Rz. 194

Allein der leistende Unternehmer hat die Entscheidung zu treffen, ob er einen der in § 9 UStG erwähnten steuerfreien Umsatz als steuerpflichtig behandeln will. Er wird dabei die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile abwägen, die sich aus der Anwendung des § 9 UStG ergeben. Seine Leistungsempfänger können von ihm nicht verlangen, dass er § 9 UStG anwendet oder nicht (mehr) anwendet.[1] Selbstverständlich sind wegen der allgemeinen Vertragsfreiheit aber Abmachungen darüber zulässig, ob der Unternehmer § 9 UStG anwenden soll oder nicht.[2] Der Leistungsempfänger kann an derartigen Vereinbarungen wegen seiner eigenen Kalkulation im Hinblick auf die Vorsteuerbelastung ein großes Interesse haben. Zur Notwendigkeit der notariellen Beurkundung bei Grundstücksumsätzen gem. § 9 Abs. 3 S. 2 UStG vgl. Rz. 131ff.

 

Rz. 195

Wenn der Unternehmer § 9 UStG auf einen Umsatz anwendet, wird dieser Umsatz steuerpflichtig. Sein Leistungsempfänger hatte dann gem. § 14 Abs. 1 UStG i. d. F. vor dem 1.1.2004 einen Anspruch auf Erteilung einer Rechnung mit offenem Steuerausweis. Dies galt selbst dann, wenn der Leistungsempfänger nicht zum Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung berechtigt gewesen sein sollte. § 14 Abs. 1 UStG a. F. stellte nur auf die Steuerpflichtigkeit der Lieferung oder sonstigen Leistung ab; der Anspruch auf Rechnungserteilung hing mithin nicht davon ab, ob die Beteiligten sich über die Anwendung des § 9 UStG durch den Leistenden von vornherein verständigt haben. Zur Rechtslage ab dem 1.1.2004 vgl. Rz. 197.

 

Rz. 196

Allerdings hat die Anwendung des § 9 UStG grundsätzlich nicht die Wirkung, dass der Leistungsempfänger die dadurch anfallende Steuer zusätzlich zum vereinbarten Preis an den Unternehmer bezahlen muss, denn der vereinbarte Preis ist grundsätzlich immer ein Bruttopreis. Er umfasst daher, wenn keine andere Abmachung besteht, auch die Steuer. Freilich ist eine einverständliche nachträgliche Vertragsänderung möglich.

Wenn der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wird er regelmäßig bereit sein, die USt zusätzlich zu bezahlen. Zugleich kann er aber dann im eigenen Interesse vom Unternehmer verlangen, dass dieser die Vorteile aus der mit der Anwendung des § 9 UStG verbundenen Vorsteuerabzugsmöglichkeit zumindest teilweise an ihn dadurch weitergibt, dass er den bisherigen Preis senkt, sodass das Entgelt für die nun steuerpflichtige Leistung niedriger ist als der bisher vereinbarte Preis. Ob ihm dies gelingt, ist eine Frage des Verhandlungsgeschicks. Einen gesetzlichen Anspruch auf dieses Entgegenkommen hat der Leistungsempfänger jedenfalls nicht.

 

Rz. 197

Gem. § 13b Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UStG geht die Steuerschuld für Umsätze, die unter das GrEStG fallen, auf den Leistungsempfänger über. Dann gibt es gem. § 14a Abs. 5 UStG i. d. F. ab 1.1.2004 nur einen Anspruch auf eine Rechnung ohne offenen Steuerausweis. Dieser ist ausdrücklich in § 14a Abs. 5 UStG untersagt. Dieser Steuerschuldübergang setzt einen die Steuerbarkeit begründenden Kaufvertrag voraus. Dabei ist genau zu prüfen, wer als Käufer Partei dieses Vertrages ist. Das war in dem Fall des BFH-Urteils v. 25.11.2021[3] nicht eine GbR aus zwei Eheleuten, sondern es waren jeweils die Eheleute, die für sich nur Bruchteilseigentum erworben haben. Daher ging die vom Finanzamt gegen die angebliche GbR festgesetzte Steuer aufgrund eines Steuerschuldübergangs gem. § 13b UStG im Zusammenhang mit einer angeblichen Option gem. § 9 UStG ins Leere.

 

Rz. 198

In dem Urteil v. 26.10.1995[4] hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass dann, wenn ein Vermieter für die Miete von § 9 UStG mit Zustimmung des Mieters Gebrauch macht, der Mieter auch verpflichtet ist, die auf die Nebenkosten entfallende USt (Rz. 181) zu zahlen, denn diese Nebenkosten werden (nach der noch geltenden Praxis in Deutschland, s. Rz. 181a) von der Option gem. § 9 UStG bezüglich der Miete nach den Grundsätzen von Haupt- und Nebenleistung mitumfasst.

[4] OLG Düsseldorf v. 26.10.1995, 10 L 207/94, DB 1995, 2595.

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