Rz. 105

Bei den Factoringgeschäften ist zwischen dem echten und dem unechten Factoring zu unterscheiden. Beim echten Factoring übernimmt der Factor (Käufer der Forderung) die Forderung mit dem vollen Risiko des Ausfalls. Beim unechten Factoring tritt der Unternehmer zwar seine Forderungen aus Warenlieferungen an den Factor ab, er hat aber weiterhin voll für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners einzustehen. Der abtretende Unternehmer bleibt also Inhaber der Forderung. Die Tätigkeit des Factors für den Unternehmer besteht hier vor allem in der Gewährung eines Kredits, der Bonitätsprüfung des Schuldners, der Führung des Debitorenkontos und dem Inkasso. Ein Unternehmer erbringt eine Factoring-Dienstleistung gegen Entgelt, wenn er vereinbarungsgemäß einen Anteil am "Mehrerlös", der zusammen mit dem Kaufpreis den wirtschaftlichen Wert der Forderung darstellt, behalten darf.[1]

Der vom BFH entschiedene Fall war dadurch gekennzeichnet, dass die Vertragsparteien, d. h. Sparkassen als Verkäufer und der Unternehmer als Factor, einen variablen Kaufpreis vereinbart hatten, in dem sie den Kaufpreis in einen Festkaufpreis und einen vom Einziehungserfolg abhängigen variablen Kaufpreis aufgesplittet hatten. Der BFH hatte bislang keine Gelegenheit, darüber zu entscheiden, ob die rechtliche Wertung, dass ein signifikanter Abschlag vom Nennwert zur Bemessung des Kaufpreises auch dann lediglich den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der Forderung wiederspiegelt und nicht auch ein Dienstleistungsentgelt darstellt, auch bei einem variablen Kaufpreis Anwendung findet, bei dem sich der variable Teil nach dem Betreibungserfolg richtet.

 

Rz. 106

Infolge des Urteils des EuGH v. 26.6.2003[2] ist der Forderungskauf, bei dem der Forderungseinzug durch den Forderungskäufer in eigenem Namen und für eigene Rechnung erfolgt, wie folgt zu beurteilen: Im Fall des echten Factoring liegt eine unternehmerische Tätigkeit des Forderungskäufers (Factors) vor, wenn seine Dienstleistung im Wesentlichen darin besteht, dass der Forderungsverkäufer (Anschlusskunde) von der Einziehung der Forderung und dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet wird. Im Fall des unechten Factorings (der Anschlusskunde wird aufgrund eines dem Factor zustehenden Rückgriffsrechts bei Ausfall der Forderung nicht vom Ausfallrisiko der abgetretenen Forderung entlastet) gilt das Gleiche, wenn der Factor den Forderungseinzug übernimmt. Im Fall des Forderungskaufs ohne Übernahme des tatsächlichen Forderungseinzugs durch den Forderungskäufer (Forderungseinzug durch den Forderungsverkäufer in eigenem Namen und für fremde Rechnung) übt der Forderungskäufer unabhängig davon, ob ihm ein Rückgriffsrecht gegen den Forderungsverkäufer zusteht oder nicht, zwar eine unternehmerische Tätigkeit aus; diese ist jedoch keine Factoringleistung i. S. d. o. g. EuGH-Urteils. Das gilt insbesondere für die Abtretung von Forderungen in den Fällen der stillen Zession, z. B. zur Sicherung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, oder für den entsprechend gestalteten Erwerb von Forderungen "a forfait", z. B. bei Transaktionen im Rahmen sog. "Asset-Backed-Securities (ABS)"-Modelle.

 

Rz. 107

Beim Forderungskauf mit Übernahme des tatsächlichen Einzugs und ggf. des Ausfallrisikos durch den Forderungskäufer erbringt der Forderungsverkäufer (Anschlusskunde) mit der Abtretung seiner Forderung keine Leistung an den Factor.[3] Vielmehr ist der Anschlusskunde Empfänger einer Leistung des Factors. Die Abtretung seiner Forderung vollzieht sich im Rahmen einer nicht steuerbaren Leistungsbeistellung. Das gilt nicht in den Fällen des Forderungskaufs ohne Übernahme des tatsächlichen Einzugs der Forderung durch den Forderungskäufer. Die Abtretung einer solchen Forderung stellt einen nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfreien Umsatz dar. Mit dem Einzug der abgetretenen Forderung (Servicing) erbringt der Forderungsverkäufer dann keine weitere Leistung an den Forderungskäufer, wenn er aufgrund eines eigenen, vorbehaltenen Rechts mit dem Einzug der Forderung im eigenen Interesse tätig wird. Beruht seine Tätigkeit dagegen auf einer gesonderten Vereinbarung, ist sie regelmäßig als Nebenleistung zu dem nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfreien Umsatz im Geschäft mit Forderungen anzusehen.

 

Rz. 108

Der EuGH hat mit Urteil v. 27.10.2011[4] entschieden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der auf eigenes Risiko zahlungsgestörte Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine entgeltliche Dienstleistung i. S. v. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL erbringt und keine in ihren Geltungsbereich fallende wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt. Der BFH hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen[5] und u. a. ergänzend ausgeführt, dass dem Forderungserwerber mangels Entgeltlichkeit der Leistung aus den Eingangsleistungen für den Forderun...

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