Rz. 59

Der Wechsel der steuerlichen Gewinnermittlungsart macht eine Anpassungsrechnung an die neue Gewinnermittlungsart erforderlich.[1] Diese Anpassungsrechnung soll sicherstellen, dass alle Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben einmal erfasst werden. Anderenfalls würden einige Sachverhalte nicht bzw. doppelt bei der Gewinnermittlung berücksichtigt.

Der Beginn oder das Ende der alten bzw. neuen Gewinnermittlung ist in der Regel mit einer Anfangs- bzw. Schlussbilanz verbunden. Da diese Bilanz dann der Anknüpfungspunkt einer neuen bzw. der Endpunkt einer alten Finanzbuchhaltung ist, handelt es sich um eine Sonderbilanz.

[1] Vgl. R 4.6 EStR und Anlage zu R 4.6. Zu den Besonderheiten beim Wechsel von und nach Gewinnermittlung gemäß § 13a EStG, vgl. BMF, Schreiben v. 10.11.2015, BStBl 2015 I S. 877.

6.1 Unterschiede zwischen der Einnahmen-Überschussrechnung und dem Vermögensvergleich

 

Rz. 60

Bei den Gewinneinkunftsarten (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) wird der Gewinn besteuert. Der Gewinn wird grundsätzlich durch Betriebsvermögensvergleich (Bestandsvergleich) ermittelt. Der einfache Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG erfordert keine doppelte Buchführung mit selbstständiger Gewinn- und Verlustrechnung.[1] Kaufleute müssen allerdings eine doppelte Buchführung mit Gewinn- und Verlustrechnung erstellen (§§ 238, 242 HGB).

Für kleine Gewerbetreibende, die keine Kaufleute sind, Land- und Forstwirte und Selbstständige/Freiberufler besteht die Möglichkeit, den Gewinn durch eine Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG), einer sogenannten Kassenrechnung, zu ermitteln.[2] Dies ist in der Regel vorteilhafter, da es einen geringeren administrativen Aufwand verursacht.

 

Rz. 61

In der Sache führen beide Verfahren zu einer Besteuerung des Totalgewinns. Es besteht allerdings ein wesentlicher Unterschied. Bei der Einnahmen-Überschussrechnung erfolgt keine periodengerechte Zuordnung von Ertrag und Aufwand. Es gibt also keinen Raum für Rechnungsabgrenzungsposten, Teilwertabschreibungen oder Rückstellungen.[3] Die zeitliche Zuordnung erfolgt stattdessen nach dem Zufluss-/Abflussprinzip (§ 11 Abs. 1,2 EStG). Der Steuerpflichtige kann im Gegensatz zum Bestandsrechner den Erfolg einer Periode durch die Steuerung von Einnahmen und Ausgaben beeinflussen. Einige Ausnahmen vom reinen Kassenprinzip sollen eine vollkommene Verzerrung des Periodengewinns verhindern. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten für die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sind erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme zu berücksichtigen und über die Nutzungsdauer abzuschreiben (§ 4 Abs. 3 Satz 4 EStG).

 

Rz. 62

Die Bildung von gewillkürtem Betriebsvermögen ist bei der Einnahmen-Überschussrechnung möglich.[4] Der Ausschluss der Möglichkeit zur Bildung von gewillkürtem Betriebsvermögen würde zu einer Abweichung des Totalgewinns zwischen Einnahmen-Überschussrechnung und Betriebsvermögensvergleich führen.[5] Die Finanzverwaltung verlangt für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum gewillkürten Betriebsvermögen einen zeitnahen Nachweis über die Zuordnung und den Zuordnungszeitpunkt.[6]

[1] Vgl. Winnefeld, Bilanzhandbuch, 5. Aufl. 2015, A Rz. 713.; Märtens, in Gosch, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, § 141 Rz. 30, Stand: 8/2016.
[3] Vgl. auch zu der damit verbundenen Kritik auf den Verzicht von Teilwertabschreibungen Kanzler, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG KStG Kommentar, § 4 Rz. 536, Stand: 12/2019.
[4] Vgl. Kanzler, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG KStG Kommentar, § 4 Rz. 537, Stand: 12/2019.

6.2 Gründe für den Wechsel der Gewinnermittlungsart

 

Rz. 63

Ein Wechsel von den Einnahmen-Überschussrechnern zum Bestandsvergleich beruht in der Regel darauf, dass der Steuerpflichtige buchführungspflichtig wird oder sich als Einnahme-Überschussrechner freiwillig für die Bilanzierung entscheidet. Ein Wechsel vom Bestandsvergleich zur Einnahmen-Überschussrechnung erfolgt grundsätzlich freiwillig.[1]

6.3 Ansatz und Bewertung in der Übergangsbilanz

 

Rz. 64

Beim Wechsel von der Einnahmen-Überschussrechnung zum Bestandsvergleich sind in der Anfangsbilanz (auch Übergangsbilanz genannt) die Wirtschaftsgüter anzusetzen, die bereits zuvor zum Betriebsvermögen gehört haben.[1] Das gilt auch für die in § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG genannten Wirtschaftsgüter.[2] Es sind erstmalig Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten in der Übergangsbilanz zu bilanzieren.[3]

 

Rz. 65

Die Wirtschaftsgüter sind in der Übergangsbilanz so zu bewerten, als hätte der Steuerpflichtige von Anfang an seinen Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelt.[4] Es gelten die Regelungen des § 6 EStG, d. h. grundsätzlich die Bewertung zu den (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten.[5] Ziel der Übergangsbilanz ist es nicht, im Zeitpunkt des Übergangs zum Bestandsvergleich die stillen Reserven aufzudecken, sondern die nicht oder doppelte Berücksichtigung von Betriebseinnahmen bzw. Betriebsausgaben zu verhindern.[6]

 

Rz. 66

Beim Übergang von Bestandsvergleic...

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