Mit dem Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022)[1] wurde der § 3 Nr. 72 EStG neu eingeführt. Hiernach sind grundsätzlich alle Einnahmen und Entnahmen ertragsteuerfrei, die aus dem Betrieb einer PV-Anlage erwirtschaftet werden, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ gegeben sind:

  • § 3 Nr. 72 a) EStG: Betrieb einer PV-Anlage auf, an oder in privat genutzten Einfamilienhäusern inklusive Nebengebäuden oder vorhandene PV-Anlagen auf nicht zu Wohnzwecken dienenden Gebäuden mit einer Bruttoleistung von bis zu 30 kWp und
  • § 3 Nr. 72 b) EStG: Betrieb einer PV-Anlage auf an oder in sonstigen Gebäuden mit einer installierten Bruttoleistung von bis zu 15 kWp je Wohneinheit oder je Gewerbeeinheit.

Insgesamt darf die Bruttoleistung je Steuerpflichtigem oder Mitunternehmerschaft 100 kWp nicht überschreiten.

Die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG hat auch zur Folge, dass die mit der PV-Anlage in Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht abgezogen werden dürfen. Es handelt sich insoweit um Kosten der Lebensführung gem. § 12 Nr. 1 EStG.[2]

Wird der erzeugte Strom jedoch für betriebliche Zwecke genutzt und dient dieser Umsatz steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen, bleiben die hierauf entfallenden Betriebsausgaben weiterhin steuerlich abzugsfähig.

 
Hinweis

Steuerfreie Veräußerung von Photovoltaikanlagen

Sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG erfüllt, greift die Steuerbefreiung auch für Veräußerungserlöse aus der PV-Anlage in späteren Jahren.

Rückwirkende Steuerbefreiung ab Veranlagungszeitraum 2022

Für den Betreiber einer PV-Anlage, die in den Grenzen des § 3 Nr. 72 EStG liegt bedeutet dies, dass rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2022 weder die Gewinne aus der PV-Anlage noch die Verluste steuerlich berücksichtigt werden können. Die Steuerbefreiung gilt nicht nur für die neu angeschafften PV-Anlagen, sondern auch für Altanlagen. Mit der Steuerbefreiung soll ein Bürokratieabbau beabsichtigt werden, weil damit alle Betreiber von PV-Anlagen, die innerhalb der Grenzen des § 3 Nr. 72 EStG liegen keine Gewinnermittlung mehr aufstellen und auch keine Anlage G und EÜR mehr beim Finanzamt einreichen müssen.

 
Achtung

Die Steuerbefreiung ist kein Wahlrecht

§ 3 Nr. 72 EStG stellt kein Wahlrecht dar. Erfüllt der Betreiber einer PV-Anlage die Kriterien, sind Gewinne ab dem Jahr 2022 nicht mehr zu versteuern bzw. Verluste nicht mehr mit anderen Einkünften verrechenbar.

Gemäß der Vorabfassung eines Anwendungsschreibens für Photovoltaikanlagen des Deutschen Bundestages[3]

soll es sich bei der absoluten Grenze von maximal 100 kWp um eine Freigrenze handeln. Dies würde bedeuten, dass Einnahmen von PV-Anlagenbetreibern mit mehr als 100 kWp ab dem 101 kWp keine steuerfreien Einnahmen mehr erzielen würden. Steuerliche Fragen im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Freigrenze oder eines Freibetrags sollen kurzfristig mit den Vertretern und Vertreterinnen der obersten Finanzbehörden der Länder erörtert werden. Dies betrifft ebenso die Beantwortung zahlreicher Anwendungsfragen zu § 7g EStG im Zusammenhang mit einer nunmehr steuerbefreiten PV-Anlagen.

 
Praxis-Beispiel

Ertragsteuerliche Behandlung einer Altanlage

Friedrich hat im Jahr 2019 eine PV-Anlage auf seinem privat genutzten Einfamilienhaus installiert. Die Anlage hat eine Leistung von 20 kWp.

Ergebnis:

Besteht für Friedrich eine Gewinnerzielungsabsicht konnte er seine Gewinne oder Verluste in seinen Steuererklärungen 2019-2021 geltend machen bzw. musste sie versteuern. Friedrich kann aufgrund der Leistung seiner PV-Anlage keinen Antrag auf Liebhaberei (s. unter 11.) stellen.

Friedrichs Einnahmen sind ab dem Kalenderjahr 2022 steuerfrei nach § 3 Nr. 72 a) EStG. Seine Aufwendungen im Zusammenhang mit der PV-Anlage kann er nicht mehr in seiner Steuererklärung berücksichtigen[4]. Friedrich braucht ab 2022 keine Gewinnermittlung mehr für den Betrieb seiner PV-Anlage erstellen.

 
Praxis-Beispiel

Anschaffung einer PV-Anlage mit 25 kWp in 2023 – ertragsteuerliche Behandlung

Friedrich hat sich dazu entschieden in 2023 auf seiner Garage eine PV-Anlage mit 25 kWp zu installieren. Die Garage gehört zum Einfamilienhaus, dass Friedrich privat nutzt.

Ergebnis:

Auch die PV-Anlage, die auf einem Nebengebäude des Einfamilienhauses installiert werden soll, fällt bei Unterschreiten der 30 kWp-Grenze unter die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 a) EStG. Die Einnahmen aus dem Betrieb der Anlage sind steuerfrei, Aufwendungen im Zusammenhang mit der Anlage sind nicht abzugsfähig. Gewinne oder Verluste aus dem Betrieb der Anlage sind steuerlich irrelevant, eine Gewinnermittlung braucht Friedrich nicht zu erstellen.

 
Praxis-Beispiel

Anschaffung einer PV-Anlage mit 80 kWP in 2023 – ertragsteuerliche Behandlung

Friedrich hat sich dazu entschieden im Jahr 2023 auf einem ihm gehörenden Mehrfamilienhaus mit 8 Wohneinheiten eine PV-Anlage mit 80 kWp zu installieren.

Ergebnis:

Da die PV-Anlage die 30-kWp-Grenze des § 3 Nr. 72 a) EStG überschreitet, findet die Steuerbefreiung nach a) keine Anwendung.

Es ist § 3 Nr. 72 b) EStG zu prüfen: hier...

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