Rz. 28

§ 4 Nr. 20 UStG beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL. Nach dieser Vorschrift befreien die EU-Mitgliedstaaten "bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht werden". Die Richtlinienvorschrift lässt den Mitgliedstaaten damit einen gewissen Spielraum, in welchem Umfang sie kulturelle Leistungen von der USt befreien wollen. Von daher ist ein Verstoß von § 4 Nr. 20 UStG gegen das Unionsrecht nicht unmittelbar erkennbar. Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL ist grundsätzlich nicht berufbar.[1]

 

Rz. 29

Nach Art. 133 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten – neben anderen Steuerbefreiungen – die Begünstigung für kulturelle Leistungen von einer oder mehreren der in der Vorschrift genannten Bedingungen abhängig machen. So kann die Steuerbefreiung u. a. davon abhängen, ob die betreffenden Personen oder Personengruppen eine systematische Gewinnerzielung anstreben und ob die Leitungs- und Verwaltungsfunktionen der Einrichtung im Wesentlichen ehrenamtlich ausgeübt werden. Eine solche Einschränkung der Steuerbefreiung sieht § 4 Nr. 20 UStG bislang nicht vor, sie könnte aber z. B. dahin gehend in das Gesetz aufgenommen werden, dass Leistungen auf Gewinnerzielung ausgerichteter Einrichtungen (z. B. gewerbliche Unternehmen wie Bands aus dem Bereich Rock und Pop) nicht mehr steuerfrei sind.

 

Rz. 30

Der EuGH hat[2] entschieden, dass die Steuerbefreiung auch für Solokünstler angewendet werden kann. Auf die Unterscheidung in der äußeren Form des Auftretens und auch des damit verbundenen unterschiedlichen Inhalts der Leistungen, die Solisten einerseits und Ensembles andererseits erbringen, ist der EuGH nicht eingegangen. Nach seinem Urteil gibt es – einer früheren Entscheidung des EuGH folgend[3] für Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und g MwStSystRL – auch für Art. 132 Abs. 1 Buchst. n MwStSystRL bzw. für die dort genannten kulturellen Leistungen keine Rechtfertigung, Gesangssolisten, die Einzelleistungen erbringen, nicht als eine Einrichtung i. S. d. Vorschrift anzusehen. Der EuGH hebt dabei auf das bloße Ziel der Tätigkeit, nicht aber auf ihre unterschiedlichen Wesensmerkmale, ab. Solisten könnten ebenso wie kulturelle Ensembles ihre Tätigkeit hauptberuflich, nebenberuflich oder aus Liebhaberei ausüben und dabei entweder Gewinn erzielen oder ehrenamtlich oder ggf. gegen bloße Aufwandsentschädigung handeln. In diesen Fällen erscheine der Künstler, selbst wenn er seine Leistungen aus eigenen Mitteln bestreitet und unabhängig von seiner Rechtsform, als abgegrenzte Einheit, die ebenso wie ein kulturelles Ensemble eine kulturelle Leistung erbringe. Mit dem EuGH-Urteil sind die alte BFH-Rechtsprechung[4] und die darauf zurückgehende Verwaltungsauffassung überholt, die eine steuerbegünstigte Musik- und Gesangsgruppe dann annahm, wenn sie aus zwei oder mehr Mitwirkenden besteht. Das EuGH-Urteil ist, wenn auch der Gerichtshof nicht nach dem Inhalt der von Ensembles bzw. Solisten dargebotenen Leistungen differenziert, jedenfalls mit Blick auf § 4 Nr. 20 UStG nachvollziehbar, wenn dort von den Einschränkungsmöglichkeiten der Steuerbefreiung gem. Art. 133 MwStSystRL keinerlei Gebrauch gemacht wird. Wenn Ensembles unter die Steuerbefreiung fallen, ungeachtet der Tatsache, dass es sich um gewerbliche Betriebe mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, und nicht danach differenziert wird, ob die Einrichtungen z. B. einer behördlich reglementierten Preisbindung unterliegen, ist es aus der Sicht des Neutralitätsprinzips der USt verständlich, wenn der EuGH auch dem Solisten die Steuervergünstigung zubilligt.

 

Rz. 31

Nach Auffassung des EuGH[5] kann bei der Anwendung des Steuersatzes nicht nach Leistungen von Solisten einerseits und Ensembles andererseits unterschieden werden. Der EuGH hebt auf den Grundsatz der Steuerneutralität ab, der eine umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung gleichartiger Waren oder Dienstleistungen, die miteinander im Wettbewerb stehen, verbiete. Dieser Grundsatz gilt auch für die Besteuerung mit einem ermäßigten statt mit dem Normalsteuersatz. Als Folge des EuGH-Urteils können auch Einzelkünstler mit ihren kulturellen Umsätzen steuerbefreit sein. Damit werden von der Steuerbefreiung auch natürliche Personen erfasst, die z. B. als Einzelmusiker oder -sänger eine Konzertveranstaltung allein auf der Bühne bestreiten oder als Solist (z. B. Pianist oder Tenor) im Rahmen einer Gemeinschaftsdarbietung mitwirken, wenn ihnen eine Gleichwertigkeitsbescheinigung von der zuständigen Behörde erteilt worden ist. Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung durch den Solisten reicht es nicht aus, dass z. B. nur das den Solisten begleitende Orchester über eine Bescheinigung verfügt.

Rz. 32 – 34 einstweilen frei

[2] EuGH v. 3.4.2003, C-144/00, Matthias Hoffmann, BStBl II 2003, 679, BFH/NV Beilag...

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