscheidung sollten vorsorglich spätestens im Einspruchsverfahren vorgetragen werden.

 
Praxis-Beispiel

Unmögliche Rückzahlungwegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit

So kann die erstmalige Geltendmachung von neuem Sachvortrag im Klageverfahren ggf. zu spät sein. Der BFH hat beispielsweise in einem Fall entschieden, dass die Unmöglichkeit der Rückzahlung einer Investitionszulage wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung hätten vorgetragen und belegt werden müssen.[1]

Diese BFH-Entscheidung sollte vorsorglich in sämtlichen Haftungsfällen beachtet werden, so dass alle Einwände gegen einen Haftungsbescheid bereits im Einspruchsverfahren geltend gemacht werden sollten. Dies gilt inbesondere auch für alle Aspekte, die mit der Ermessensentscheidung des Finanzamts zusammenhängen. Ansonsten droht das Risiko, dass das Finanzgericht einen Einwand als verspätet zurückweist.

3.1 Entschließungsermessen

Für das Entschließungsermessen genügt es i. d. R., dass das Finanzamt angibt, dass eine Vollstreckung bei der GmbH voraussichtlich erfolglos sein wird bzw. erfolglos war. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bereits das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet wurde.

 
Wichtig

Wenn das Finanzamt seine Vollstreckungsmöglichkeiten gegen die GmbH nicht sorgfältig genutzt hat, kann in diesem Umstand ein Mitverschulden des Finanzamts liegen. Nach der BFH-Rechtsprechung ist ein Haftungsbescheid deshalb ermessens- und daher rechtswidrig, wenn die Vollstreckung durch das Finanzamt fehlgeschlagen ist, weil es zuvor eine besonders grobe Pflichtverletzung begangen hat. Eine solche Pflichtverletzung kann z. B. darin bestehen, dass die Vollstreckungsstelle des Finanzamts jahrelang nicht gegen die GmbH vollstreckt, weil die Akte nicht bearbeitet wird. Der steuerliche Berater sollte also ggf. Akteneinsicht nehmen.

3.2 Auswahlermessen

Weiterhin muss das Finanzamt entscheiden und begründen, wen es als Haftungsschuldner in Anspruch nehmen will. Insofern kommen in Betracht:

  • Der amtierende Geschäftsführer,
  • ein früherer Geschäftsführer,
  • weitere Geschäftsführer und
  • der faktische Geschäftsführer.

Die Auswahl des im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführers kann das Finanzamt – wenn die weiteren Haftungsvoraussetzungen vorliegen – bereits dadurch begründen, dass es auf dessen Eintragung im Handelsregister verweist.

Wenn sich ein Nachfolgegeschäftsführer nicht ordnungsgemäß um die vorgefundenen Steuerschulden der GmbH kümmert, ist es grundsätzlich ermessensgerecht, ihn insofern in Haftung zu nehmen.

Da sämtliche Geschäftsführer gegenüber dem Finanzamt nach dem Prinzip der Allzuständigkeit für die steuerlichen Belange der GmbH zuständig sind, kann das Finanzamt auch sämtliche Geschäftsführer in Anspruch nehmen. Ein Geschäftsführer kann sich also grundsätzlich nicht darauf berufen, dass nach der internen Arbeitsteilung ein anderer Geschäftsführer für die steuerlichen Belange zuständig war. Dieses Argument ist nur dann relevant, wenn der intern unzuständige Geschäftsführer nachweisen kann, dass ihn kein Überwachungsverschulden trifft.

Ein faktischer Geschäftsführer kann nur in Anspruch genommen werden, wenn das Finanzamt seine Rolle durch hinreichende Indizien bewiesen hat.

3.3 Ermessenserwägungen

Wenn das Finanzamt nur eine bestimmte Person unter mehreren potenziellen Haftungsschuldnern in Anspruch nimmt, ist stets zu prüfen, ob das Finanzamt diese Auswahl sachgerecht vorgenommen hat.

 
Praxis-Beispiel

Ein Haftungsbescheid gegen einen von zwei Gesellschafter-Geschäftsführern darf nicht damit begründet werden, dass dieser zu einem höheren Anteil beteiligt ist. Zulässig ist hingegen eine Haftung sämtlicher Geschäftsführer nach Köpfen. Insbesondere ist es zulässig, wenn das Finanzamt sämtliche potenziellen Haftungsschuldner durch Haftungsbescheide in Anspruch nimmt. Das Finanzamt muss sein Auswahlermessen in diesem Fall nicht besonders begründen.

Wird ein Geschäftsführer für Lohnsteuer in Anspruch genommen, sollten die Ermessenserwägungen des Finanzamts in der Begründung des Haftungsbescheids besonders sorgfältig geprüft werden. Denn in diesem Fall passieren oftmals Fehler, aufgrund derer der Haftungsbescheid durch Einspruch angefochten werden kann. Insofern ist zu beachten, dass die GmbH ihre...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge