Rz. 35

Die Nr. 2 von § 3 Abs. 1b S. 1 UStG betrifft die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

Weil die unentgeltlichen Zuwendungen eines Gegenstands in § 3 Abs. 1b UStG und die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen in § 3 Abs. 9a UStG getrennt geregelt werden, während vor dem 1.4.1999 die Lieferungen und sonstigen Leistungen eines Unternehmers an seine Arbeitnehmer aufgrund des Dienstverhältnisses ohne besonders berechnetes Entgelt einheitlich in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG normiert waren, befasst sich § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 2 UStG nur mit der unentgeltlichen Zuwendung von Gegenständen, d. h. Vorgängen, die typischerweise Lieferungen sind.

 

Rz. 36

Auch hier ist – anders als vor dem 1.4.1999 – tatbestandliche Voraussetzung, dass die zugewandten Gegenstände oder ihre Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Dabei stellen sich die gleichen Fragen wie bei § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG (Rz. 5).

 

Rz. 36a

Weil der BFH in dem Urteil v. 9.12.2010[1] den Vorsteuerabzug für Vorleistungen, die ein Unternehmer im Zusammenhang mit beabsichtigten unentgeltlichen Zuwendungen an seine Arbeitnehmer bezieht, nach dem Prinzip der Sofortentscheidung versagt, ist der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1b Nr. 2 UStG erheblich eingeschränkt: Ist der Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Bezugs nicht möglich, fehlt es im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes an der Steuerbarkeit. S. auch Abschn. 15.15 Abs. 1 UStAE.

 

Rz. 36b

Man mag diese Auffassung des BFH als von der MwStSystRL in der Interpretation des EuGH gedeckt ansehen. Sie führt aber zu einer systematisch unzutreffenden Belastung bereits im Zeitpunkt des Bezugs der Vorleistung und beschränkt die Belastung des Endverbrauchs auf die Versagung des Vorsteuerabzugs. Die Besteuerung erst im Zeitpunkt des Umsatzes mit der dafür geltenden Bemessungsgrundlage und zu dem dann geltenden Steuersatz gem. § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG – das Gesetz lautet dort ausdrücklich "jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes" – ist hingegen die systematisch allein zutreffende Lösung.[2]

 

Rz. 37

Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollte zwar mit § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 2 UStG gegenüber der bisherigen Rechtslage – abgesehen von der nun ausdrücklich genannten Vorsteuerabzugsvoraussetzung – keine Änderung eintreten; es ist aber doch sehr zweifelhaft, ob die Interpretation des neuen Wortlauts zu den gleichen Ergebnissen führen kann wie die des bisherigen Gesetzeswortlauts.

 

Rz. 38

Fraglich ist zumindest, ob der Begriff des Personals in § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 2 UStG, der wörtlich aus Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie (Art. 16 MwStSystRL entspricht dieser Norm) übernommen wurde, identisch ist mit dem Begriff "Arbeitnehmer oder deren Angehörige" in § 1 Abs. 1 UStG i. d. F. vor dem 1.4.1999. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird man zum Personal eines Unternehmers sicher nur solche Personen zählen, die zum Unternehmer in einem Arbeitnehmer- oder wenigstens arbeitnehmerähnlichen Verhältnis stehen. Vielleicht ist sogar ein selbstständiger Handelsvertreter oder ein sog. freier Mitarbeiter i. w. S. noch vom Begriff des Personals eines Unternehmens umfasst. Die Angehörigen von Arbeitnehmern gehören aber gewiss nicht zum Personal des Arbeitgebers. Insofern scheint der Tatbestand seit dem 1.4.1999 eher enger als der bisherige.

 

Rz. 39

Am Umfang der Steuerbarkeit von Sachzuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer oder deren Angehörige änderte sich ab dem 1.4.1999 allerdings deshalb wohl wenig, weil seither die unentgeltlichen Zuwendungen an Angehörige des Personals vom Entnahmetatbestand gem. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1 UStG oder von dem Auffangtatbestand gem. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG erfasst werden. Allerdings gibt es dort nicht die Ausnahme für Aufmerksamkeiten, während diese vor dem 1.4.1999 auch hinsichtlich der Arbeitnehmerangehörigen galt. Damit müssten Aufmerksamkeiten an Angehörige des Personals in Form von unentgeltlichen Lieferungen nach dem Gesetzeswortlaut als steuerbar angesehen werden. Die in Abschn. 1.8. Abs. 3 UStAE genannten Blumen, die ein Unternehmer dem Angehörigen eines Arbeitnehmers schenkt als Beispiel für eine Aufmerksamkeit aus Anlass eines besonderen persönlichen Ereignisses, unterlägen also der Steuer, falls für sie Vorsteuern abgezogen werden konnten. Dieses Ergebnis kann aber nicht gewollt sein, denn bei Geschenken von geringem Wert ordnet § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG die Nichtsteuerbarkeit an, die dem Vorsteuerabzug grundsätzlich nicht entgegensteht. Es macht keinen Sinn, Aufmerksamkeiten an das Personal oder seine Angehörigen strenger zu behandeln als Geschenke an Dritte. Hier zeigen sich übrigens auch Ungereimtheiten bei der Anwendung der in Rz. 17 dargestellten neuen Grundsätze des BFH zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs bei unentgeltlichen Leistungen eines Unternehmers an das Personal.

 

Rz. 40

Mit der Einschränkung der unentgeltlichen Lieferungen an das Personal "...

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