Rz. 29

§ 4 Nr. 16 UStG beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Danach sind steuerfrei "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden". Der Begriff "andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung" ist nicht besonders eng auszulegen und daher grundsätzlich weit genug, um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht zu erfassen.[1]

 

Rz. 30

§ 4 Nr. 16 UStG beruht des Weiteren auf Art. 134 MwStSystRL. Danach ist die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g (sowie weiteren Buchst.) vorgesehene Steuerbefreiung für Umsätze ausgeschlossen, die für die (originären) steuerbefreiten Umsätze nicht unerlässlich sind oder wenn sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden. Hierauf geht die Formulierung im Einleitungssatz von § 4 Nr. 16 UStG zurück, wonach nur die mit dem Betrieb der bezeichneten Einrichtungen eng verbundenen Umsätze steuerbefreit sind.

 

Rz. 31

Die weiteren Einschränkungen der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 16 UStG, nämlich die Einschränkungen bezüglich der Einrichtungen, die nicht von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben werden[2], gehen z. T. auf Art. 133 MwStSystRL zurück, z. T. aber auch auf die Befreiungstatbestände in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL selbst. Nach Art. 133 Unterabs. 1 Buchst. a MwStSystRL können die Mitgliedstaaten die Gewährung der unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (und anderen Buchstaben) vorgesehenen Befreiungen für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Einzelfall von der Erfüllung der in der Vorschrift genannten Bedingungen abhängig machen.

 

Rz. 32

Das in Buchst. g von Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL enthaltene Tatbestandsmerkmal "andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannter Einrichtungen" kann auch natürliche Personen betreffen.[3] Der Begriff der Einrichtung setzt also insbes. keine bestimmte Rechtsform voraus. Dies hat der EuGH[4] noch einmal bestätigt. Bei diesem Verfahren ging es um die Frage, ob die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL nur Einzelpersonen oder auch Kapitalgesellschaften erfasst und inwieweit dort auch Leistungen der ambulanten Krankenpflege einbezogen sind. Weiterhin war streitig, ob die Pflegeleistungen ggf. noch unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen bzw. ob ein Steuerpflichtiger sich unmittelbar auf diese Vorschrift berufen kann. Nach dem Urteil erfasst die vorgesehene Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, Leistungen der Behandlungspflege durch eine einen ambulanten Pflegedienst betreibende Kapitalgesellschaft, die – auch als häusliche Leistungen – von qualifiziertem Krankenpflegepersonal erbracht werden, nicht aber Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Pflegeleistungen, die nicht im Zusammenhang mit der Vorbeugung, Diagnose oder Behandlung einer Erkrankung stehen, also keinem solchen therapeutischen Ziel dienen (wie z. B. Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung), fallen unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Damit wird noch einmal deutlich, dass § 4 Nr. 16 UStG auf Art. 132 Teil A Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL beruht. Obwohl § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG i. d. F. bis 31.12.2008 erst auf Umsätze anzuwenden ist, die nach dem 31.12.1991 bewirkt werden, können sich Unternehmer für vor dem 1.1.1992 bewirkte vergleichbare Umsätze unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen. Zu dieser Frage hatte die EU-Kommission die Meinung vertreten, ein Berufungsrecht sei gegeben, wenn die betreffende Einrichtung von dem Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt worden sei. Die Bundesregierung war dagegen der Auffassung, Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL verleihe für sich genommen kein unmittelbares Berufungsrecht, weil die Vorschrift nicht inhaltlich unbedingt i. S. d. ständigen EuGH-Rechtsprechung sei. Der EuGH ist in seiner Entscheidung weder der Kommission noch der Bundesregierung gefolgt. Ein generelles unmittelbares Berufungsrecht lehnt er im Hinblick auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ab.

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