Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Zwang zur Gewinnermittlung bei Land- und Forstwirten

 

Leitsatz (NV)

Ein Land- und Forstwirt, für dessen Betrieb die Voraussetzungen für die Ermittlung des Gewinns nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG weggefallen sind und der nicht kraft Gesetzes zur Buchführung verpflichtet ist, kann nicht durch Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich oder durch Ansatz des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben gezwungen werden.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 90, 140 ff., §§ 149-150, 162; EStG § 4 Abs. 1, 3, §§ 13a, 25 Abs. 3; UStG § 22

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) teilte dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) durch Verfügung vom 15. Mai . . . mit, daß für seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb die Voraussetzungen für eine Ermittlung des Gewinns nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) weggefallen seien, weil der Ausgangswert i.S. des § 13a Abs. 4 EStG mehr als 32000 DM betrage (§ 13a Abs. 1 Nr.2 EStG). Das FA bat den Kläger, ab 1. Juli . . . den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn zu ermitteln, was durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG) oder durch Buchführung (Bestandsvergleich, § 4 Abs. 1 EStG) erfolgen könne. Diese Verfügung wurde bestandskräftig.

Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach. Das FA ermittelte daraufhin seine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für die folgenden Wirtschaftsjahre durch Schätzung nach Richtsätzen.

Mit - mehr als sechs Jahre später ergangenen - Verfügung vom 15. Oktober . . . bat das FA den Kläger unter Hinweis auf den vorausgegangenen bestandskräftigen Verwaltungsakt, bis zum 30. November . . . anzugeben, wie er den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn ermittele, und dies durch geeignete Unterlagen nachzuweisen. Da der Kläger auch dieser Aufforderung nicht nachkam, drohte ihm das FA für den Fall der Nichtabgabe der geforderten Erklärung die Festsetzung eines Zwangsgeldes von 1000 DM an (Verfügung vom 5. Dezember . . .), das mit Verfügung . . . auch festgesetzt wurde. Die Beschwerden gegen die Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes, mit denen der Kläger auf die Möglichkeit der Schätzung seines Gewinns verwies, wurden von der zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) zurückgewiesen.

Auf die Klage des Klägers hob das Finanzgericht (FG) die Verfügungen des FA über die Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes ersatzlos auf. Das FG führte aus, auf den bestandskräftigen Verwaltungsakt vom 15. Mai . . . ließen sich die Androhungs- und Festsetzungsverfügungen nicht stützen. Dessen Regelungsgehalt erschöpfe sich in der Mitteilung, daß der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft künftig nicht mehr nach Durchschnittssätzen zu ermitteln sei. Die gleichzeitig ausgesprochene ,,Bitte", ab 1. Juli . . . den tatsächlichen Gewinn zu ermitteln, was durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben oder durch Buchführung erfolgen könne, stelle keine Regelung eines Einzelfalles dar, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sei (§ 118 der Abgabenordnung - AO 1977 -).

Die späteren Anordnungsverfügungen, mit denen der Kläger aufgefordert worden sei, den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG zu ermitteln und dies durch geeignete Unterlagen nachzuweisen, sowie die Androhungs- und Festsetzungsverfügungen seien rechtswidrig. Für den Kläger bestehe keine Buchführungspflicht gemäß § 141 Abs. 1 AO 1977, wovon auch das FA und die OFD ausgingen. Unmittelbar auf § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 3 EStG könne eine Verpflichtung zur Buchführung bzw. zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben nicht gestützt werden. Die Vorschriften begründeten keine Handlungspflichten, sondern seien lediglich Hilfsnormen, die im einzelnen bestimmten, wie der Gewinn zu ermitteln sei. Sonstige Einnahmen- oder Betriebsausgaben-Aufzeichnungspflichten seien nicht ersichtlich. Auch im Schrifttum werde die Möglichkeit für die Finanzverwaltung verneint, bei Land- und Forstwirten, die nicht buchführungspflichtig seien und auf die § 13a EStG keine Anwendung finde, mit Zwangsmitteln die Ermittlung des tatsächlich erwirtschafteten Gewinns zu erzwingen. Wenn diese von ihrem Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 3 EStG keinen Gebrauch machten, verbleibe die Möglichkeit der Schätzung nach § 162 AO 1977.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht das FA geltend, entgegen der Rechtsauffassung des FG von dem Hilfsnormencharakter des § 4 EStG ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), daß ein bestehendes Wahlrecht des Steuerpflichtigen zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 3 EStG im Sinne einer Wahlpflicht, und zwar spätestens zu Beginn eines Wirtschaftsjahres auszuüben sei (Urteil vom 2. März 1978 IV R 45/73, BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431, 433). Für die Dokumentation der Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG verlange der BFH zumindest eine sog. ,,Schuhkarton-Buchführung" zum Sammeln der Einnahme- und Ausgabebelege (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1989 III R 30-31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287). Die Pflicht zur Wahl einer bestimmten Gewinnermittlungsart folge auch aus der Systematik des EStG (Pflicht zur Abgabe der Einkommensteuererklärung und damit zur Ermittlung des Einkommens und der Einkünfte, §§ 1, 2, 25 Abs. 3 EStG).

Das FG habe verkannt, daß der bestandskräftige Verwaltungsakt vom 15. Mai . . . auch hinsichtlich der darin enthaltenen ,,Bitte" um künftige Ermittlung des tatsächlich erwirtschafteten Gewinns eine Einzelfallregelung und damit einen vollziehbaren Verwaltungsakt i.S. des § 328 AO 1977 enthalte. Die Aufforderung an den Kläger sei lediglich in die gebotene Höflichtkeitsform gekleidet. Zu Unrecht sei auch das FG davon ausgegangen, der Kläger habe ein Recht, seinen Gewinn schätzen zu lassen. Mit dieser Auffassung werde der Sinn der Schätzung verkannt. Die Schätzung sei dann nicht mehr das letzte, die Unmöglichkeit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen voraussetzende Mittel zur Steuerfestsetzung, sondern eine anerkannte Alternative zur Abgabe einer richtigen Steuererklärung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß das FA im Streitfall nicht berechtigt war, den Kläger durch Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Ausübung des ihm zustehenden Wahlrechts zur Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) oder durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG) zu zwingen und sich zu diesem Zwecke die Art der Gewinnermittlung durch geeignete Unterlagen (zwangsweise) nachweisen zu lassen.

1. Gemäß § 328 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 kann ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder auf Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Die formellen Voraussetzungen der Androhung und anschließenden Festsetzung des Zwangsgeldes, das hier als Zwangsmittel gewählt worden ist (§§ 329, 332, 333 AO 1977), sind im Streitfall erfüllt. Die Anwendung eines Zwangsmittels ist aber nur dann zulässig, wenn der Verwaltungsakt, der zwangsweise durchgesetzt werden soll, rechtmäßig ist; insbesondere muß er inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO 1977; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 328 AO 1977 Tz.3 und 19). Bei der Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes handelt es sich ferner um eineErmessensentscheidung (Tipke/Kruse, a.a.O., § 328 AO 1977 Tz.19). Das Zwangsmittel muß in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck stehen (§ 328 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Dabei kann es unter Umständen für die Behörde geboten sein, anstelle der Erzwingung einer Handlung - hier die Ermittlung des Gewinns durch den Steuerpflichtigen - sogleich von einer Schätzungsmöglichkeit Gebrauch zu machen (Tipke/Kruse, a.a.O., § 328 AO 1977 Tz.19).

Im Streitfall ist die Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes gegen den Kläger deshalb rechtswidrig, weil für die Anordnungsverfügung, den Gewinn wahlweise durch Buchführung (Bestandsvergleich) oder durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben zu ermitteln und die Art der Gewinnermittlung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt mitzuteilen und ,,durch geeignete Unterlagen nachzuweisen", keine Rechtsgrundlage besteht. Ferner ist der Verwaltungsakt, dessen Befolgung erzwungen werden soll, nicht hinreichend bestimmt, da er keine genauen Angaben darüber enthält, welche Aufzeichnungen der Kläger zum Zwecke der Gewinnermittlung führen und welche Unterlagen er dem FA zum Zwecke des Nachweises vorlegen soll. Die dem Kläger gesetzte Frist ist zudem nicht ermessensgerecht.

2. Nach der Rechtsprechung des Senats kann im Verfahren gegen die Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern jedenfalls dann nicht mehr über die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Anordnungsverfügung entschieden werden, wenn diese unanfechtbar geworden ist. Denn Einwendungen gegen den zu erzwingenden Verwaltungsakt sind nach § 256 AO 1977 außerhalb des Festsetzungsverfahrens (= Vollstreckungsverfahrens) mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1981 VII R 13/80, BFHE 135, 141, BStBl II 1982, 371).

Die Revision vertritt aber zu Unrecht die Auffassung, daß auf Grund der bestandskräftigen Verfügung vom 15. Mai . . ., die neben der Mitteilung über den Wegfall der Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen (§ 13a Abs. 1 Nr.2 EStG) die Aufforderung (,,Bitte") an den Kläger enthielt, ab 1. Juli . . . den tatsächlich erwirtschafteten Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln, Einwendungen gegen die Anordnungsverfügung im vorliegenden Verfahren nicht mehr geprüft werden dürften.

Auf die Aufforderung zur Ermittlung des tatsächlich erwirtschafteten Gewinns in der Verfügung vom 15. Mai . . . kann sich das FA im vorliegenden Verfahren nach § 328 AO 1977 nicht mehr berufen. Denn diese Aufforderung an den Kläger, die auf die Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 3 EStG ab dem 1. Juli . . . gerichtet war, ist vom FA nicht weiterverfolgt worden. Das FA hat vielmehr in der Folgezeit, weil der Kläger der Aufforderung zur Gewinnermittlung nicht nachgekommen war, dessen Gewinn für mehrere Wirtschaftsjahre nach § 162 AO 1977 geschätzt. Erst mit der mehr als sechs Jahre später ergangenen Verfügung vom 15. Oktober . . . ist der Kläger erneut auf seine Verpflichtung zur Ermittlung des tatsächlich erwirtschafteten Gewinns hingewiesen und nunmehr aufgefordert worden, bis zum 30. November . . . anzugeben, wie er den Gewinn erwirtschafte und dies durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

Die neue Anordnungsverfügung vom 15. Oktober ging somit über die Verfügung vom 15. Mai . . . hinaus, indem sie die Aufforderung enthielt, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt die Art der Gewinnermittlung mitzuteilen und diese durch Unterlagen nachzuweisen. Auch soweit sich aus ihr unter Hinweis auf die vorangegangene Verfügung die Aufforderung zur Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 3 oder § 4 Abs. 1 EStG ergibt, kann sich diese, da die Gewinne der vorangegangenen Wirtschaftsjahre bereits geschätzt worden sind, nur auf künftige Zeiträume beziehen, während die vorangegangene Verfügung diese Gewinnermittlung bereits ab dem 1. Juli . . . verlangt hatte.

Nur die Anordnungsverfügung vom 15. Oktober . . ., die sich hinsichtlich des Umfangs der vom Kläger geforderten Handlungen (Mitteilungs- und Nachweispflicht) und im Ergebnis auch hinsichtlich des Beginns der geforderten Gewinnermittlung von der vorangegangenen Verfügung unterschied, ist Gegenstand des vorliegenden Zwangsgeldandrohungs- und -festsetzungsverfahrens nach § 328 AO 1977 geworden. Sie ist nicht bestandskräftig geworden, weil der Kläger sie - ebenso wie die Androhungs- und Festsetzungsverfügungen - innerhalb der Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO 1977 (ständige Rechtsbehelfsbelehrung) mit der Beschwerde angefochten hat. Die OFD hat folgerichtig in der angefochtenen Beschwerdeentscheidung auch über die Rechtmäßigkeit der Aufforderung an den Kläger zur Ermittlung des tatsächlich erwirtschafteten Gewinns, die mit der Anordnungsverfügung vom 15. Oktober . . . wiederholt worden war, entschieden.

Die Bestandskraft der Verfügung vom 15. Mai . . . steht somit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vom Kläger für die Zeit ab . . . erneut verlangten Ermittlung des tatsächlichen Gewinns nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 3 EStG im vorliegenden Verfahren nicht entgegen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der in der Verfügung vom 15. Mai . . . enthaltenen ,,Bitte" des FA - wie das FG meint - bereits der Regelungsgehalt fehlt (§ 118 AO 1977) oder ob es sich - so das FA - um eine in höfliche Form gekleidete, aber rechtsverbindliche Aufforderung zur Gewinnermittlung gehandelt hat. Denn maßgeblich für die Rechtmäßigkeit des im Streitfall angedrohten und festgesetzten Zwangsgeldes ist die Anordnungsverfügung vom 15. Oktober . . ., die im vorliegenden Verfahren fristgerecht angefochten worden und somit überprüfbar ist.

3. Nachdem die Voraussetzungen für die Ermittlung des Gewinns des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes des Klägers nach Durchschnittsätzen (§ 13a EStG) weggefallen waren, weil der Ausgangswert nach § 13a Abs. 4 EStG 32000 DM überstieg (§ 13a Abs. 1 Nr.2 EStG) und dies dem Kläger gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG durch Verfügung vom 15. Mai . . . mitgeteilt worden war, war für die folgenden Wirtschaftsjahre der tatsächliche Gewinn des Betriebes anzusetzen. Da der Kläger - wie das FG festgestellt hat und zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - nicht nach den §§ 140, 141 AO 1977 zur Buchführung verpflichtet war, hatte er ein Wahlrecht, den Gewinn entweder nach § 4 Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich oder gemäß § 4 Abs. 3 EStG als Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben zu ermitteln (§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 27. März 1981 Tz.5.1.4.2, BStBl I 1981, 282, 287; Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 2. Aufl., Tz.724, 756). Reicht der Land- und Forstwirt in einem derartigen Fall dem FA keine Gewinnermittlung ein, so ist der Gewinn nach § 162 AO 1977 zu schätzen, und zwar - wenn keinerlei Aufzeichnungen geführt werden - nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs (Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Tz.724, 758, 784; BFH-Urteil vom 30. September 1980 VIII R 201/78, BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301).

a) Wie oben ausgeführt war der Kläger nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen. Eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich käme nur dann in Betracht, wenn er freiwillig Bücher führte und Abschlüsse machte, was aber nicht der Fall war. Für das FA bestand somit keine Rechtsgrundlage, auf Grund deren es vom Kläger die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG hätte verlangen können.

Das FA war aber auch nicht befugt, den Kläger zur Ausübung seines Gewinnermittlungswahlrechts nach § 4 Abs. 3 EStG in der Weise zu zwingen, daß dieser künftig als Gewinn den Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen müßte. Das Wahlrecht, das einem nicht buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen zusteht, kann nur dieser allein ausüben. Das setzt den Willen und das Bewußtsein voraus, eine Wahl zu treffen. Fehlt es daran - wie im Streitfall -, so ist der Gewinn nach § 162 AO 1977 zu schätzen (BFH in BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301, 302).

Da keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift zur Aufzeichnung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben, die erzwungen werden könnte, besteht, wird im Schrifttum überwiegend ausgeführt, daß ein nicht buchführungspflichtiger Landwirt, bei dem auch die Anwendbarkeit des § 13a EStG entfallen ist, nicht mit Zwangsmitteln zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG durch Ansatz des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben angehalten werden kann (vgl. Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Tz.1024; Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, Rdnr.3a, 67, 83; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, C. Rdnr.123, a.F., FG Nürnberg, Urteil vom 21. Juli 1982 V 121/82, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1983,

29, 30). Der Senat schließt sich dieser auch von der Vorinstanz vertretenen Auffassung an.

b) Das EStG und die AO 1977 enthalten keine Verpflichtung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben für die Überschußermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG.

Insbesondere kann die Aufzeichnungspflicht für Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nicht auf die Vorschrift des § 4 Abs. 3 EStG gestützt werden, da diese lediglich die Art der Gewinnermittlung bestimmt (Segebrecht, Die Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, 7. Aufl., Rdnr.122; Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Tz.1024). Aus ihr ergibt sich lediglich eine Verpflichtung zur Führung eines Verzeichnisses über die Wirtschaftsgüter des nicht abnutzbaren Anlagevermögens (§ 4 Abs. 3 Satz 5 EStG). Auch die §§ 145, 146 AO 1977 können Aufzeichnungspflichten nicht begründen, da die Anwendung dieser Vorschriften gerade eine ausdrückliche gesetzliche Aufzeichnungsverpflichtung zur Voraussetzung hat (Segebrecht, a.a.O., Rdnr.84; Blümich/Müller-Gatermann/Dankmeyer, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz.70; a.A. Offerhaus, Einzelfragen zur vereinfachten Gewinnermittlung durch Überschußrechnung, Betriebs-Berater - BB - 1977, 1493, 1495).

Eine Verpflichtung zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen könnte sich lediglich aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergeben. Die danach bestehende Verpflichtung des Unternehmers zur Aufzeichnung der Entgelte und des Eigenverbrauchs hat auch Bedeutung für die Einkommensteuer (BFH-Urteil vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504, 506, 507). Unternehmer, auf deren Umsätze aber § 24 UStG anzuwenden ist (Besteuerung nach Durchschnittsätzen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe), sind jedoch gemäß § 67 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) für ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb von den Aufzeichnungspflichten des § 22 UStG weitgehend befreit. Nach den Ausführungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem FG hat der Kläger nur Umsätze, die er nach § 67 UStDV nicht aufzeichnen muß; Umsatzsteuerakten werden beim FA für ihn nicht geführt.

Den Kläger als Land- und Forstwirt trafen auch keine sonstigen gesetzlichen Aufzeichnungspflichten (vgl. §§ 143, 144 AO 1977, Pflicht zur Aufzeichnung des Wareneingangs und des Warenausgangs nur für gewerbliche Unternehmer). Insbesondere fehlt es an jeglicher Verpflichtung, die Betriebsausgaben aufzuzeichnen (ebenso: BFH in BFHE 136, 28, BStBl II 1984, 504, 507; Segebrecht, a.a.O., Rdnr.123).

c) Im Schrifttum wird indes teilweise ausgeführt, die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Betriebsausgaben ergebe sich für Steuerpflichtige ,,mit Überschußrechnung" aus der allgemeinen Mitwirkungspflicht (§ 90 Abs. 1 AO 1977), wonach die Betriebsausgaben der Finanzbehörde gegenüber auf Verlangen zu erläutern und glaubhaft zu machen seien, sowie aus Gründen der objektiven Beweislast (Feststellungslast), die den Überschußrechner hinsichtlich der betrieblichen Veranlassung der geltend gemachten Aufwendungen treffe (Blümich/ Müller-Gatermann/Dankmeyer, a.a.O., § 4 Rz.70; Offerhaus, BB 1977, 1495; Schmidt/ Heinicke, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl., § 4 Anm.64).

Diese Ausführungen betreffen aber nicht die hier maßgebliche Rechtsfrage, ob der Steuerpflichtige unter Anwendung von Zwangsmitteln vom FA zur Aufzeichnung der Betriebsausgaben (und der Betriebseinnahmen) gezwungen werden kann, sondern die Rechtsfolgen bei fehlenden Aufzeichnungen, die dahin gehen, daß geltend gemachte Betriebsausgaben ohne Nachweise nicht abgezogen werden dürfen und ggf. die Kosten bzw. der gesamte Gewinn nach § 162 AO 1977 geschätzt werden müssen. Im Streitfall ist der Kläger aber gerade kein ,,Überschußrechner"; er begehrt nicht den Abzug von ihm geltend gemachter Betriebsausgaben, sondern er hat sich von vornherein mit einer Gewinnschätzung einverstanden erklärt.

Da das Gesetz in den Vorschriften über die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (§§ 140 bis 148 AO 1977, § 22 UStG), die hier - wie ausgeführt - keine Anwendung finden, jeweils detaillierte Regelungen enthält, kann nicht davon ausgegangen werden, daß dort, wo solche gesetzlichen Regelungen fehlen, Aufzeichnungspflichten über die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben - wie das FA meint - auf die allgemeinen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten des Steuerpflichtigen (§§ 90, 93, 149, 150 AO 1977, § 25 Abs. 3 i.V.m. § 2 EStG) gestützt werden können. Die Vorlage von Aufzeichnungen und sonstigen Urkunden nach § 97 AO 1977 kann die Finanzbehörde nur in den Fällen verlangen, in denen solche Urkunden vorhanden sind. Im Falle der Nichtausübung des Gewinnermittlungswahlrechts und der mangelnden Mitwirkung des Steuerpflichtigen verbleibt dem FA gemäß § 162 AO 1977 die Möglichkeit, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu schätzen. Jedenfalls können die allgemeinen Mitwirkungs- und Steuererklärungspflichten mangels ausreichender Konkretisierung der einzelnen Handlungspflichten im Hinblick auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht zur Grundlage für die Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern gemacht werden (insoweit widersprüchlich: Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Tz.1024 und 1025).

d) Das FG hat somit die angefochtenen Androhungs- und Festsetzungsverfügungen zu Recht mit der Begründung aufgehoben, daß für die mit der Anordnungsverfügung vom Kläger verlangte Handlung die Rechtsgrundlage fehle.

Soweit die Revision vorträgt, die Vorentscheidung weiche von der Rechtsprechung des BFH ab, verkennt sie, daß in den von ihr genannten Urteilsfällen (zur Form und zum Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechts: BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431, und BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287) - im Gegensatz zum Streitfall - der Steuerpflichtige sein Gewinnermittlungswahlrecht in bestimmter Weise ausgeübt hatte bzw. diese Tatsache nach Zurückverweisung vom FG noch festgestellt werden sollte, so daß dort über die Frage der Erzwingbarkeit der Ausübung des Wahlrechts nicht zu entscheiden war.

4. Die Anordnungsverfügung - folglich auch die Androhungs- und Festsetzungsverfügungen - ist ferner deshalb rechtswidrig, weil sie nicht angibt, welche Aufzeichnungen der Kläger zum Zwecke der Ermittlung des tatsächlichen Gewinns führen soll und durch welche Unterlagen der verlangte Nachweis über die Art der Gewinnermittlung geführt werden soll; ferner fehlt es auch für den geforderten Nachweis an einer Rechtsgrundlage.

Für die inhaltliche Bestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO 1977) einer mit Zwangsmitteln durchzusetzenden Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung wäre im Streitfall angesichts der unklaren Rechtsgrundlage und der Vielzahl der denkbaren Aufzeichnungsmöglichkeiten und -pflichten (vgl. BFH in BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, 289: Sammeln der Einnahme- und Ausgabebelege für § 4 Abs. 3 EStG ausreichend) die konkrete Angabe erforderlich gewesen, welche Aufzeichnungen das FA vom Kläger zur Erfüllung der von ihm angenommenen Gewinnermittlungspflicht verlangt. Dasselbe gilt hinsichtlich der ,,geeigneten Unterlagen", deren Vorlage zum Nachweis über die Art der Gewinnermittlung gefordert wurde.

Eine Rechtsgrundlage für die Vorlagepflicht ist nicht ersichtlich, da das FA nach § 97 AO 1977 nur die Vorlage tatsächlich vorhandener Aufzeichnungen und sonstiger Urkunden verlangen kann. Da für den Kläger somit nicht zweifelsfrei ersichtlich war, auf welche Weise er die ihm auferlegten Handlungspflichten - abgesehen von der Frage ihrer Rechtsgrundlage - erbringen sollte, konnte die Anordnungsverfügung nicht gemäß § 328 AO 1977 mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.

5. Schließlich ist auch die Frist - 30. November . . . -, die dem Kläger für die Angabe über die Art der Gewinnermittlung und die Vorlage geeigneter Nachweisunterlagen gesetzt worden ist, zumindest im Hinblick auf die gebotene fehlerfreie Ermessensausübung (§ 5 AO 1977) zu beanstanden.

Die Ausübung des Wahlrechts zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich oder durch Ansatz des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben durch den Steuerpflichtigen dokumentiert sich in etwa um den Zeitpunkt zu Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem eine Eröffnungsbilanz aufgestellt, eine Buchführung eingerichtet oder Vorkehrungen zur laufenden Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben getroffen werden (vgl. BFH in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431, 433). Wirtschaftsjahr bei Land- und Forstwirten ist der Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr.1 EStG). Das FA hat den Kläger aber durch Verfügung vom 15. Oktober . . . aufgefordert, bis zu einem Zeitpunkt, der noch in der ersten Hälfte des laufenden Wirtschaftsjahres lag (30. November . . .), die Art seiner Gewinnermittlung durch Unterlagen nachzuweisen, obwohl ihm auf Grund der vorausgegangenen Schätzungen bekannt war, daß der Kläger sein Gewinnermittlungswahlrecht nicht ausgeübt und keine Vorkehrungen zur Gewinnermittlung getroffen hatte.

Auf die mehr als sechs Jahre zurückliegende Verfügung vom 15. Mai . . . konnte das FA - wie oben ausgeführt - sein Verlangen nicht stützen, da es diese Aufforderung zur Ermittlung des tatsächlichen Gewinns in der Folgezeit nicht weiter verfolgt und es selbst die Gewinne des Klägers für die nachfolgenden Wirtschaftsjahre durch Schätzung ermittelt hatte.

Dem Kläger hätte demnach für die erneute Aufforderung zur Ermittlung des tatsächlich erwirtschafteten Gewinns und zum Nachweis, in welcher Weise er diesen Gewinn ermittelte, bei sachgerechter Ermessensausübung eine Frist bis zum Beginn des nächsten Wirtschaftsjahres gesetzt werden müssen. Die Aufforderung, bereits für das laufende Wirtschaftsjahr die Art der Gewinnermittlung dem FA gegenüber nachzuweisen, obwohl diesem bekannt war, daß der Kläger keinen Gewinn ermittelte und er sich auf die Schätzung des FA verließ, stellt eine unverhältnismäßige Belastung dar. Die angefochtene Verfügung über die Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes war somit auch deshalb aufzuheben, weil es dem Kläger nicht zumutbar war, die geforderte Handlung innerhalb der ihm gesetzten Frist vorzunehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64076

BFH/NV 1993, 346

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