1 Entstehungsgeschichte und Inhalt der Vorschrift

 

Rz. 1

§ 3 Abs. 1b UStG wurde durch Art. 7 Nr. 2 Buchst. a des StEntlGesetzes 1999/2000/2002 v. 24.3.1999[1] mWv 1.4.1999 in das UStG eingefügt.[2] Seither gilt die Vorschrift unverändert. Sie ersetzte die bis dahin geltenden Vorschriften zum Eigenverbrauch durch Entnahme von Gegenständen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG 1980 sowie die Regelung zu den sog. Sachzuwendungen an Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG 1980, die bis einschließlich 31.3.1999 galten. Der Begriff des Eigenverbrauchs, der seit der UStDV 1926 für Entnahmen üblich war, ist damit aus der Sprache des Gesetzes verschwunden; er wird aber im Schrifttum immer noch verwendet. Inzwischen hat sich für die früher als Eigenverbrauch normierten Tatbestände auch der Begriff "unentgeltliche Wertabgaben" durchgesetzt.[3]

 

Rz. 2

Die Anpassung des UStG an die Vorgaben des Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-UStRL im Jahr 1999 war seinerzeit längst überfällig, denn die erwähnten Vorschriften in § 1 UStG hatten, anders als nun § 3 Abs. 1b UStG mit seinem S. 2, keinen Bezug zum Vorsteuerabzug hinsichtlich des entnommenen oder unentgeltlich hingegebenen Gegenstands. Art. 16 MwStSystRL, der seit dem 1.1.2007 an die Stelle der 6. EG-UStRL getreten ist, hat, von redaktionellen Änderungen abgesehen, inhaltlich dazu keine Neuerungen gebracht. Daher war keine Anpassung des deutschen Gesetzeswortlauts notwendig. Somit ist weiterhin Voraussetzung der Entnahme-Besteuerung, dass der entnommene Gegenstand ganz oder teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt hat.

 

Rz. 3

Während die Nr. 1 von § 3 Abs. 1b UStG jeweils Zwecke außerhalb des Unternehmens voraussetzt und die Nr. 2 die unentgeltliche Zuwendung von Gegenständen an das Personal – ein unternehmerischer Zweck, wenn auch für den privaten Bedarf des Personals – erfasst, verlangt die Nr. 3 eine Besteuerung trotz Unentgeltlichkeit bestimmter Zuwendungen, die aus unternehmerischen Gründen stattfinden.

 

Rz. 4

Diese Umsetzung der strikten Vorgaben des Art. 16 MwStSystRL übernimmt die systematische Besonderheit, dass die Besteuerung des Endverbrauchs, der aus unternehmerischen Gründen dem Empfänger unentgeltlich ermöglicht wird, durch die Herstellung der Belastung auf der Ebene des Unternehmers stattfindet. Insofern wird zwar der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer im Unternehmensbereich verletzt, aber zugleich wird die Entstehung eines unversteuerten Letztverbrauchs verhindert. Hier stoßen eben zwei grundsätzliche Ziele des Mehrwertsteuersystems aufeinander und die MwStSystRL gibt der umfassenden Besteuerung des Letztverbrauchs gegenüber dem Neutralitätsprinzip den Vorrang.

[1] BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304.
[2] Kraeusel, UVR 1999, 117; Nieskens, UR 1999, 137; Widmann, DB 1999, 925.
[3] S. dazu Widmann, Der Eigenverbrauch und seine Bemessung, in Lohse/Schöll (Hrsg.), Umsatzsteuerkongreß-Bericht 1982/83, 51.

2 Systematische Überlegungen

 

Rz. 5

Mit § 3 Abs. 1b UStG, der die Steuerbarkeit unentgeltlicher Wertabgaben aus einem Unternehmen bezüglich körperlicher Gegenstände regelt – die unentgeltliche Wertabgabe in Form von Dienstleistungen normiert der gleichfalls ab dem 1.4.1999 geltende § 3 Abs. 9a UStG[1] –, hat der deutsche Gesetzgeber die (spätestens) seit dem Urteil des EuGH v. 27.6.1989[2] fällige Anpassung an Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie vorgenommen. Die Rechtslage nach dem Wortlaut des UStG 1980 war, weil das Gesetz keinen Bezug zum vorherigen Vorsteuerabzug hinsichtlich des gelieferten Gegenstands herstellte, nicht konform mit den zwingenden unionsrechtlichen Vorgaben. Die Verwaltung hatte zwar im Gefolge der EuGH- und BFH-Rechtsprechung die Voraussetzung des in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs für den Eigenverbrauch durch Entnahme und Verwendung eines Gegenstands gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG postuliert in Abschn. 9 Abs. 2 und Abschn. 155 Abs. 3 UStR 1996, aber der Gesetzgeber in Deutschland hat erst zum 1.4.1999 auf diese Entwicklung reagiert. Seither setzt die steuerbare unentgeltliche Wertabgabe bei Gegenständen den vollständigen oder zumindest teilweisen Vorsteuerabzug voraus (Rz. 14).

 

Rz. 6

Wie schon die 6. EG-Richtlinie und inzwischen die MwStSystRL führt das deutsche Gesetz die den entgeltlichen Lieferungen gleichgestellten unentgeltlichen Umsätze nicht bereits bei der Aufzählung der steuerbaren Tatbestände in § 1 UStG auf, sondern erst unmittelbar im Zusammenhang mit der Definition der Lieferung gem. § 3 Abs. 1 UStG. Ebenso ist es bei den unentgeltlichen Wertabgaben in Form von Dienstleistungen gem. § 3 Abs 1 UStG. Damit deutet dies auf die Absicht des Unionsrechts hin, dass alle Regelungen, die für die entgeltlichen Lieferungen gelten, auch für die gleichgestellten unentgeltlichen Zuwendungen anzuwenden sind.

 

Rz. 7

Mit dieser Gleichstellung soll die umfassende Belastung des privaten Letztverbrauchs mit USt gewährleistet werden: Wenn ein Unternehmer seinem Unternehmen Gegenstände zuführt, hat er regelmäßig das Recht zum Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG. Die im Unternehmen liegenden Gegenstände sind dann also umsat...

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