Rz. 506

Letztlich haben Rechtsanwender, Finanzverwaltung und Gerichte bei jeder Anwendung des § 3a Abs. 5 UStG immer über Einzelfälle zu entscheiden, bei denen zunächst der tatsächliche Sachverhalt genau festzustellen ist, was in der Praxis häufig Schwierigkeiten genug bereiten kann. Eine in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit auf elektronischem Weg erbrachten Leistungen immer wieder auftretende Frage ist die nach dem umsatzsteuerrechtlich Leistenden.[1] Dies beruht darauf, dass im Internet häufig eine Weiterleitung auf die Internetseiten anderer Unternehmer erfolgt, der dann die eigentliche Leistung erbringt, oft ohne dass der Leistungsempfänger dies überhaupt bemerkt. Aus der Rechtsprechung ist hier erkennbar, dass sich der nach den zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen zu bestimmende umsatzsteuerrechtlich Leistende nur ändert, wenn dies dem Leistungsempfänger in eindeutiger Weise kenntlich gemacht wird.[2] Den zivilrechtlichen Vertragsverhältnissen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger kommt demnach eine zentrale Bedeutung zu[3], wobei hier in der Praxis vor allem auf das "Auftreten" des Leistenden abzustellen sein dürfte. Nur wenn dieser bei Geschäftsabschluss eindeutig zu erkennen gibt, dass er für einen anderen Unternehmer tätig wird – und der Leistungsempfänger damit auch einverstanden ist –, kann der andere Unternehmer umsatzsteuerrechtlich als Leistender anerkannt werden.[4]

Nach der Einfügung der Regelungen des Mehrwertsteuer-Digitalpakets (Rz. 25a ff.) hat sich die praktische Anwendbarkeit der Regelung insbesondere für Leistungen über elektronische Schnittstellen zweifellos weiter verändert. Die Anwendung in der Praxis erfordert jedenfalls bei der Durchführung der ersten Umsätze einige Vorbereitungshandlungen.[5]

 

Rz. 507

Im Übrigen standen die bisher von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit den auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen zu entscheidenden Sachverhalte – die allerdings überwiegend noch zur Rechtslage vor dem 1.1.2015 ergangen sind[6]- vor allem im Zusammenhang mit der Abgrenzungsfrage, wann denn eine Leistung konkret in elektronischer Form erbracht wird (Rz. 500); auch zur Lösung dieser Frage bedarf es vor allem einer detaillierten Sachverhaltskenntnis. So hat z. B. das FG Köln entschieden[7], dass ein Internetnutzer, der Mitglied einer Onlinecommunity ist, nach der Eingabe von Suchkriterien die Kontaktdaten anderer Mitglieder erhält, die nach den hinterlegten Mitgliederprofilen vergleichbare Neigungen haben, dass dies in elektronischer Form erbracht wird. Im Ergebnis stellt die Rechtsprechung beim Vorliegen elektronischer Dienstleistungen demnach entscheidend darauf ab, dass es keiner "menschlichen Beteiligung" an der Ausführung der Dienstleistung bedurfte.[8] Mit der komplizierten Frage der rechtsmissbräuchlichen Verlagerung des Dienstleistungsorts bei auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen hat sich der EuGH mit seiner Entscheidung vom 17.12.2015 befasst.[9]

 

Rz. 508

Dennoch musste sich die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher noch nicht allzu intensiv mit der nationalen Regelung des § 3a Abs. 5 UStG und deren unionsrechtlichen Grundlagen befassen. Erwähnenswert sind aber sicher noch die EuGH-Urteile SK Telekom[10] und Geelen.[11] Gegenstand der Entscheidung SK Telekom waren Roamingdienstleistungen[12] und Gegenstand der Entscheidung Geelen war die Bereitstellung interaktiver erotischer Live-Webcam-Darbietungen; gerade diese (lesenswerte) Entscheidung veranschaulicht die vielen umsatzsteuerrechtlichen Fragestellungen, die im Zusammenhang mit solchen komplexen Dienstleistungen auftreten können.

[1] Vgl. dazu auch Art. 9a MwStVO – s. o. in Rz. 504.
[5] Vgl. ausführlich zu den Praxisproblemen Becker/Michelutti/Rieg, MwStR 2022, 495.
[6] Das hat aber bei bestimmten Fragen keine Auswirkungen auf die Fortwirkung der Aussagen dieser Entscheidungen.
[9] EuGH v. 17.12.2015, C-419/14, WebMindLicenses Kft., EU:C:2015:832, Haufe-Index 8795853,  UR 2016, 58.
[10] EuGH v. 15.4.2021, C-593/19, EU:C:2021:281, BFH/NV 2021, 925, UR 2021, 749.
[11] EuGH v. 8.5.2019, C-568/17, EU:C:2019:388, Haufe-Index 13129954, UR 2019, 456.
[12] Vgl. dazu hier in Rz. 476.

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