Rz. 27

Sind Gewerbetreibende aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder kommen sie dem freiwillig nach, müssen sie das Betriebsvermögen nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ansetzen.[1] Wenn also die Bilanzierung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vorgeschrieben ist, ist das auch in der Steuerbilanz zu beachten.

Bilanzierungsgebote ergeben sich aus folgenden Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung:

  • Grundsatz der Vollständigkeit,
  • Realisationsprinzip,
  • Imparitätsprinzip und
  • Grundsatz der Periodenabgrenzung.

2.1.2.1 Grundsatz der Vollständigkeit

 

Rz. 28

Der Grundsatz der Vollständigkeit wurde in § 246 Abs. 1 HGB gesetzlich festgeschrieben (Rz. 22).

 

Rz. 29

Dieses Gebot wird insoweit eingeschränkt, als nur die Posten zu bilanzieren sind, die dem Unternehmer sachlich zuzuordnen sind. Sie müssen daher nicht nur im wirtschaftlichen Eigentum des Unternehmers stehen, sondern auch zu seinem Unternehmens- bzw. Geschäftsvermögen gehören.

 

Rz. 30

Diese Bilanzierungsgrundsätze gelten auch für die Steuerbilanz. Aufgrund der Besonderheiten im Einkommensteuerrecht hat der Begriff "Betriebsvermögen" im Steuerrecht teilweise einen vom handelsrechtlichen Begriff "Unternehmens- oder Geschäftsvermögen" abweichenden Inhalt. Aus diesem Grund kann die Bilanzierung in Handels- und Steuerbilanz voneinander abweichen (Rz. 94 ff.).

2.1.2.2 Realisationsprinzip

 

Rz. 31

Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB sind Gewinne nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Mit Gewinnen sind hier Erträge gemeint. Erträge dürfen erst dann ausgewiesen werden, wenn der zur Lieferung oder Leistung Verpflichtete die von ihm nach dem Vertrag geschuldete Leistung erbracht hat.

Hieraus ergibt sich zum Beispiel, dass Forderungen aus Warenlieferungsverträgen erst dann zu bilanzieren sind, wenn der Lieferant seine Verpflichtung aus dem Vertrag voll erfüllt hat (Gefahrübergang).[1] Auf der anderen Seite werden Erträge nicht erst dann ausgewiesen, wenn der Lieferungs- oder Leistungsempfänger den Preis bezahlt oder überwiesen hat.[2]

 

Rz. 32

Zum Beispiel sind Kaufverträge gegenseitige Verträge. An ihnen sind 2 Vertragspartner beteiligt. Jedem Vertragspartner steht gegenüber dem anderen Vertragspartner ein Anspruch zu. Solange ein Vertragspartner nicht geleistet hat, besteht zwischen den gegenseitigen Ansprüchen ein Schwebezustand, der auch "schwebendes Geschäft" genannt wird.

 
Praxis-Beispiel

Verkäufer V verkauft dem Käufer K Waren für 5.000 EUR. Solange V nicht geliefert hat, kann er den Kaufpreis von K nicht verlangen. Würde er das tun, könnte K die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erheben und die Zahlung verweigern. Die Forderung ist also noch nicht realisiert, darf daher nicht bilanziert werden. Gewinne bzw. Erträge aus schwebenden Geschäften dürfen daher nicht ausgewiesen werden.[3]

2.1.2.3 Imparitätsprinzip

 

Rz. 33

Ebenfalls wie das Realisationsprinzip ist das Imparitätsprinzip in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB kodifiziert. Hiernach sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind.

Unter "Verluste" sind sog. negative Erfolgsbeiträge zu verstehen, die als Aufwendungen in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werden.[1] Aufwendungen werden in das abgelaufene Geschäftsjahr vorgezogen (antizipiert), obwohl sie noch nicht realisiert worden sind. Durch das Imparitätsprinzip werden also Aufwendungen den Erträgen (Rz. 31) ungleich (impar) behandelt. Daher der Name "Imparitätsprinzip".

 

Rz. 34

Durch Vorwegnahme der vorhersehbaren Risiken und Verluste soll verhindert werden, dass Beträge ausgeschüttet werden, die in der Zeit nach dem Bilanzstichtag benötigt werden, um negative Erfolgsbeiträge des abgelaufenen Geschäftsjahres zu decken. Das Imparitätsprinzip bezweckt daher die Kapitalerhaltung und sichert so die Fortführung der Unternehmen. Hiermit wird dem Vorsichtsgedanken Rechnung getragen.

 

Rz. 35

Die Verlustantizipation wird gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB durch 2 Voraussetzungen beschränkt:

  1. Die Risiken und Verluste müssen bis zum Abschlussstichtag entstanden sein.
  2. Sie müssen vorhersehbar sein.
 

Rz. 36

Bei der Bilanzierung wird das Imparitätsprinzip durch das Gebot der Bilanzierung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB konkretisiert (Rz. 21). In den Bewertungsvorschriften des § 253 Abs. 3 und 4 HGB kommt es zum Ausdruck im Niederstwertprinzip für die Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (Rz. 71 ff.) und Umlaufvermögens (Rz. 82 ff.).

 
Praxis-Beispiel

Unternehmer U kaufte am 15.12.01 30.000 kg Rohstoffe zum Festpreis von 20 EUR pro kg. Dieser Preis entsprach am 15.12.01 dem Marktpreis. Geliefert wurde am 10.1.02. Am...

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