Rz. 28

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG für die heilberuflichen Umsätze im Bereich der Humanmedizin beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL. Danach befreien die EU-Mitgliedstaaten "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden". Es handelt sich also um die Diagnose, Behandlung, Heilung und Rehabilitation von Krankheiten und Gesundheitsstörungen und den vorbeugenden Leistungen, soweit ein therapeutischer Zweck im Vordergrund steht. Diese Steuerbefreiung ist zwar grundsätzlich – wie alle anderen Regelungen nach Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL auch – eng auszulegen. Nach EuGH v. 10.9.2002[1] ist die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL jedoch von der Rechtsform des Unternehmers unabhängig. Allerdings stellte der EuGH – ungefragt – klar, dass die Steuerbefreiung nur ärztliche Leistungen umfasst, die von Personen ausgeübt werden, die die erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweise besitzen (vgl. Rz. 27 der Urteilsgründe). Der EuGH begründet seine – hinsichtlich der Frage der Rechtsform – eher weite Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL im Wesentlichen damit, dass die Vorschrift bezweckt, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken. Von daher sollte es unschädlich sein, wenn der Unternehmer zwar nicht persönlich beruflich qualifiziert ist, wohl aber das Personal, dessen er sich bedient. Der EuGH weist ebenfalls daraufhin, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst c MwStSystRL auf Leistungen anwendbar ist, die außerhalb von Krankenanstalten im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Behandelndem erbracht werden. Die eher weite Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL hat der EuGH in seinem Urteil v. 6.11.2003[2] bestätigt. In diesem Urteil hat der EuGH auch klargestellt, dass die Heilbehandlungen i. S. v. Art 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL keine Pflegeleistungen umfassen, die nicht im Zusammenhang mit der Vorbeugung, Diagnose oder Behandlung einer Erkrankung stehen. Solche Pflegeleistungen können nach dem Urteil jedoch unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL subsumiert werden. Die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL erfasst Leistungen der Behandlungspflege durch eine einen ambulanten Pflegedienst betreibende Kapitalgesellschaft, die – auch als häusliche Leistungen – von qualifiziertem Krankenpflegepersonal erbracht werden, nicht aber Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung.[3] Insgesamt unterliegt der Begriff "Heilbehandlung" dem Wandel der Zeit.

 

Rz. 29

Welche Berufe als ärztliche oder arztähnliche Berufe anzusehen sind, können die Mitgliedstaaten nach der Vorschrift selbst bestimmen. Dabei ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten.[4] Die von den Heilbehandlungen trennbare Lieferung von Arzneimitteln, wie z. B. Brillen, fällt nicht unter die Steuerbefreiung.[5] Medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, sondern in der auf biologische Untersuchungen gestützten Feststellung einer anthropologisch-erbbiologischen Verwandtschaft, fallen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL.[6]

 

Rz. 30

Der Ausschluss der Steuerbefreiung für die Prothetikumsätze[7] beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. e i. V. m. Art. 370 i. V. m. Anhang X Teil A Nr. 1 MwStSystRL. Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL befreien die EU-Mitgliedstaaten zwar "Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen, sowie Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker". Nach Art. 370 i. V. m. Anhang X Teil A Nr. 1 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten diese Umsätze jedoch während einer Übergangszeit (bis zur Annahme einer endgültigen Regelung durch den Rat) weiterhin besteuern. Von dieser Möglichkeit hat Deutschland Gebrauch gemacht. Problematisch ist, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen nach Deutschland eine Mehrfachbelastung mit USt eintreten kann.[8]

 

Rz. 31

Die Steuerbefreiung der Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. b und c UStG beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Danach befreien die EU-Mitgliedstaaten "Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden". Die Steuerbefreiung ist nach ständiger EuGH-Rechtsprechung eng auszulegen.[9] Die in der Ambulanz einer Stiftung des privaten Rechts von Diplompsychologen, die keine Ärzte sind, ausgeführten psychotherapeutischen Behandlungen stellen...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge